Minister und Kanzlerin Ministerposten: Das ist das neue Kabinett von Angela Merkel

Berlin - Am Freitag hat die SPD als letzte Partei ihre Ministerliste präsentiert – endlich ist das Kabinett Merkel IV damit komplett. Eine Übersicht über die Männer und Frauen, die in den nächsten vier Jahren das Land regieren.
CDU, sieben Posten
Angela Merkel, Kanzlerin: Angela Merkel ist die Chefin, aber sie geht angeschlagen in ihre vierte und vermutlich letzte Amtszeit. Die CDU hat bei der Wahl massiv an Zustimmung verloren, die Regierungsbildung hat so lange gedauert wie nie zuvor, ihre Partei fühlt sich durch die Kompromisse bei der Ressortverteilung über Gebühr geschwächt.
Die 63-jährige Physikerin ist pragmatisch, Anfeindungen haben sie bislang selten aus dem Tritt gebracht. Den Zusammenhalt der Gesellschaft hat sich Merkel selbst als Aufgabe gesetzt. Allerdings ist sie im Inland wie im Ausland nicht nur eine der erfahrensten Regierungschefs, sondern für manche auch ein rotes Tuch, nicht zuletzt wegen der Flüchtlingspolitik. Einer der ersten Bewährungstermine für Merkel steht schon Ende März an: der EU-Reform-Gipfel.
Ursula von der Leyen, Verteidigung: Die Niedersächsin ist die einzige Ministerin, die in jedem Kabinett Merkel dabei war, erst als Familien-, dann als Arbeitsministerin. 2013 wurde sie die erste Frau an der Spitze des Verteidigungsressorts. Dort ging die 59-jährige Ärztin das Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr an und strukturierte die zuvor nachlässige Rüstungsprojekt-Planung neu – forsch und gegen einigen Widerstand in Truppe und Industrie.
Ihre Herausforderung: Personalmangel sowie Mängel bei der Ausrüstung – und das bei zunehmenden internationalen Aufgaben für die Bundeswehr wegen des Rückzugs der USA. Auch die Geldfrage bleibt. Die Union will den Etat steigern, die SPD bremst. Von der Leyen galt stets als mögliche Nachfolgerin Merkels, mittlerweile ist sie in der Thronfolge nach hinten gerückt.
Peter Altmaier, Wirtschaft/Energie: Der Saarländer Peter Altmaier (CDU) hat Angela Merkel in verschiedenen Funktionen den Rücken freigehalten, zuletzt als Chef des Kanzleramts und geschäftsführender Finanzminister. Nun übernimmt der 59-Jährige das Ressort für Wirtschaft und Energie – wo er die Energiewende vorantreiben und den Kohle-Ausstieg einleiten muss.
Viele in der CDU hätten gern gesehen, dass die Partei weiter den Finanzminister stellt, was sich nicht durchsetzen ließ. Altmaier wird deshalb versuchen, im neuen Amt auch als Ordnungspolitiker in Erscheinung zu treten. Vor seinem Wechsel in die Politik war der Jurist EU-Beamter. Altmaier fühlt sich auf dem Brüsseler Parkett wohl. Das könnte noch einmal wichtig werden, wenn 2019 ein neuer deutscher EU-Kommissar gebraucht wird.
Helge Braun, Kanzleramtsminister: Ausgerechnet ein Anästhesist ist künftig der oberste Krisenmanager der Kanzlerin. Der Gießener Arzt Helge Braun übernimmt den Posten von Peter Altmaier. Das Kanzleramt kennt der 45-Jährige schon. In der letzten Wahlperiode hat er dort als Staatsminister die Bund-Länder-Beziehungen koordiniert. Brauns erste Aufgabe ist es, ein 100-Tage-Programm für die Regierung schmieden.
