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Ministerposten vergeben Minister in der großen Koalition: Diese CDU-Politiker holt Merkel ins GroKo-Kabinett

Von Daniela Vates 25.02.2018, 18:57
Ursula von der Leyen und Jens Spahn werden im neuen Kabinett - so es zu einer großen Koalition kommt - vertreten sein.
Ursula von der Leyen und Jens Spahn werden im neuen Kabinett - so es zu einer großen Koalition kommt - vertreten sein. dpa

Berlin - Es ist eine heikle Angelegenheit, dieses Ministerpostenverteilen und das lässt sich ablesen daran, dass Angela Merkel ziemlich fahrig ist. Alphabetisch werde sie die Namen nennen, sagt sie am Sonntagabend. Gerade hat sie ihre Entscheidungen der CDU-Spitze mitgeteilt und nun ist die Presse an der Reihe. Sie sagt das mit dem Alpahabet gleich zwei Mal, so wie sie vorher zwei mal betont hat, dass es „nicht ganz einfach“ gewesen sei, die Entscheidungen zu treffen. Nein wirklich: „Alles andere als einfach.“

Und wenn man da jetzt noch einen Fehler macht, den einen vor dem anderen nennt, ohne erkennbare Ordnung, nach eigener Wichtigkeits- oder Sympahtieeinschätzung vielleicht. Es wäre interessant, wie die Rangordnung dann wäre bei Merkel. Aber wie gesagt: Sie hält sich ans ABC. Also: Altmaier, Braun, Grütters und so weiter bis Widmann-Mauz. Welche Fachkompetenz hat die neue Bildungsministerin Anja Karliczek? „Als ich Umweltministerin wurde, hat man auch gesagt: Oje, oje.“

Eine schwierige Rechnung, die Merkel lösen musste

Zu Jens Spahn, einem ihrer größten Kritiker, der nun Gesundheitsminister wird, bemerkt sie nonchalant, dass Spahn sich schon einfügen werde ins Team: „Ich gehe davon aus, dass wir das gut machen wollen.“ Hendrik Hoppenstedt aus Niedersachsen schiebt sie noch dazwischen und, nein, die Kanzlerin schweift nicht ab zu Loriots Weihnachten, sondern zum neuen Staatsminister im Kanzleramt. Es sei in ihrem Team wichtig, „dass einer eine juristische Ausbildung hat“, sagt sie. Ja, wäre nicht schlecht, vermutlich.

Zwei Wochen hat sich Merkel Zeit genommen für ihre Personalentscheidungen nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Einiges an Ärger und schlechter Laune hat es in dieser Zeit gegeben in der CDU, an Gedränge und Geschiebe auch. Die einen schimpften, dass die CDU das Finanzministerium an die SPD abgeben will. Merkel und ihre Leute entgegneten, man habe dafür viele Infrastrukturministerien und das Wirtschaftsressort von Ludwig Erhard selig.

Es gab die Rufe nach neuen Köpfen, und manche meinten damit vor allem Spahn, bis dato Finanzstaatssekretär. Aus den ostdeutschen Landesverbänden kam die Forderung nach ostdeutschen Ministern. Merkel selber hatte sich festgelegt, die Hälfte ihrer Ministerposten müssten mit Frauen besetzt werden. Zusammengenommen also eine ziemlich schwierige Rechnung.

Kritik von der CSU für frühe Ministerentscheidung

Die Junge Union forderte, Merkel müsse ihre Personalvorschläge vor dem Parteitag an diesem Montag kundgeben. „Ein verständlicher Wunsch, weil Politik von Menschen gemacht wird“, sagt Merkel am Sonntag. Aber die Kritik war auch schon da: „Posten soll man erst verteilen, wenn eine Regierung auch steht“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der Augsburger Allgemeinen gesagt. „Das ist eine Stilfrage.“ Nun kann man darüber streiten, ob Seehofer ein Stilexperte ist.

Und es ist nicht ganz klar, ob der Hinweis von Thomas de Maizière, dass sein bisheriges und Seehofers künftiges Innenministerium mit der Zusatzaufgabe Bauen ziemlich überfrachtet sei, eine Retourkutsche war. Eine Art letzter Dienst des ausscheidenden de Maizières an der Kanzlerin also. Richtig ist aber, dass noch nicht klar ist, ob die große Koalition überhaupt zustande kommt, ob also alle diese Minister je mehr sein werden als Namen auf einem Papier: Das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids über den Eintritt in die nächste große Koalition unter Merkels Führung steht erst am kommenden Sonntag fest.

