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MZ im Gespräch mit Brigitte Zypries MZ im Gespräch mit Brigitte Zypries: Neue Wege aus der Ehe

02.03.2006, 18:48

Magdeburg/MZ. - Sie wollen das Familienprozessrecht reformieren. Bei Scheidungen sollen Kinder künftig einen unabhängigen Beistand bekommen. Wie soll das funktionieren.

Zypries: Ziel ist, die Kinderrechte zu stärken. Wenn sich Vater und Mutter bei einer Scheidung erbittert streiten und die Kinder zwischen beiden Parteien zerrieben werden, sollen die Kinder jemanden haben, der sie unterstützt. Der sie ermutigt, zu sagen: "Das will ich, und das will ich nicht." Den Beistand soll es allerdings nur geben, wenn es tatsächlich notwendig ist.

Die Hälfte der Ehen wird kinderlos geschieden, das sind rund 100 000 im Jahr. Diese Scheidungen wollen Sie einfacher und billiger machen, es muss kein Anwalt mehr hinzugezogen werden. Wer berät die Ehepartner dann, was für sie fair und richtig ist...?

Zypries: ...der Notar. Wenn die Ehepartner gemeinsam das neue, vereinfachte Scheidungsverfahren wollen, soll der Notar beraten, was einvernehmlich geregelt werden muss. Da geht es um die Aufteilung des Hausrates, um die Wohnung und den Ehegattenunterhalt. Die in der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche für die Rente werden danach weiterhin vom Gericht von Amts wegen geklärt.

Ein Rechenbeispiel bitte, was durch das neue Modell gespart werden kann?

Zypries: Jeder Fall ist natürlich anders. Wenn man aber mal eine Modellrechnung macht, ergibt sich folgendes: Bei einem gemeinsamen Nettoeinkommen der Partner von 3 000 Euro und einem Unterhaltsanspruch von 500 Euro waren bisher 1 799 Euro zu zahlen - 392 Euro für Gerichtsgebühren, 1 215 Euro für den Anwalt. Nach dem vereinfachten Scheidungsrecht sind es nur noch 400 Euro - davon 196 Euro fürs Gericht und 204 Euro für den Notar. Ersparnis: 1 400 Euro. Man zahlt im Schnitt nur noch ein Viertel der bisherigen Kosten.

Die Länder haben ein Gesetzpaket zur Verschärfung des Jugendstrafrechtes auf den Weg gebracht. Dazu gehört der Warnschussarrest. Was halten Sie davon?

Zypries: Eine kurze Haft zur Warnung, nämlich den Jugendarrest, haben wir bereits. Und ich halte das auch für richtig. Der Vorschlag der Länder allerdings verknüpft den Warnschussarrest mit einer Freiheitsstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Das wird von den Fachleuten ganz überwiegend abgelehnt. Aber das Paket beinhaltet auch die geplante Erhöhung der Höchststrafe für Jugendliche von zehn auf 15 Jahre und die generelle Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende, also 18- bis 21-Jährige. Gegen beides hat sich die Koalition festgelegt, da gibt es also keine Mehrheiten im Bundestag.

Was schlagen Sie denn vor, um die Bandbreite der Sanktionsmöglichkeiten zu erhöhen?

Zypries: Wir wollen die verkehrsrechtlichen Vorschriften ändern. Wir wollen das Fahrverbot von der Nebenstrafe zur Hauptstrafe aufwerten, denn bislang kann es nur zusätzlich zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verhängt werden. In Zukunft kann das Fahrverbot als Strafe alleine stehen - und zwar auch bei Taten, die keinen Verkehrsbezug haben. Außerdem soll ein Fahrverbot immer dann als Sanktion verhängt werden, wenn ein Auto beispielsweise zum Transport der Beute genutzt wird - wenn also das Auto in irgendeinem Zusammenhang mit der Tat steht.

Im Zuge der Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern soll die Gesetzgebung beim Strafvollzug künftig in Länderhoheit übergehen. Besteht bei der dramatischen Überbelegung der Gefängnisse und der Geldnot nicht die Gefahr, dass grundlegende Rechte eingeschränkt werden - zum Beispiel der Anspruch auf einen Einzelhaftplatz?

Zypries: Die Länder bleiben an die Standards gebunden, die sich aus dem Grundgesetz, europäischen Vorgaben und der Rechtsprechung ergeben. Dazu gehört eine menschenwürdige Unterbringung in Hafträumen mit abgetrennter Toilette und mindestens sechs Quadratmetern pro Gefangenem.