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US-Studie Muslime in Europa: Ihr Anteil könnte sich laut Pew-Studie bis 2050 verdoppeln

Von Kordula Doerfler 30.11.2017, 06:10
Die Ditib-Moschee in Köln
Die Ditib-Moschee in Köln dpa

In Europa leben immer mehr Muslime, vor allem in Mittel- und Westeuropa. Das gilt auch für Staaten wie Deutschland, Österreich und Italien, die sich lange Zeit nicht als Einwanderungsländer verstanden haben. Die Ressentiments gerade gegen muslimische Zuwanderer wachsen ebenfalls in vielen Ländern, nicht zuletzt sie haben rechtspopulistischen Parteien zum Erfolg verholfen.

Wie aber wird sich die muslimische Bevölkerung in Europa entwickeln? Dieser Frage ging das renommierte Pew-Forschungsinstitut in Washington in einer Studie nach, die am heutigen Donnerstag veröffentlicht wird und dieser Zeitung vorliegt. Pew entwickelt darin drei Szenarien für das Jahr 2050 und prognostiziert, dass die Zahl der Muslime in Europa auf jeden Fall steigen wird, selbst wenn ab sofort kein einziger weiterer muslimischer Migrant oder Flüchtling mehr käme.

Kaum Muslime in Osteuropa und dem Baltikum

Grundlage für die Szenarien waren Daten aus den einzelnen europäischen Ländern und europäischen Institutionen wie Eurostat, die Mitte 2016 vorlagen. Auch die Schweiz und Norwegen wurden mitberücksichtigt, obwohl sie nicht zur Europäischen Union gehören. 2016, also nach der großen Fluchtbewegung über den Balkan, lebten in Europa knapp 25,8 Millionen Muslime – das entspricht einem Anteil von 4,9 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten Muslime in Mittel- und Westeuropa leben in Frankreich, gefolgt von Schweden (8,1), Belgien (7,6), den Niederlanden (7,1), Großbritannien (6,3) und Deutschland (6,1).

Auffallend ist, wie niedrig der Anteil von Muslimen in den osteuropäischen und baltischen Staaten ist – mit Ausnahme von Bulgarien, wo schon immer viele Muslime lebten.

Als muslimische Migranten werden in der Studie alle Muslime definiert, die in die jeweiligen Länder kommen, also reguläre Zuwanderer, die in Europa arbeiten wollen oder Familie haben, aber auch Flüchtlinge und Asylbewerber, deren Verfahren bereits abgeschlossen ist.

Muslime sind jünger und bekommen mehr Kinder

Selbst bei dem – sehr unwahrscheinlichen - niedrigsten Szenario, das davon ausgeht, dass Europa seine Grenzen abriegelt und dauerhaft gar keine Muslime mehr kommen, wächst die muslimische Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf 7,4 Prozent. „Der Grund dafür ist, dass Muslime jünger sind und im Durchschnitt mehr Kinder bekommen als andere Europäer“, so die Autoren.

Allerdings weisen sie darauf hin, dass präzise Berechnungen unmöglich sind, weil Zuwanderung stark von den wirtschaftlichen Bedingungen in den Herkunftsländern und der Einwanderungs- und Asylpolitik in Europa abhängt. Auch Empfehlungen an die Politik gibt Pew bewusst nicht.

Institut entwickelt verschiedene Szenarien

Im zweiten Modell nehmen die Autoren an, dass keine Flüchtlinge mehr, aber andere Migranten nach Europa kommen. Für dieses mittlere Szenario prognostizieren sie einen Anstieg der muslimischen Bevölkerung auf 11,2 Prozent. In Szenario Drei würden weiterhin so viele Menschen nach Europa flüchten wie in den Jahren 2014 bis 2016 und auch andere Migranten einreisen, dann stiege der Anteil der muslimischen Bevölkerung auf 14 Prozent. Für Deutschland hieße das, dass im Jahr 2050 17,5 Millionen Muslime hier leben würden, das entspräche 19,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im mittleren Szenario wären es 8,4 Millionen, im niedrigsten knapp 6 Millionen.

Da die nichtmuslimische Bevölkerung in allen europäischen Ländern zurückgehen werde, so die Autoren, würde die Lücke durch die muslimischen Zuwanderer zumindest teilweise ausgeglichen werden. Allerdings wird auch deutlich, dass von den insgesamt rund sieben Millionen Zuwanderern in Europa von 2010 bis 2016 nur knapp mehr als die Hälfte Muslime waren.

Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und Irak

Die Studie belegt auch, wie stark die Konflikte und Kriege im Mittleren Osten nach Europa hineinwirken. In den Jahren 2014 bis 2016 flüchteten fast dreimal so viele Menschen nach Europa wie in den knapp vier Jahren zuvor, die meisten kamen aus Syrien, Afghanistan und Irak – dies spiegelt sich auch in den deutschen Asylbewerberzahlen nieder, und der Großteil von ihnen sind Muslime.

Auch die amerikanischen Forscher kommen zu dem Schluss, dass gerade Deutschland attraktiv war für muslimische Flüchtlinge. „Deutschland hat die größte Bevölkerung und Wirtschaft in Europa, es liegt im Zentrum des Kontinents und hat eine Politik, die positiv gegenüber Asylbewerbern ist“, heißt es in der Studie.

Allerdings halten sie auch fest, dass Deutschland auch sehr viele Menschen aus anderen EU-Staaten anzieht. Die meisten Zuwanderer in absoluten Zahlen hatte in den vergangenen sechs Jahren Großbritannien zu verzeichnen. Das Königreich ist wie Frankreich für Flüchtlinge nicht sehr attraktiv, wohl aber für andere Migranten muslimischen Glaubens – beide waren einst koloniale Großmächte. Die meisten Flüchtlinge nahmen Deutschland und Schweden auf.