In der Union sind einige zufrieden, die viel gejammert haben. JU-Chef Paul Ziemiak zum Beispiel findet, seine Truppe habe sich auf voller Linie durchgesetzt. Merkel bemerkt, in der CDU-Kabinettstruppe sei sie die einzige über 60. Und die Ostdeutschen?  Es werde wieder einen Ostbeauftragten geben, trösten sich manche. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagt dieser Zeitung: „Wir werden die sehr guten inhaltlichen Einigungen auch personell gut umsetzen können.“ „Ich bin Ostdeutsche“, sagt Merkel und sie bitte doch darum „das Amt der Bundeskanzlerin als Teil der Regierung“ zu definieren.  Sie wolle jedenfalls „ungern aus der eigenen Heimat vertrieben werden“.

Diese Politiker sollen für die CDU einen Posten im Bundeskabinett bekommen:

Gesundheit: Jens Spahn

Einer der Jüngsten im Kabinett wird der bisherige Finanzstaatssekretär Jens Spahn sein. Der 37-Jährige hatte sich schon nach der Wahl 2013 Hoffnung auf dieses Amt gemacht, weil er sich im Bundestag von Beginn an mit Gesundheitspolitik beschäftigte. Nun forcierte der gelernte Bankkaufmann aus dem Münsterland seinen Aufstieg mit Hilfe des Wirtschaftsflügels und der Jungen Union. Weil Spahn sich als Kritiker Merkels profiliert hat, in dem er rechtskonservative Positionen besetzte, galt seine Berufung als Schlüsselentscheidung der Kanzlerin. Als Minister übernimmt er nun eines der Schwerpunktthemen der Koalitionsverhandlungen: den Kampf gegen die Pflege-Krise. Im Koalitionsvertrag gibt es dazu einige Vorgaben, die aber jetzt schon als nicht ausreichend gelten.

Ernährung/Landwirtschaft: Julia Klöckner

Über Jahre war das Agrarministerium in der Union ein klassisches CSU-Ressort. Nun übernimmt eine CDU-Frau den Job. Die Religionslehrerin Julia Klöckner ist nach der Grünen Renate Künast und Ilse Aigner von der CSU die dritte Frau auf diesem Posten. Die 45-Jährige hat einen Bezug zum Thema: Sie stammt aus einer Winzersfamilie und ist auf jeden Fall medienerfahrener als ihr öffentlich oft etwas tollpatschig agierender Vorgänger Christian Schmidt (CSU). Eines der wichtigsten Agrarthemen: der Umgang mit dem Pflanzengift Glyphosat. Eine Konsequenz hat Klöckners Wechsel wohl für Rheinland-Pfalz, wo Klöckner zwei Mal vergeblich versuchte, Ministerpräsidentin zu werden: Für die nächste Landtagswahl muss man sich dort wohl einen neuen Spitzenkandidaten suchen.

Wirtschaft und Energie: Peter Altmaier

Kaum eine CDU-Rede, in der nicht auf Ludwig Erhard, den ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik verwiesen wird. Nun übernimmt zum ersten Mal seit 1966 wieder ein CDU-Mann den Job: Peter Altmaier tauscht ihn gegen den Posten des Kanzleramtsministers. Der 59-jährige Jurist steht unter besonderer Beobachtung. Die CDU trägt Trauer, weil sie das Finanzministerium an die SPD abgegeben muss. Das bisher als zweitrangig wahrgenommene Wirtschaftsministerium soll den Schmerz lindern. Tatsächlich frohlockt man in der CDU schon, dass nun die Zeit des von den Grünen bestellten Staatssekretärs Rainer Baake beendet sein wird, eine zentrale Figur bei der Energiewende. Denkbar ist, dass der auch auf niederländisch und französisch kommunikationsfreudige Saarländer Altmaier eines Tages als EU-Kommissar entschwindet und eine andere Saarländerin nachrückt: die bisherige Ministerpräsidentin und mögliche Kanzlerinnen-Erbin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Kanzleramt: Helge Braun

