Medien Medien: Der Journalist Peter Boenisch ist tot
Hamburg/dpa. - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte: «Er galt zu Recht alsVollblutjournalist, der die Zeitungslandschaft in Deutschland 50Jahre lang bereichert, mitunter polarisiert, aber immer wesentlichmitgeprägt hat.» Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der AxelSpringer AG, hob neben den journalistischen Leistungen die Verdienstevon Boenisch als Förderer der deutsch-russischen Annäherung hervor.Mit Bestürzung reagierte auch der frühere sowjetische PräsidentMichail Gorbatschow. Gorbatschow und Boenisch hatten zuletztgemeinsam im «Petersburger Dialog» zur Förderung der Verständigungvon Deutschen und Russen gearbeitet.
Vollkommene Glücksgefühle und abgrundtiefe Trauer - sie lagen beiPeter Boenisch in letzter Zeit eng beieinander. Mit 71 Jahren war derJournalist 1998 erstmals Vater geworden, hatte mit der wesentlichjüngeren Kollegin Julia Schramm in dritter Ehe ein Tochterpaar. Langenach seiner Pensionierung erntete Boenisch immer wieder auch dieFrüchte seiner Arbeit als «Bravo»-Erfinder, «Bild»- Chefredakteur undHelmut Kohls einstiger Regierungssprecher, war gefragterInterviewpartner und Moderator von Politiker-Gesprächen.
Doch alles änderte sich am 7. Mai 2004: Mit 42 Jahren starbEhefrau Julia an den Folgen einer Routineoperation in Berlin. FürBoenisch war es ein schwerer Schlag, von dem er sich nie erholte. Erstarb nur gut ein Jahr später.
Als allein erziehender Vater hatte er dem Berliner Politik- undMedientrubel den Rücken gekehrt und war an den Tegernsee gezogen. Inder Bayern-Idylle wollte er mit den Töchtern Nanja-Maresa und Nika-Luna den Alltag meistern und das späte Familienglück teilen.
Es war eine Mischung aus Gelassenheit und flotten Sprüchen, mitder Boenisch zu einer der schillerndsten Figuren im deutschenJournalismus wurde. Mit seinem Aufstieg vom Lokalreporter zum Chefvon Deutschlands auflagenstärkster Zeitung verkörperte er wie nurwenige die Aufbaujahre der bundesdeutschen Presse nach dem Krieg.
Den am 4. Mai 1927 in Berlin geborenen Ingenieurssohn mit einerMutter aus Odessa hatte es schon früh in die Redaktionen getrieben.Nur kurz studierte er Slawistik und Jura, stieg als Lokal- undSportreporter bei der «Allgemeinen Zeitung» in Berlin ein. 1949 wurdeer Chefredakteur der «Schleswig Holsteinischen Tagespost», 1956gehörte er zu den Mitbegründern des Teenager-Magazins «Bravo», das erzu einem Überraschungserfolg führte.
Nach seinem Wechsel zu «Bild» trieb «Pepe» Boenisch alsChefredakteur von 1961 bis 1971 die Auflage der Zeitung über dieFünf-Millionen-Marke. Für seine Schlagzeilen («Der Mond ist ein Ami»)oder die Attacken gegen die Studentenbewegung Ende der 60er Jahre(«Linksfaschisten») nannte ihn der spätere Literatur-NobelpreisträgerHeinrich Böll einen «Plattitüdenkrieger».
Jahrzehnte später zeigte sich Boenisch versöhnlich mit denpolitischen Gegnern von einst, kommentierte die Veröffentlichung vonBildern aus der damaligen Zeit, die Prügelszenen der Polizei mit demheutigen Außenminister Joschka Fischer wohlwollend. «Ich habe ausÜberzeugung gehandelt, so wie ich annehme, dass Joschka Fischer ausÜberzeugung gehandelt hat. Wir haben eben verschiedene Überzeugungengehabt. Aber wir sind beide zu einem guten Ergebnis gekommen», sagteBoenisch in einem Interview.
Nach einer Station bei der «Welt» wurde Boenisch 1983 für zweiJahre Regierungssprecher unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), wo erseine offiziellen Äußerungen nicht immer auf die Goldwaage legte. AlsPräsident des Berliner Union-Clubs setzte sich der Pferdenarr für dieRettung der Galoppbahn Hoppegarten ein.
Noch vor wenigen Monaten wünschte sich Boenisch, er wolle noch dieEinschulung von Tochter Nanja auf das Gymnasium erleben. Dieses Glückblieb ihm am Ende versagt.
Altkanzler Helmut Kohl hat in der «Bild»-Zeitung (Samstagsausgabe)das Lebenswerk Boenischs gewürdigt. Boenisch habe zur Elite desdeutschen Journalismus gehört. Bayerns Ministerpräsident EdmundStoiber nannte den Gestorbenen einen «Gentleman vom Scheitel bis zurSohle». Regierungssprecher Béla Anda sagte, Boenischs «Leben warvoller Widersprüche, die er in seiner Größe zusammenband».
Boenisch habe Rückgrat gegenüber den Mächtigen besessen und seiein engagierter Streiter für Deutschland gewesen, betonte WDR-Intendant Fritz Pleitgen. Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Krista Sager, würdigtenBoenischs publizistisches und politisches Handeln, das «unsereRepublik jahrzehntelang geprägt hat».