Michel Friedman Michel Friedman: Das Skandälchen um den Krawattenmann
Berlin/MZ. - Ein Fernseh-Moderator hat offenbar gekokst, und die Justiz ist ihm auf die Schliche gekommen. Er hat wohl mit der Mode-Droge Kokain herumgespielt, durchaus nichts Ungewöhnliches in den Jet-Set-Kreisen, in denen der "Krawattenmann" des Jahres 2000 verkehrt. Bereits der bloße Hinweis auf das eingeleitete Ermittlungsverfahren hat dem Vorgang allerhöchste mediale Aufmerksamkeit beschert. Mit der Bestätigung, dass die sicher gestellten Päckchen Drogen enthielten, haben sich die Gerüchte erhärtet. Die Republik hat ein neues Skandälchen: den Fall Friedman.
Die Gesetze der Mediengesellschaft sind hart und unbarmherzig, und das bekommt nun mit voller Wucht der Mann zu spüren, der wie kein anderer sich nicht nur die Rolle des unablässigen Mahners und streitlüsternen Provokateurs zugedacht hat, sondern die eines öffentlichen Großinquisitors. Einer, der wie er pausenlos und schonungslos austeilt, darf kaum auf Milde hoffen, wenn er selbst in Bedrängnis gerät.
Dabei ist der scharfzüngige Polit-Entertainer, der seine Talk-Gäste rüde beschimpft und nach Herzenslust unterbricht, durchaus verletzlich. Zu später Stunde, nach einem Tag prall gefüllt mit Sitzungen, Gesprächen und Diskussionen kann es passieren, dass der private Friedman selbstgrüblerisch bekennt, er finde es manchmal ätzend, wie er Zeitgenossen argumentativ in die Enge treibe.
Wenn mal keine Kameras laufen und kein Mikrofon in Reichweite ist, dann kann es passieren, dass man einen anderen, einen nachdenklichen und dünnhäutigen Michel Friedman erlebt. Dann kann so ein überraschender Satz fallen, der nicht seinem üblichen Repertoire entnommen scheint. Moralist sei er nicht, aber er versuche moralisch zu leben. Und: Er sei sich bewusst darüber, "dass das Menschliche an Menschen ist, dass man dieses Ziel nicht immer erreicht".
Wann und wo immer Friedman, der Akteur in ungezählten Rollen, auch auftritt, ob als Moderator seiner eigenen Sendungen oder ob er in anderen Talk-Runden herumtingelt, ob als ZDF-Fernsehrat oder als streitbares CDU-Mitglied: Fast immer wird sein Tun oder Lassen unter dem Blickwinkel betrachtet, dass Friedman Jude und Vizepräsident des Zentralrats der Juden ist. Der Selbstdarsteller von hohen Gnaden erreicht trotz oder wegen des inquisitorischen Stils seiner Shows gute Zuschauerwerte, andererseits provoziert er durch seine selbst gewählte Rolle als Nervensäge der Nation und eine Portion Eitelkeit mit jedem Auftritt auch neue Ablehnung.
So gern Friedman aneckt: Dass er persönliche Befriedigung daraus schöpfe, ständig von Leibwächtern umgeben und in einer gepanzerten Limousine chauffiert zu werden, wie gelegentlich behauptet wird, wäre zynisch. Solange Normalität im Verhältnis von Juden und Nichtjuden ein Wunschtraum ist, beansprucht Michel Friedman für sich allerdings das Grundrecht, ein wenig anders zu sein und sich diese Freiheit auch zu nehmen.