Er hat über Herzrasen promoviert. Nun soll der Mediziner Helge Braun aus Gießen in der Regierung für Ruhe sorgen. Der 45-Jährige übernimmt den Posten des Kanzleramtschefs, des engsten Zuarbeiters der Kanzlerin. Er ist für die Koordination und Krisenbewältigung in der Koalition zuständig. Es ist einer der aufreibendsten und der einflussreichsten Jobs in einer Regierung – und gleichzeitig einer mit der geringsten Öffentlichkeitswirkung. Weil sie neutrale Vermittler sein sollen, bleiben Kanzleramtschefs meist eher unsichtbar. Brauns Amtsvorgänger wie Frank-Walter Steinmeier und Thomas de Maizière wurden erst mit der Übernahme anderer Ministerämter richtig bekannt. Braun, bisher Staatsminister im Kanzleramt, muss nur ein paar Büros weiterziehen. Er hat auch noch eine weitere Funktion: Er ist der Hesse im Kabinett.

Verteidigung: Ursula von der Leyen

Eine der wenigen Konstanten im Kabinett ist neben Angela Merkel Ursula von der Leyen. Die 59-jährige Ärztin bleibt Verteidigungsministerin. Bei Amtsantritt 2013 war sie die erste Frau auf diesem Posten. Von der Leyen stellte die Planung von Rüstungsprojekten in Frage und handelte sich Ärger mit der Truppe ein, als sie nach einigen Misshandlungsvorfällen und dem Auffliegen eines rechtsextremen Soldaten mit Attentatsplänen das Traditionsverständnis der Soldaten hinterfragte und Kasernen nach Devotionalien durchkämmen ließ. Der Bundeswehrverband, der von der Leyen massiv kritisierte, hat sich schon auf die neue alte Chefin eingestellt: Verbandschef André Wüstner zollte der Ministerin via Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung ausdrücklich Respekt für ihre Leistung.

Bildung: Anja Karliczek

Die Überraschung im Kabinett ist die Bildungsministerin. Die 46-jährige Betriebswirtin Anja Karliczek hatte niemand auf dem Zettel, ein wirklich neues Gesicht also. Sie ist erst zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt worden, kümmerte sich dort um Finanz- und Tourismuspolitik. Nach der Wahl im letzten Jahr rückte sie etwas nach oben und übernahm einen der Posten der Fraktionsgeschäftsführer. Erstaunlich ist die Personalie aus einem weiteren Grund: Kurz vor der Präsidiumssitzung am Sonntagnachmittag verkündete der neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, dass es künftig eine Bildungsministerin aus Ostdeutschland geben werde. Das ist Karliczek nun sicher nicht. Sie kommt aus dem nordrhein-westfälischen Münsterland, aus dem Nachbarwahlkreis von Jens Spahn. 

Integrationsbeauftragte: Annette Widmann-Mauz (im Kanzleramt)

In der CDU war die Tübingerin als mögliche Gesundheitsministerin gehandelt worden. Immerhin war die 51-Jährige bislang Staatssekretärin in diesem Ressort. Annette Widmann-Mauz allerdings blieb zurückhaltend. Es hieß, sie wolle ihrem Chef Herrmann Gröhe nicht den Job streitig machen. Das hat nun Jens Spahn übernommen. Widmann-Mauz, die auch als Vorsitzende der Frauen-Union eher zurückhaltend als forsch auftrat, bezieht als Integrationsbeauftragte ein Büro im Kanzleramt. Ihre Amtsvorgängerin Aydan Özoguz von der SPD war der CDU stets ein Dorn im Auge. Die Flüchtlingspolitik hat die Union wie kaum ein anderes Thema entzweit. Eine gelingende Integration gilt nun als zentrale Aufgabe – auch im Bemühen der CDU, den Zulauf zur AfD zu verkleinern. Wofür Widmann-Mauz in der Migrationspolitik steht, ist allerdings noch offen.

Kultur: Monika Grütters (im Kanzleramt)

Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers hat folgenden Wunsch fürs Bundeskabinett gehabt: „Ich wünsche mir frische Gesichter.“ Seine Chefin Monika Grütters bleibt nun Kultur-Staatsministerin. Sie gilt als Vertraute Merkels und dürfte bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl versuchen, die CDU in der Hauptstadt mal in eine etwas bessere Position zu bringen als ihre unglücklichen männlichen Vorgänger. Die 56-Jährige ist pragmatisch, weniger Partei- als Fachpolitikerin. In ihrer ersten Amtszeit stritt sie sich um illegalen Antikenhandel, in der Auseinandersetzung um das Einheitsdenkmal in Berlin blieb sie zurückhaltend.