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Nach Kritik an Flüchtlingspolitik Nach Kritik an Flüchtlingspolitik: Der Druck auf Linken-Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht steigt weiter

Von Markus Decker 31.07.2016, 13:01
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht steht wegen ihrer umstrittenen Äußerung zur Flüchtlingspolitik in der Kritik. 
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht steht wegen ihrer umstrittenen Äußerung zur Flüchtlingspolitik in der Kritik.  dpa

Berlin - Sahra Wagenknecht hat sich am Wochenende ein weiteres Mal verteidigt. „In meine Presseerklärungen werden Dinge reininterpretiert, die ich weder gesagt noch gemeint habe“, sagte die Vorsitzende der Linksfraktion dem Spiegel, fügte indes hinzu: „Es ist auch nicht links, Probleme zu verschweigen.“

Die 47-Jährige hatte nach dem von einem Flüchtling begangenen Selbstmordanschlag von Ansbach gesagt, „dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges 'Wir schaffen das' uns im letzten Herbst einreden wollte". Die Kanzlerin müsse dafür sorgen, dass „sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können“.

Wagenknecht äußerte sich sehr schnell und schärfer als die CSU, während alle anderen Parteien außer der rechtspopulistischen AfD die Ansicht vertraten, man dürfe so ein Ereignis nicht parteipolitisch ausschlachten und Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen. Unter dem Druck ihrer internen Kritiker ruderte Wagenknecht zurück, sprach von „Missverständnissen“ und „Fehlinterpretationen“. Ausgestanden ist die Sache nicht.

Parteichefs distanzieren sich

In linken Führungskreisen ist die Entrüstung einhellig. Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger distanzierten sich. Von Wagenknechts Co-Vorsitzendem Dietmar Bartsch heißt es, er sei stinksauer und habe ihr „die dunkelgelbe Karte gezeigt“. Bartsch ging auch öffentlich auf Abstand, erstmals in der Amtszeit der beiden. Sein Vorgänger Gregor Gysi riet Wagenknecht: „Vielleicht sollte sie sich jetzt eine Weile zur Flüchtlingsfrage einfach mal nicht äußern.“ Vertreter des linken Parteiflügels wie Ulla Jelpke rückten ebenfalls ab. Viele suchten den Kontakt, telefonisch oder via SMS, um Wagenknecht die Meinung zu sagen. Die reagierte angeblich beeindruckt – und trotzig. In dem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass ihr Mann Oskar Lafontaine ja genauso denke.

An der linken Basis kursiert der Aufruf „Sahra, es reicht!“ Darin steht: „Wir arbeiten in Initiativen und Bündnissen gegen alte und neue Nazis, stellen uns sogenannten Asylkritikern in den Weg und nehmen in Kauf, dafür angefeindet und angegriffen zu werden. Die Äußerungen von Dir sind ein Schlag ins Gesicht von uns allen. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Linke, die rechts blinkt, nicht mehr auf dem richtigen Kurs ist.“ Den Aufruf haben bis zuletzt 117 Mitglieder unterschrieben.

Kein Sturz geplant

Große Teile der Linken haben das Gefühl, Wagenknecht rücke sie in die Nähe der AfD. Dabei skandiert gerade das linke Lager der Partei bei Parteitagen gerne: „Hoch die internationale Solidarität!“ Hinzu kommt, dass die Fraktion ihrer Vorsitzenden zweimal klar gemacht hat, dass man ihren Kurs nicht teilt – als sie sich für eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs aussprach und mit Blick auf die Silvesterübergriffe in Köln erklärte, kriminelle Asylsuchende hätten ihr „Gastrecht verwirkt“.

Schließlich ist da noch der Umstand, dass mal wieder Landtagswahlen anstehen – diesmal in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Gerade die Berliner Linke ist in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Sie hat aber beschlossen, zu Wagenknecht zu schweigen – wohl wissend, dass Wagenknecht bei potenziellen Wählern viele Sympathien genießt. Sie selbst verweist auf zustimmende E-Mails.

Wagenknecht-Kritiker beklagen, dass der Tortenwurf auf sie beim Parteitag Ende Mai in Magdeburg eine öffentliche Aussprache verhindert habe. Das räche sich jetzt. Manche waren fest entschlossen, mit Wagenknecht vor den Delegierten Tacheles zu reden, mussten sie dann freilich gegen den Angriff des 23-jährigen Norbert G. aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt verteidigen. Die Aussprache dürfte nun bei der Fraktionsklausur am 29. und 30. August in Hannover folgen. „Wir müssen dort darüber reden“, sagte ein führendes Mitglied der Fraktion dieser Zeitung. „Daran führt kein Weg vorbei.“ Wagenknechts Sturz sei nicht geplant, so das Mitglied weiter. „Ich halte es allerdings nicht für ausgeschlossen, dass der Streit so eskaliert, dass es gar nicht anders geht.“