Ansonsten: Den Überblick über alle Themen behalten. Ausgleichen zwischen den Ressorts. Das ist nicht einfach in einer Koalition, in der die Partner mehr denn je auf eigene Profilierung achten werden. Einen Schwerpunkt hat er mit der Digitalisierung bereits gesetzt. Er hat dazu einen ganz praktischen Zugang: Braun hat in seinem Hobbykeller mal einen einfachen Computer gebastelt.
Jens Spahn, Gesundheit: Jens Spahn hat schon vor seiner offiziellen Ernennung klar gemacht, dass er nicht daran denkt, sich in den kommenden vier Jahren auf die Rolle des Gesundheitsministers zu beschränken. Er will weiter in allen Politikfragen mitmischen, um seine Karriere konsequent voranzutreiben. Spannend ist daher, welches Führungspersonal er sich ins Ministerium holt: Mitstreiter aus der CDU oder Gesundheitsfachleute?
Die Aufgaben im Ministerium sind jedenfalls nicht zu unterschätzen: In der Alten- und Krankenpflege drohen ernste Probleme, weil Personal fehlt. Teure Reformprojekte zehren die Milliardenüberschüsse der Krankenkassen auf. Noch in dieser Legislaturperiode könnten in der Kranken- und auch in der Pflegeversicherung Beitragserhöhungen notwendig werden.
Julia Klöckner, Agrar/Ernährung: „Struktur und Entwicklung der europäischen Weinmarktpolitik“ war das Thema von Julia Klöckners Politik-Magisterarbeit. Es passte: Sie stammt aus einer Winzerfamilie. Nun wird die 45-Jährige Chefin des Agrarressorts, wo sie schon mal Staatssekretärin war.
Zwischendurch versuchte sie zwei Mal vergeblich, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz zu werden. Nun muss sie die Interessen der Bauern und der Lebensmittelbranche mit denen der Verbraucher vereinbaren – ihr Amtsvorgänger Christian Schmidt (CSU) scheiterte daran. Es geht um die Kennzeichnungspflicht über die Tierhaltungsbedingungen bei Fleisch und Wurst und um den Umgang mit Pestiziden. Setzt sich Deutschland für ein Umsteuern der EU-Agrarpolitik ein oder bleibt es beim „Weiter so“?
Anja Karliczek, Bildung: Auf Merkels Kabinettsliste ist die Bank- und Hotelkauffrau die größte Überraschung. Die Kanzlerin macht die 46-Jährige aus dem Tecklenburger Land in Nordrhein-Westfalen, die erst seit 2013 im Bundestag sitzt, zu ihrer Bildungs- und Forschungsministerin. Anja wer? Auch die Politikerin selbst war überrascht von ihrer Nominierung.
Karliczek hat sich bisher vor allem mit Tourismus und Finanzen beschäftigt, seit gut einem Jahr ist sie auch parlamentarische Geschäftsführerin der Unionsfraktion im Bundestag. Sie gilt als bodenständig und solide, muss sich aber in ein gänzlich neues Gebiet einarbeiten. Ihr Ressort soll künftig mehr Gewicht erhalten, für die Digitalisierung der Schulen und den Ausbau der Ganztagsschulen will die neue Regierung Milliarden ausgeben.
SPD, sechs Posten
Olaf Scholz, Finanzen (Vizekanzler): Den nüchternen Habitus eines Finanzministers muss Olaf Scholz niemand beibringen. Die wilden Locken aus Juso-Tagen hat der Hanseat längst abgelegt. Egal ob als Bundesarbeitsminister, Bürgermeister von Hamburg oder als SPD-Generalsekretär – stets sorgte der 59-jährige Jurist (Spitzname „Scholzomat“) mit seiner betont trockenen Art für Erheiterung. Im neuen Amt wird sich der Fachanwalt für Arbeitsrecht schnell mit dem internationalen Finanzwesen beschäftigen müssen.
