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MZ-Serie MZ-Serie: Mit 67 noch nicht Schluss?

Von Bärbel Böttcher 25.06.2013, 12:47
Ilka Grießer und Bert-Morten Arnicke mit ihren Kindern Ada, Mila und Tilda
Ilka Grießer und Bert-Morten Arnicke mit ihren Kindern Ada, Mila und Tilda Andreas Stedtler Lizenz

Halle/MZ - Es herrscht Nachdenklichkeit am großen Tisch in der gemütlichen Wohnküche von Ilka Grießer und Bert-Morten Arnicke. Im Gespräch geht es um die fernere Zukunft, um die Zeit, in der die beiden das Rentenalter erreicht haben werden. Es ist kein alltägliches Thema zwischen den Ehepartnern. Viel häufiger wird hier ganz sicher über Musik gesprochen.

Ilka Grießer hat das Handwerk des Geigenbaus erlernt. Heute ist die 38-Jährige freischaffende Musikerin. Sie spielt Cello in verschiedenen Kammermusikgruppen, gibt Unterricht im Cello-Spiel. Und sie studiert noch - Musikwissenschaft im Hauptfach.

Ihr Ehemann hat zwar die Musik nicht zum Hauptberuf gemacht. Der 39-Jährige ist Projektmanager am Univations Institut für Wissens- und Technologietransfer an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Aber nebenberuflich greift auch er in die Saiten. Auf seiner Jazz-Gitarre begleitet er das Vocal-Ensemble Java Five. Bis nach Asien sind die Musiker schon gereist. Und er ist Mitbegründer des Festivals „Women in Jazz“. Auch die drei Töchter - die neunjährige Ada, die achtjährige Mila und die fünfjährige Tilda - spielen Instrumente. Klavier, Geige, Cello.

Und wenn die Fünf nicht selbst musizieren, konsumieren sie auch ganz gern „Kultur in allen Facetten“. Bert-Morten Arnicke spricht von einer anspruchsvollen Freizeitgestaltung. Und dabei soll es auch im Alter bleiben.

Anspruchsvolle Freizeitgestaltung auch im Alter

Ilka Grießer träumt zudem vom Reisen. Japan, Neuseeland, die Karibik. Das wären so ihre Traumziele. Jetzt, wo die Kinder relativ klein sind, sei das nicht zu verwirklichen. Und später? „So häufig wie meine Eltern und Schwiegereltern unterwegs sind, das werde ich wohl nicht können“, sagt die junge Frau, die über die Künstlersozialkasse versichert ist. Sie glaubt nicht, dass sie hohe Rentenansprüche erwirbt. „Dazu sind die Beiträge zu gering, die ich dort einzahle.“ Freischaffende Künstler seien nicht eben auf Rosen gebettet. Die Entgelte seien sehr schlecht - auch wenn sich da gerade etwas bewege.

Bert-Morten Arnicke hat etwas mehr Gewissheit. Er ist seit 13 Jahren in einem festen Angestelltenverhältnis. Und von der Deutschen Rentenversicherung Bund erhält er regelmäßig eine Renteninformation. Quasi eine Prognose, wie hoch seine Altersrente einmal ausfallen könnte. Die Betonung liegt auf könnte. Nach jetzigem Recht erreicht er das gesetzliche Rentenalter mit 67 Jahren. Also im Jahr 2040. Und er bekäme nach jetzigem Stand etwa 1 000 Euro Rente. Die übrigens genau ab dem Jahr 2040 für Neurentner zu 100 Prozent steuerpflichtig ist. Doch wer weiß schon heute genau, was bis dahin noch alles passiert? Sowohl im persönlichen Leben als auch in der Politik.

Fest steht jedenfalls, dass das Rentenniveau sinken wird. Das ist in der Rentenformel bereits fest eingebaut - insbesondere durch den Nachhaltigkeitsfaktor. Er spiegelt das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern wider. Nimmt die Zahl der ersten Gruppe ab, was durch die demografische Entwicklung absehbar ist, wirkt sich das rentenmindernd aus. Im umgekehrten Fall wirkt der Faktor rentensteigernd. Der ist aber unwahrscheinlich.

Nettorentenniveau sinkt weiter

Derzeit liegt das Nettorentenniveau (vor Steuern) bei etwa 50 Prozent. Bis zum Jahr 2026 wird es nach Aussagen des jüngsten Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung auf 46 Prozent sinken. Und bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent. Prognosen, die darüber hinaus gehen, wagt derzeit keiner aufzustellen. Der Nachhaltigkeitsfaktor wurde übrigens im Jahr 2004 eingeführt. Etwa zum selben Zeitpunkt , als die Hartz-Gesetze in Kraft traten. Sie öffneten dem Niedriglohnsektor Tür und Tor. Beides zusammen - ein abgesenktes Rentenniveau und geringe Rentenansprüche, die sich aus Minijobs und ähnlichem nun mal ergeben - lässt die Angst vor Altersarmut steigen. Die gesetzliche Rente werde zwar auch zukünftig die zentrale Säule der Altersversorgung bleiben, heißt es in eben jenem Rentenversicherungsbericht. Sie alleine werde aber nicht ausreichen, „um den Lebensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuführen“. Es wird heftig dafür geworben, eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen.

