MDR MDR: Beliebter Radio-Moderator war Stasi-Spitzel
Erfurt/dpa. - Weil er von der bevorstehenden Veröffentlichung wusste, war Doberschütz am Mittwochabend seiner Radiosendung «Musikanten- Stammtisch» im MDR 1 Radio Thüringen fern geblieben, die er als freier Mitarbeiter des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) moderierte. Ein Redakteur musste für ihn einspringen. «Ich konnte das nicht», sagte Doberschütz. «Es tut mir alles furchtbar Leid und ich fühle mich auch schuldig.»
Es habe in all den Jahren nicht den Hauch eines Verdachts gegen den Hörer-Liebling gegeben, sagte der Direktor des Erfurter Funkhauses, Kurt Morneweg. «Persönlich ist man erst einmal fassungslos.» Er verwies darauf, dass alle fest angestellten Redakteure des Senders, Ost- wie auch Westdeutsche, von der Gauck- Behörde überprüft worden seien. Doberschütz habe jedoch seit 1992 frei für den MDR gearbeitet. Freie Mitarbeiter könne der MDR aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht auf eine Stasi-Tätigkeit überprüfen, sagte MDR-Sprecherin Susan Knoll in Leipzig.
Er habe 1962 in der DDR rund ein Jahr im Gefängnis gesessen wegen «staatsgefährdender Propaganda und Hetze», sagte Doberschütz. Er habe sich bei der NVA kritisch über den Staat geäußert und das hätten Stasi-Spitzel mitgehört. Danach seien ihm Auftritte als Sänger verboten worden. 1983 seien zwei Stasi-Offiziere aus Gera an ihn herangetreten. Sie hätten ihn an das Urteil erinnert und ihn zur Mitarbeit aufgefordert.
Damals sei es ihm in der DDR gut gegangen, er sei im Kombinat Carl Zeiss für die Kulturarbeit zuständig gewesen. «Ich konnte wieder kreativ tätig sein.» Das habe er nicht aufs Spiel setzen wollen. Also habe er sich etwa drei Mal im Monat unregelmäßig mit Führungsoffizieren getroffen. Zunächst in einem konspirativen Haus in Jena, später in Weimarer Gaststätten mit einem «Georg».
Sowohl mündlich als auch schriftlich habe er über die kulturelle Szene und auch über Künstler berichtet. Die Stasi habe ihm jeweils konkrete Aufgaben gestellt. 1986 habe ihm die Staatssicherheit zu einer Festanstellung als Moderator bei Radio DDR - Sender Weimar - verholfen. Ohne Stasi-Hilfe hätte er diesen Job wegen des alten Urteils nicht bekommen. 1989 habe «Georg» dann angesichts der Wende den Kontakt für beendet erklärt.
Bei der Stasi-Überprüfung der rund 2 000 fest angestellten Mitarbeiter seien bislang 76 Fälle bekannt geworden, erklärte Knoll. Ein spezieller Personalausschuss des Rundfunkrates habe die Akten einzeln geprüft. Je nach Schwere der Schuld seien die Journalisten nicht mehr für den MDR tätig oder weiter beschäftigt worden.