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Megacity Megacity: Teheran ist teuer, laut und dreckig - und keiner will weg

25.09.2007, 07:26
Das moderne Teheran liegt am Südrand des schneebedeckten Albors-Gebirges. (Foto: dpa)
Das moderne Teheran liegt am Südrand des schneebedeckten Albors-Gebirges. (Foto: dpa) dpa

Teheran/dpa. - Der Ballungsraum der iranischen Hauptstadt Teheran ist mit rund 18 600 Quadratkilometern zwar riesig, für die mehr als13 Millionen Einwohner aber doch zu klein. Vor der IslamischenRevolution von 1979 lebten weniger als vier Millionen Menschen inTeheran, nun sind es mehr als drei Mal so viele. In den vergangenendrei Jahrzehnten wurden viele Straßen aus- und neue Schnellstraßenhinzugebaut, Millionen Autos, Taxen und Busse sorgen aber dennoch fürLärm, Dreck und Dauerstau.

Das rasante Bevölkerungswachstum hat vielfältige Gründe. «Teheranist eine besonders stark wirksame Megacity», erklärt AndreasDittmann, Professor für Humangeographie an der Universität Gießen.Alle Verwaltungsaufgaben seien in der Hauptstadt konzentriert, diewichtigsten Ausbildungsstätten liegen dort, alle großen Verkehrswegezu Lande und in der Luft führen über diese Stadt. In wirtschaftlicherHinsicht sei es kaum anders: «Alles, was sich die Händler im Land imGroßhandel verschaffen wollen, läuft über Teheran.»

Dreck und Lärm scheinen in der Folge kaum mehr auszuhalten. «Manwundert sich immer über die große Leidensfähigkeit der Menschen»,sagt Dittmann. «Das Wachsen und das Bauen geht schneller als dieplanmäßige Erschließung.» Eine schlechte Trinkwasser- undAbwassersituation sei die Folge. «Eins der größten ungelöstenProbleme ist aber der große Anteil an nicht erdbebentauglichenHochhäusern.»

Ein viel greifbareres Problem aber bleibt für die Menschen dastägliche Verkehrschaos. Weil die meisten Teheraner es mit denVerkehrsregeln nicht so ernst nehmen, kommt es ständig zuminutenlangen Hupkonzerten. «Ich weiß nur, wann ich losfahre. Wannich aber ankomme? Nur Allah weiß das», sagt Ali, einer von Millionenfrustrierten Autofahrern in Teheran.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, gibt es seit Jahren eineVerkehrsmaut. Nur Taxis, Busse sowie Ärzte, Funktionäre undJournalisten dürfen in das Teheraner Geschäftsviertel fahren. DieLuftverschmutzung, verursacht von alten Fahrzeugen, erreicht dennochimmer wieder gefährliche Dimensionen. Mehrmals mussten deswegenSchulen geschlossen werden. Um das Dilemma zu beenden, griff deriranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad kürzlich zu einer radikalenMaßnahme: Er rationierte vom 27. Juli an das Benzin. Die öffentlichenVerkehrsmittel reichen nun aber bei weitem nicht aus, um all die neueKundschaft zu transportieren.

Für Querelen sorgt auch der große Anteil sehr junger Menschen inder Stadt. «Teheran ist eine der jüngsten Megacitys», erklärtDittmann. Über 70 Prozent der Iraner sind noch keine 30 Jahre alt.Wegen der herrschenden islamischen Gesetze dürfen Jungen und Mädchennicht zusammen ausgehen, sonst droht ihnen Verhaftungen durch dieSittenpolizei und heftige Geldstrafen. Einzige Alternative sind daherSpritztouren, bei denen die Jungen in einem Auto den Mädchen imanderen Wagen hinterher rasen.

Der hohe Anteil Jugendlicher hat aber auch positive Folgen: «Esgibt ein beeindruckendes, faszinierendes Nebeneinander vontraditionellen Strukturen und modernen.» Obwohl es Supermärkte gebe,gehöre für viele auch der Gang zum Basar zum Alltag. «Was einem immerauffällt, ist, dass es eine ungeheuer offene und für Ausländerfreundliche Stadt ist», sagt Dittmann, der mit Studenten regelmäßigzu Exkursionen nach Teheran fährt.

Das rasche Wachstum der Stadt war und ist ein Garant für schnellesGeld - vor allem bei Bauherren. Viele Villen und Häuser mitGartenanlagen wurden in den vergangenen Jahrzehnten zerstört und,nach amerikanischem Muster, zu riesigen Wohnkomplexen umgebaut. Zudemgreife die Megacity immer weiter aufs Umland über, sagt Dittmann.Spekulanten kauften Land auf, reiche Hauptstädter errichtetenWochenendhäuser und touristische Ausflugsziele. «Bis 40 bis 50Kilometer nördlich von Teheran wird die ländliche Bevölkerung ausihren Lebensverhältnissen gerissen.» Die Ausläufer der Metropolereichten inzwischen bis zum Kaspischen Meer.  

Der Zuneigung ihrer Bewohner kann sich die Stadt trotz allerWidrigkeiten sicher sein. «Wir verbinden mit der "Megacity"Negatives, aus der Perspektive der dort Lebenden stellt Teheran abereine Traumstadt dar», erklärt Dittmann. Dort gebe es Ausbildung undArbeit - und damit Planungssicherheit für das eigene Leben. Weg willaus der chaotischen Hauptstadt deshalb niemand. Auch die in denvergangenen zwei Jahren astronomisch gestiegenen Preise werden inKauf genommen - Außerhalb in den Provinzen in der Landwirtschaft eineExistenz aufzubauen, ist für die meisten keine Alternative.

Teheran - Von der Karawanenstation zur Megacity (Grafik: dpa)
Teheran - Von der Karawanenstation zur Megacity (Grafik: dpa)
dpa