Noch im März steht das G- 20-Treffen in Buenos Aires an, im April folgt der IWF-Gipfel in Washington. Europa wartet auf einen handlungsfähigen deutschen Finanzminister. Zu Hause muss er schnell einen Haushalt für 2018 vorlegen, damit der vor der Sommerpause verabschiedet werden kann.
Heiko Maas, Außen: Er ist Ausdauersportler, und Kondition wird er brauchen im neuen Amt. Heiko Maas, bisher Justizminister, wird Außenminister. Das ist ein großer Sprung für den 51 Jahre alten Juristen aus dem Saarland. Er führt mitten hinein in die Fallgrube der Weltpolitik. Außenpolitik ist ein Geschäft, in dem langfristige Planungen nur selten funktionieren. Auf schnelle Reaktionen allerdings ist das Auswärtige Amt besser eingestellt als andere Ministerien.
Das wird dem Neuling helfen. Außerdem war Maas als Mitglied des Bundessicherheitsrates schon mit delikaten Fragen der Außenpolitik befasst. Zwei der größten Herausforderungen: Er muss die in der Türkei inhaftierten deutschen Staatsbürger freibekommen und soll das größte EU-Land von den USA emanzipieren. Für beides ist Ausdauer hilfreich.
Franziska Giffey, Familie/Frauen: Jung, ehrgeizig, weiblich: Die 39-jährige Bezirksbürgermeisterin aus Berlin-Neukölln bringt Verwaltungs- und Problembezirkserfahrung mit – und die noch dringend geforderte ostdeutsche Biografie für die SPD: Franziska Giffey ist im brandenburgischen Frankfurt an der Oder geboren. In Neukölln ist sie beliebt, präsent und sucht den Kontakt mit den Menschen im Kiez.
Als Nachfolgerin von Katarina Barley wird sich Giffey weiter um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kümmern müssen, sowie um den Ausbau von Kita-Plätzen. Auch das Entgeltgleichheitsgesetz wird sie noch mal unter die Lupe nehmen müssen. Spannend wird, ob die Sozialdemokratin so wie ihre Amtsvorgängerin auch die Frauenquote für Aufsichtsräte gegen den Willen der Union durchsetzen will.
Katarina Barley, Justiz: Seit ihrem Einzug in den Bundestag 2013 hat Katarina Barley steile Karriere gemacht. Die gebürtige Kölnerin wurde erst SPD-Generalsekretärin. Mitten im Wahlkampf wechselte die Juristin ins Familienministerium, weil Amtsinhaberin Manuela Schwesig Regierungschefin in Mecklenburg-Vorpommern wurde.
Nun übernimmt die Juristin, die am Bundesverfassungsgericht als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet hat, das Justizministerium – und wird damit eine Art Gegenspielerin von Innenminister Horst Seehofer. Ein Problem erbt sie von ihrem Vorgänger Heiko Maas: Dessen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, mit dem Hetze in sozialen Medien bestraft wird, ist hoch umstritten. Auch für die Mietpreisbrems ist Barley zuständig. Geld gibt es für mehr Justizpersonal.
Hubertus Heil, Arbeit/Soziales:
Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel, Thomas Oppermann – die Niedersachsen-SPD war immer gut vertreten in der Regierung. Für Heil blieb die zweite Reihe und immer mal wieder der Posten des SPD-Generalsekretärs. Nun übernimmt der bedächtige 45-jährige Politologe das Sozialministerium – das mit seiner Partei schon per Namen verbunden ist und zudem den größten Teiletat verantwortet.
CSU-Chef Horst Seehofer hätte es gerne übernommen, die SPD setzte sich durch. Schnelle Verbesserungen etwa bei der Erwerbsminderungsrente sind im Koalitionsvertrag vereinbart, auch ein Ende der Kettenarbeitsverträge und die Einführung einer Grundrente. Wie es langfristig mit der Rente weiter geht, bleibt ein brisantes Thema. Auch die Fachkräfte-Zuwanderung fällt in dieses Ressort. Wenn die SPD das Thema Digitalisierung besetzen will: Hier ist die Gelegenheit. Das Arbeitsrecht ist auf den digitalen Wandel noch mitnichten eingestellt.
