MZ im Gespräch mit Michael Wolffsohn MZ im Gespräch mit Michael Wolffsohn: Berlin zur Vernunft zwingen
Halle/MZ. - Der deutsche Historiker Michael Wolffsohn sieht in der israelischen Anforderung nach Panzern und Raketensystemen der Bundeswehr eine abgestimmte Aktion der Regierungen der USA und Israels. Ziel sei die "Disziplinierung bundesdeutscher Außenpolitik" und die "Rückführung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Lager", sagte Wolffsohn in einem MZ-Gespräch.
MZ im Gespräch mit Michael Wolffsohn
Herr Wolffsohn, Israel hat einen Antrag auf Lieferung von "Patriot"-Raketen und Transportpanzern gestellt. Wie sollte die Bundesregierung darauf reagieren? Wolffsohn: Positiv. Weil man nicht Worte der Solidarität formulieren und das Handeln verweigern kann. Es sei denn, man will sich unglaubwürdig machen. Die Grünen wenden ein, die Panzer würden in den Palästinenser-Gebieten eingesetzt. Wolffsohn: Gegen Eskimos werden sie sicher nicht eingesetzt. Es geht darum, das Problem des Terrorismus in den Griff zu bekommen und damit auch die terroristische Variante palästinensischer Politik. Die Verflechtungen palästinensischer Gruppen mit dem internationalen Terrorismus haben zuletzt eher zugenommen. Und der irakische Diktator Saddam Hussein hat den palästinensischen Terror finanziell massiv unterstützt. Ihrer Meinung nach hat die Bitte um die "Patriot" überwiegend keine militärischen, sondern politische Gründe. Was bedeutet das? Wolffsohn: Es geht um die Disziplinierung bundesdeutscher Außenpolitik und die Rückführung der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Lager. Hier dürfte es eine konzertierte Aktion zwischen den Vereinigten Staaten und Israel gegeben haben. ... die Sie richtig finden? Wolffsohn: Völlig richtig. Offenbar muss die bundesdeutsche Außenpolitik gegen sich selbst zur Vernunft gebracht werden. Was einem guten Zweck dient, ist sinnvoll. Es bedarf hier offensichtlich der Hilfe von außen. Ein Kurs gegen die Welt ist eine Katastrophe für Deutschland und die Welt. Und es ist Deutschland und Europa nie gut bekommen, gegen die USA Politik zu machen. Wenn aber die USA gegen den Irak Krieg führen, muss man dann in Nahost nicht eine Eskalation befürchten, die auch Israel schadet? Wolffsohn: Das ist eine Frage der Perspektive. Aber die Gefahr, die vom Irak ausgeht, ist von der Bundesregierung systematisch verniedlicht worden. Der Irak hat biologische und chemische Waffen samt Trägerraketen, die über kurz oder lang Deutschland und Europa erreichen können. Das gilt auch für Atomwaffen. Wer die Politik der USA kritisiert, verkennt, dass er selbst bedroht ist. Wie lässt sich die Kluft zwischen Europa und den USA schließen? Wolffsohn: Westeuropa hat zuletzt eine völlig unrealistische Außenpolitik gemacht. Es verfügt über keine Abschreckungskapazität und ist deshalb erpressbar. Wer erpressbar ist, kann nicht politisch handeln. Europa ist ein Kontinent, den man als Akteur nicht mehr ernst nimmt. Gibt es Krieg? Wolffsohn: Das Zeitalter der Propheten ist auch bei uns Juden vorbei. Aber wenn es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt, dann wahrscheinlich im Januar. Mit einer Eskalation rechne ich nicht. Die arabischen Regimes haben kein Interesse daran, zu Gunsten des Irak zu intervenieren. Die arabischen Volksmassen sind empört – jedoch zumeist wegen ihrer eigenen diktatorischen Regimes. Der Krieg wird nur ein paar Wochen dauern und selbstverständlich von den Amerikanern gewonnen werden.