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Nach Petry-Absage Nach Petrys Verzicht auf Spitzenkandidatur : AfD-Parteitag im Kölner Maritim Hotel wird im Zeichen der Personalquerelen stehen

Von Kordula Doerfler 20.04.2017, 17:03
Die AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen (r.) und Frauke Petry bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Berliner AfD-Chef Georg Pazderski.
Die AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen (r.) und Frauke Petry bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Berliner AfD-Chef Georg Pazderski. dpa

Berlin/Köln - Wenn sich an diesem Wochenende die rund 600 Delegierten der „Alternative für Deutschland“ im Kölner Maritim Hotel zu ihrem Bundesparteitag treffen, ist nur eines klar: Es wird hoch hergehen, drinnen im Saal, wo die Partei um ihre Zukunft ringt, und draußen, wo Tausende von Gegendemonstranten erwartet werden. Vor knapp zwei Jahren, im Juli 2015, folgte der vorletzte Parteitag in Essen dem nationalkonservativen Flügel, der sich damals hinter Frauke Petry scharte. Mit seiner Hilfe stürzte sie Bernd Lucke, einen der bürgerlich-konservativen Gründer der AfD, die Partei spaltete sich.   

In Köln sollte es vor allem um das Programm für die Bundestagswahl im September gehen. Im Entwurf dafür plädiert die AfD für nicht weniger als die Wiederherstellung der Demokratie in Deutschland und präsentiert sich als islamfeindlich und beinhart im Asylrecht. Grundlage dafür ist eine Mitgliederbefragung, die Anfang des Jahres online durchgeführt wurde. 

Petry will keine Spitzenkandidatin werden

Die AfD ist aber derart zerstritten, dass auch der Parteitag im Zeichen der Personalquerelen stehen wird. Tagesordnungspunkt 10 ist der „Beratung und Beschlussfassung über die Spitzenkandidaten“ vorbehalten.

Am Mittwoch hatte die heutige Ko-Bundesvorsitzende Frauke Petry für viele überraschend erklärt, dass sie weder als alleinige Spitzenkandidatin noch in einem Team zur Verfügung stehe – ein weiterer Alleingang der 41-Jährigen. Nun ist nach wie vor offen, wer die AfD in den Wahlkampf führen wird und ob es überhaupt ein Team aus Spitzenkandidaten geben wird.

Sachsen-Anhalts AfD-Chef Andre Poggenburg, der dem Rechtsaußen Björn Höcke nahesteht und einer der schärfsten Gegner Petrys ist, will, dass sich die Partei doch noch auf ein Team einigt. „Es ist ein Team notwendig, das die verschiedenen Strömungen in der AfD abbildet“, sagte er. Bis zuletzt hatte er sich dafür ausgesprochen, dass Petry und der rechtsnationale brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland ihm angehören. 

„Punkten durch Themen, nicht durch die Köpfe“

Das war an den Differenzen zwischen Gauland und Petry gescheitert, ihr Verhältnis gilt als zerrüttet, seitdem sich Gauland im Streit um den von Petry betriebenen Parteiausschluss von Höcke auf dessen Seite gestellt hat.

Andere können sich aber durchaus vorstellen, ganz ohne Spitzenteam in den Wahlkampf zu ziehen, etwa der als moderat geltende Berliner AfD-Chef Georg Pazderski.  „Wir punkten durch Themen, da sind die Köpfe nicht so wichtig“, glaubt er. 

Der Streit um die Spitzenkandidatur wird erbittert geführt, in ihm spiegelt sich auch die Orientierungslosigkeit der Partei wider. Seitdem die Flüchtlinge nicht mehr den öffentlichen Diskurs bestimmen, ist der AfD erneut ihr Thema abhandengekommen, in Umfragen liegt sie bei nur noch acht Prozent der Wählerstimmen. Die Basis hatte sich für ein Kandidatenteam ausgesprochen, Interessenten sollten sich im März bewerben und anschließend die Mitglieder abstimmen. Da sich aber niemand meldete, wurde die Entscheidung auf den Parteitag verschoben.

Petry will AfD zu einer „bürgerlichen Volkspartei“ machen

Als Kandidaten werden nun Gauland und die baden-württembergische Politikerin Alice Weidel gehandelt, dann aber wird die Personaldecke schon dünn, denn weder Höcke noch Poggenburg noch Meuthen wollen in den Bundestag. Sollte es in der Frage zu keiner Einigung kommen, könnte das Petry durchaus in die Hände spielen, sie wäre als Parteivorsitzende plötzlich doch wieder die zentrale Figur.

Petry will die Partei am Wochenende dazu zwingen, sich inhaltlich neu zu positionieren. Einen entsprechenden Antrag hat sie bereits eingereicht, und auch er war dazu angetan, ihre Gegner zu reizen, zumal sie Gauland darin namentlich angreift.

Petry fordert einen Wechsel weg von der derzeitigen „fundamentaloppositionellen Strategie hin zu einer realpolitischen Strategie“. Sie will die AfD zu „einer bürgerlichen Volkspartei“ machen, „um innerhalb der kommenden Jahre grundsätzlich in der Lage zu sein, relative Mehrheiten auf allen politischen Ebenen erzielen zu können“ und damit koalitions- und regierungsfähig zu werden.