Svenja Schulze, Umwelt:
Auf der bundespolitischen Bühne ist Svenja Schulze (49) noch nicht in Erscheinung getreten. In ihrer Heimat NRW allerdings hat die studierte Germanistin und Politologin bereits Regierungserfahrung sammeln können: Sie war von 2010 bis 2017 Landesministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung.
In Berlin wird sie damit umgehen müssen, dass das Umweltressort deutlich an politischem Gewicht verliert – nach der Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien büßt es jetzt auch die für die Baupolitik ein. In einem zentralen Politikfeld wird sich Schulze wie ihre Amtsvorgängerin Barbara Hendricks dennoch in Szene setzen können: Schulze muss dafür sorgen, dass Deutschland so schnell wie möglich seine internationalen Klimaschutz-Zusagen einhält und die Treibhausgas-Emissionen massiv sinken.
CSU, drei Posten
Horst Seehofer, Innen/Bau/Heimat: Nach neuneinhalb Jahren als bayerischer Ministerpräsident kommt auf den 68-Jährigen die vielleicht größte Aufgabe seiner Politikerlaufbahn zu, in der er außerdem schon Gesundheits- und Agrarminister war. Das Innenministerium – schon bisher eines der größten Ressorts überhaupt – wird um die Bereiche Heimat und Bau ergänzt und so zum Superministerium aufgewertet.
Er ist damit zuständig für Flüchtlingspolitik, Terrorbekämpfung, Wohnungsbau – jedes für sich schon eine Heidenarbeit. Kritiker fürchten, dass der Ingolstädter sich mit dem Ministerium plus dem Parteivorsitz zu viel zumutet. Seehofers Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) betont zudem, ein Innenminister müsse eigentlich Jurist sein. Seehofer ist Verwaltungsbeamter mit Mittlerer Reife. (mdc)
Gerd Müller, Entwicklung: Schon bevor die ersten Flüchtlinge Europa erreichten, warnte Gerd Müller vor einer Flüchtlingskatastrophe in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Anders als bei seiner Partei lag sein Fokus nicht auf dem Ruf nach Grenzschließung. Er forderte Hilfe für die Herkunftsländer, einen EU-Flüchtlingskommissar und einen eigenständigen UN-Flüchtlingsfonds.
Dem Bayern gelang es, mehr Geld für den Entwicklungsetat herauszuschlagen. Dort kann der 62-jährige Pädagoge nun weitermachen: Müller hat so viel Geld wie keiner seiner Vorgänger, um Projekte in aller Welt zu unterstützen. Durch seine erneute Berufung gewinnt er auch Zeit, um seinen „Marshall-Plan für Afrika“ und das Bündnis für faire Textilproduktion so fortzuführen, dass es endlich vorzeigbare Ergebnisse gibt.
Andreas Scheuer, Verkehr: Das Verkehrsministerium ist ein Schlüsselressort: Wer hier Minister ist, hat alle Zuständigkeiten, um die Wende hin zu einem ökologisch ausgerichteten Verkehr voranzubringen – vor allem angesichts des Diesel-Skandals. Es muss darum gehen, mehr Transport auf die Schiene zu verlagern, den Ausbau alternativer Antriebstechniken zu fördern oder intelligente Verkehrssysteme zu entwickeln.
Doch die Amtsvorgänger von Andreas Scheuer, die Parteifreunde Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer, haben das Ministerium vor allem dazu benutzt, das CSU-Lieblingsprojekt Autobahnmaut durchzusetzen und die deutsche Autoindustrie vor zu hohen Umweltauflagen zu schützen. Es steht zu befürchten, dass Scheuer diese bayerische Linie fortsetzt.