Ilka Grießer und Bert-Morten Arnicke haben da einiges aufzuweisen. „Ich habe angefangen darüber nachzudenken, als ich berufstätig wurde“, sagt der 39-Jährige. Und räumt doch er ein: „Wir kümmern uns wahrscheinlich nicht so intensiv darum, wie es nötig wäre.“ Aber - man müsse ja auch jetzt leben. Drei Kinder kosteten Geld. Da gelte es genau zu überlegen, was man macht, wie viel Prozent des Gehaltes in die zusätzliche Altersvorsorge gesteckt werde. „Es ist eine Gratwanderung“, sagt der Familienvater. Vielleicht wäre eine Beratung gut, was für die familiäre und finanzielle Situation der Fünf passgenau wäre? Ganz sicher. Aber die gab es noch nicht, weil die beiden Versicherungen und ähnlichen Instituten generell ein wenig misstrauisch gegenüber stünden. Und außerdem seien viele Verträge, die man da abschließen könne, auch von der Zinsentwicklung beeinflusst und damit unsicher.

Nun, beide haben seit vielen Jahren eine kapitalbildende Lebensversicherung laufen. „Die haben noch meine Eltern für mich abgeschlossen. 1992 war das“, erzählt Ilka Grießer. Bert-Morten Arnicke, entschied sich nach seiner ersten Festanstellung vor 13 Jahren für eine Lebensversicherung. Seine betriebliche Altersvorsorge ist zur Zeit beitragsfrei gestellt. Die hat er bei einem anderen Arbeitgeber abgeschlossen und kann sie jetzt nicht fortführen. Dann existiert noch eine Riester-Rente. Die ist für die Familie besonders interessant, weil es für die Kinder vom Staat hohe jährliche Zulagen gibt: 185 Euro für Kinder, die bis 2007 geboren wurden und 300 Euro für alle die, die ab 2008 geboren wurden.

Investition in die eigene Immobilie

Ein ganz wichtiger Punkt im Altersvorsorgekonzept der Familie Grießer-Arnicke ist die „Investition in die eigene Immobilie“. Das Haus gibt es schon. Auf dem Grundstück der Eltern in Halle. Es soll erweitert werden und dann für drei Generationen ein Zuhause sein: Großeltern, Eltern, Kinder. Sicher sei es dafür schon etwas spät, meint der Familienvater. Der dafür nötige Kredit solle möglichst bis zum Rentenbeginn getilgt sein.

Doch wann wird der sein? Glauben die beiden daran, bis zum Alter von 67 Jahren zu arbeiten? Ein entschiedenes „Ja“ ist die Antwort. „Ich glaube, sogar noch länger arbeiten zu müssen“, sagt Bert-Morten Arnicke. Er verweist auf den Haus-Ausbau und meint, dass er schließlich einen Bürojob habe - den könne er länger ausüben. Da zähle nicht Körperkraft, sondern Erfahrung. Augenzwinkernd fügt er hinzu: „Das heißt nicht, dass ich nicht gern mit 50 aufhören würde, um nur noch Musik zu machen.“ Auch Ilka Grießer sagt: „Musik gehört zu sehr zu meinem Leben, als dass ich sagen würde, mit 67 rühre ich das Cello nicht mehr an.“ Es sei ja körperlich nicht anstrengend.

So locker sehen das nicht alle. Rund die Hälfte der heute Beschäftigten hält es nach einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes für unrealistisch, bis zum 67. Lebensjahr arbeiten zu können. Kritiker sehen in der Anhebung des Rentenalters lediglich ein enormes Programm zur Rentenkürzung. Muss doch für jeden Monat, den die Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen wird, ein Abschlag von 0,3 Prozent hingenommen werden. In den neuen Bundesländern traf das von den Neurentnern des Jahrgangs 2011 immerhin 73,8 Prozent.

Ilka Grießer und Bert-Morten Arnicke sind da guten Mutes. „Aber - man darf nicht krank werden. Sonst kommt der Schlips ins Rad“, sagt die Cellistin. Soll heißen, dann geht die Sache schief. Eine Versicherung für ihre Hände hat sie nicht - die seien immens teuer. Und eine Berufsunfähigkeitsversicherung haben beide bisher nicht abgeschlossen - aber zumindest schon mal darüber nachgedacht. „Auch das ist ja schließlich eine Altersvorsorge“, sagt die 38-Jährige. Und wieder macht sich Nachdenklichkeit am Tisch breit.

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