Petrys Ansatz spaltet, statt zu vereinen

In der Partei führte das zu Aufruhr, viele warfen ihr vor, damit nur ihren Machtanspruch kaschieren und einen künstlichen inhaltlichen Konflikt führen zu wollen. „Das ist ein ganz falscher Ansatz, er spaltet, statt zu vereinen“, wirft ihr auch ihr Kovorsitzender Jörg Meuthen vor.

In ihrer Videobotschaft vom Mittwoch hat sich Petry zwar kompromissbereit gezeigt, gleichzeitig aber unmissverständlich klar gemacht, dass sie die Debatte führen möchte. Auch Gauland signalisierte zuletzt eine gewisse Verhandlungsbereitschaft, Andre Poggenburg aber hält eine Entscheidung zwischen Fundamentalopposition und Realpolitik für völlig falsch.

Wer hat was zu sagen in der AfD?

Wer sich in der AfD auf Dauer an der Spitze halten will, muss sich ein ganz dickes Fell zulegen. Denn die Anwürfe aus den eigenen Reihen sind oft bösartiger als die Attacken politischer Gegner. Das hat nicht nur Gründungsmitglied Bernd Lucke erfahren, als er 2015 beim Essener Parteitag von einer johlenden Menge davongejagt wurde. Wer am kommenden Sonntag am Ende des Kölner Bundesparteitages als Sieger(in) auf dem Podium stehen wird, ist noch offen.

Frauke Petry (41)

Die AfD-Bundesvorsitzende ist - Stand heute - die bekannteste Persönlichkeit der Partei. Doch, dass sich das rasch ändern kann, hat der Fall Lucke gezeigt. Er geriet damals sehr schnell in Vergessenheit. Aber: Petry hat Nehmerqualitäten. Sitzt sie in politischen Talkshows völlig isoliert da, läuft sie erst recht zu Hochform auf. Das gilt auch für den innerparteilichen Machtkampf.

Allerdings kommen im Moment zwei Probleme zusammen: Erstens: Der rechtsnationale Flügel des Thüringer Fraktionschefs Björn Höcke sieht jetzt den Zeitpunkt gekommen, sie loszuwerden. Auch wenn das öffentlich so direkt niemand sagen will. Zweitens: Petry kann durch ihre Eheschließung mit dem nordrhein-westfälischen AfD-Landeschef Marcus Pretzell zwar jetzt auch auf seine Anhänger bauen. Allerdings hat die Parteichefin nun auch seine Gegner gegen sich.

Alexander Gauland (76)

Der brandenburgische AfD-Chef gilt als wichtigster Strippenzieher der Partei. Der ehemalige Staatssekretär aus Hessen will sich mit dem Einzug der AfD in den Bundestag auch an seiner alten Partei, der CDU, rächen. Dafür, dass sie seinen strikt konservativen Vorstellungen einst nicht folgen wollte. Diesem Ziel ordnet er alles unter.

Gauland will, dass die Partei auch im ganz rechten Milieu anschlussfähig bleibt, daher seine väterliche Fürsorge für Höcke. Petry ist für Gauland eine nützliche Person. Das sieht er ganz emotionslos. Auch wenn ihn die taktischen Winkelzüge der Parteichefin gelegentlich nervlich anstrengen.

Alice Weidel (38)

Die baden-württembergische Politikerin gehört aktuell zu den Aufsteigern in der AfD. Und das, obwohl sie sich bei der Wahl zum Landesvorstand in Baden-Württemberg erst kürzlich eine Niederlage eingefangen hat. Diejenigen, die ihr da Knüppel zwischen die Beine warfen, fanden wohl, dass Weidel, die kurz zuvor schon den ersten Platz der Landesliste für die Bundestagswahl erobert hatte, nicht zu schnell zu mächtig werden sollte.

Insgesamt hat Weidel innerparteiliche Machtkämpfe jedoch gut überstanden. Das liegt auch daran, dass sie sich mit öffentlicher Kritik an irrlichternden Parteifreunden zurückhält. Auch dazu, dass sie einige gerne als Petry-Ersatz in die erste Reihe stellen würden, schweigt sie. Vielleicht will sie abwarten, wie die Stimmung beim Parteitag ist.

Für Höcke und Co. ist die promovierte Volkswirtin, die mit Frau und zwei Kindern lebt, keine Wunschkandidatin, sondern im Vergleich zu Petry nur das kleinere Übel. Denn Weidel hatte sich gemeinsam mit Petry für den Parteiausschluss von Höcke eingesetzt.

Beatrix von Storch (45)

Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende wäre aus Sicht des rechtsnationalen Flügels die bessere Wahl, wenn man denn unbedingt eine Frau im Spitzenteam haben will. Doch die stellvertretende Vorsitzende fällt gerne durch schrille Sprüche auf und schaut oft grimmig, wenn sie Kameras sieht.

Jörg Meuthen (55)

Der Bundesvorsitzende der AfD hat in seiner baden-württembergischen Landtagsfraktion schon einige Kämpfe austragen müssen. Wer damals gedacht hat, dass er sich davon nie wieder erholen wird, hat sich geirrt. Genau wie bei Petry, so ist auch bei Meuthen der Wille zur Macht ungebrochen. Auch wenn er diesmal nicht für den Bundestag kandidiert. (dpa)