Medikamente Medikamente: Statt Metohexal gibt's Metoprolol
Halle (Saale)/MZ. - Seit Jahresbeginn müssen gesetzlich Krankenversicherte in der Apotheke mit Überraschungen rechnen, wenn sie ein Rezept vorlegen. Es kann sein, dass sie ein anderes Medikament bekommen als der Arzt verschrieben hat und sie gewohnt sind. Um Kosten zu sparen, haben die Kassen Rabattverträge mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen, nach denen sie bestimmte Pillen und Tabletten zu einem günstigen Preis bekommen. Wenn Kasse A beispielsweise mit dem Produzenten des Herzmittels Metoprolol einen Rabattvertrag geschlossen, der Arzt aber Metohexal verordnet hat, muss der Apotheker dem Einlöser des Rezeptes Metoprolol geben. Apotheker rechnen mit einem hohen Erklärungsbedarf. Hintergrund ist das seit 1. Januar geltende Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz.
Nach dem neuen Gesetz verändern sich die zulässigen Austauschkriterien von Medikamenten. Wie bisher muss der Apotheker aus Kostengründen ein verordnetes Medikament gegen ein preisgünstigeres austauschen, wenn Wirkstoff und Wirkstärke identisch sowie die Darreichungsform gleich oder austauschbar sind. Wenn der Patient nur die konkret vom Arzt verordnete Arznei bekommen darf, muss auf dem Rezept das Feld "aut idem" ("oder das Gleiche") durchgestrichen sein. Dann braucht der Apotheker nicht nach einem günstigen Wirkstoff zu suchen, sondern darf das Originalpräparat herausgeben. Der Patient muss aber zuzahlen.
Anwendungsgebiet
Neu ist, dass das Austauschpräparat nur noch für mindestens ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen sein muss. "Im Einzelfall kann das bedeuten, dass nicht die vom Arzt diagnostizierte Erkrankung auch auf dem Beipackzettel zu finden ist", erklärt Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Berlin.
Packungsgrößen
Neues gibt es auch bei den Packungsgrößen. Bislang musste die Packungsgröße identisch sein, um einen Austausch zuzulassen. Künftig reicht es aus, wenn das Packungsgrößenkennzeichen (N1, N2, N3) gleich ist - unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Tabletten. N3-Packungen sind zum Beispiel gegen andere N3-Packungen austauschbar - unabhängig davon, ob in der neuen statt der bislang gewohnten 100 Tabletten nun nur noch 95 drin sind. "Wenn ein Patient ein neues Arzneimittel bekommt, wird er Fragen in der Apotheke stellen", sagt ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. Die Apotheker werden seinen Worten zufolge ihr Bestes tun, um ihre Patienten über die Neuregelungen aufzuklären, auch wenn dies viel Aufwand bedeute.
Aufklärung
Die Kassen haben ihre Mitglieder zumeist in ihren Zeitschriften über die neuen Rabattverträge informiert. Hintergrund für diese Verträge ist das Wettbewerbsstärkungsgesetzes. Danach dürfen die gesetzlichen Krankenkassen mit Pharmafirmen Rabattverträge über Arzneimittelwirkstoffe abschließen, um so Kosten zu sparen.
Rabattverträge
Die IKK gesund plus beispielsweise ist mit 31 neuen Rabattverträgen zu 86 Wirkstoffen in das neue Jahr gestartet. Insgesamt habe die Kasse, so heißt es, nunmehr auf der Grundlage zweier europaweiter Ausschreibungen Rabattverträge über 146 Wirkstoffe. Unter anderem dadurch brauche die Kasse im Jahr 2011 keine Zusatzbeiträge von ihren Versicherten zu kassieren. Die Rabattverträge beziehen sich auf Generika, das heißt auf Medikamente nach Ablauf des Patentschutzes beim Originalpräparat.
Im Sektor Schmerzmittel hat die IKK gesund plus neben anderen zum Beispiel Rabattverträge mit dem Hersteller 1A Pharma GmbH über die Präparate Diclofenac und Paracetamol abgeschlossen, mit der Firma AbZ Pharma GmbH über Fentanyl oder mit der Aliud Pharma GmbH über Ibuprofen und Tilidin.
Die Rabattverträge bedeuten für die Apotheker einen großen Aufwand. Bei jedem Rezept muss in eine Datenbank mit den zulässigen Arzneimitteln der einzelnen Kassen geschaut werden. Die Apotheker sind gesetzlich dazu verpflichtet, ein Präparat eines der Rabattpartner abzugeben. "Der größte Zusatzaufwand entsteht jedoch nicht durch die immer umfangreichere Datenverarbeitung, sondern durch den riesigen Erklärungsbedarf gegenüber den Patienten und die anspruchsvollere Logistik", sagt Landesapotheker-Sprecher Mathias Arnold. Rabattverträge sparten den gesetzlichen Krankenkassen rund eine Milliarde Euro pro Jahr. "Alle Details zu den erzielten Einsparungen geben die Kassen jedoch nicht bekannt", meint Arnold. Die Einsparungen würden in jedem Fall nur durch einen erhöhten Aufwand in den 21 500 Apotheken bundesweit realisiert.
Auf Wunsch können Patienten laut der Techniker Krankenkasse nun aber auch nicht rabattierte Arzneimittel auswählen. "Allerdings müssen sie dafür zunächst in Vorleistung treten und das Medikament selbst bezahlen", sagt Sprecherin Dorothee Meusch in Hamburg. Danach erstatte die Kasse die Kosten des Arzneimittels bis zu der Höhe, die ein Rabattvertragspräparat gekostet hätte.
Ungeachtet der Neuerungen bleibt es bei den Zuzahlungen in der Apotheke: die normale Rezeptgebühr und die Aufzahlung.
Gesetzliche Zuzahlung
Die sogenannte Rezeptgebühr ist eine gesetzliche Zuzahlung auf Medikamente, die von Versicherten der gesetzlichen Kassen entrichtet werden muss. Es handelt sich dabei um den Eigenanteil des Patienten an den verordneten Medikamenten, der zwar von den Apotheken eingezogen, von diesen aber an die jeweilige Krankenkasse weitergeleitet wird. Die Höhe der Zuzahlung beträgt pro Arzneimittel zehn Prozent des Verkaufspreises, mindestens fünf Euro, höchstens zehn Euro.
Aufzahlung
Häufig müssen Kassenpatienten eine sogenannte Aufzahlung leisten. Das ist dann der Fall, wenn ein Präparat verordnet und ausgegeben wird, dessen Preis über dem Festbetrag liegt. Der Festbetrag ist ein Durchschnittspreis für Medikamente einer gleichen Wirkstoffgruppe - liegt ein Preis höher, muss der Versicherte die Differenz zwischen Verkaufspreis und Festbetrag bezahlen. "Aufzahlungen können aber nicht nur auftreten, wenn Ihr Arzneimittel teurer wird", erklärt die Novitas BKK in ihrer Mitgliederzeitschrift. Aufzahlungen seien auch möglich, wenn andere Medikamente derselben Wirkstoffgruppe günstiger werden. Dadurch sinke der Durchschnittspreis in der ganzen Gruppe - und das ursprüngliche Medikament wird vergleichsweise noch teurer.