Südasien Marxistischer Kandidat gewinnt Präsidentenwahl auf Sri Lanka
Es war die erste Wahl auf Sri Lanka seit dem Staatsbankrott vor zwei Jahren. Die Wähler entscheiden sich für einen linksgerichteten Kandidaten der Opposition.
Colombo - Zwei Jahre nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch ihres Landes haben sich die Menschen im Inselstaat Sri Lanka für einen Machtwechsel entschieden und den linksgerichteten Politiker Anura Kumara Dissanayake zum neuen Präsidenten gewählt.
Der 55-jährige Abgeordnete, der sich am Marxismus anlehnt, und Anführer der Koalition „Nationale Volksmacht“ (NPP) ist, setzte sich nach einer zweiten Auszählungsrunde deutlich mit einem Vorsprung von 1,2 Millionen Stimmen vor dem Oppositionsführer im Parlament, Sajith Premadasa, durch, wie aus den Zahlen der staatlichen Wahlkommission hervorgeht.
Amtsinhaber Ranil Wickremesinghe folgte abgeschlagen auf Platz drei; er war nach der ersten Runde zusammen mit den anderen Kandidaten ausgeschieden. Keiner der fast 40 Kandidaten hatte mehr als 50 Prozent erreicht, die für den Sieg nötig gewesen wären. Auf Dissanayake entfielen 42,3 Prozent der Stimmen. Der Präsident wird für fünf Jahre gewählt.
Dissanayake bedankte sich euphorisch bei den Wählern auf der Plattform X. Ein Traum, den sie seit Jahrhunderten gehegt hätten, sei wahr geworden. „Dieser Sieg gehört uns allen.“ Der 75-jährige Wickremesinghe gestand die Niederlage ein und äußerte die Hoffnung, dass sein Nachfolger den „richtigen Weg“ gehen werde.
Hoffnung auf Neuanfang
Nach dem Staatsbankrott 2022 verbinden viele der etwa 22 Millionen Bewohner des Landes mit der Wahl die Hoffnung auf einen Neuanfang und wirtschaftliche Stabilität. Dissanayake war zum Wahlkampf unter anderem mit dem Versprechen angetreten, die Korruption zu bekämpfen und die Wirtschaft zu stärken.
Er und seine Koalition aus 21 Organisationen, darunter politische Parteien, Jugend- und Frauengruppen sowie Gewerkschaften, setzen sich nach eigenen Angaben dafür ein, „die wirtschaftliche Demokratie für eine fairere Wohlstandsverteilung“ zu fördern sowie den Schutz für die sozial schwächer Gestellten einzusetzen.
Weit verbreitete Armut
Die dramatische Krise hatte noch mehr Menschen in dem auch als Urlaubsparadies im Indischen Ozean bekannten Land in die Armut gestürzt. „Nach wie vor merkt man die Nachwirkung der Finanzkrise 2022“, sagte die Delegierte der deutschen Wirtschaft in Colombo, Marie Antonia von Schönburg. Ende 2022 habe die Inflation bei 80 Prozent gelegen, der entsprechende Kaufkraftverlust sei nach wie vor spürbar. Zahlreiche Produkte wie etwa auch Lebensmittel seien noch immer teuer. „Da fragt man sich, wie die Menschen mit einem Monatsgehalt, das oft bei 150 Euro anfängt, überhaupt über die Runden kommen.“
In Indien wurde die Wahl wegen der Unsicherheiten im kleinen Nachbarland genau verfolgt. Die Krise hatte dort massive Proteste ausgelöst. Dem hoch verschuldeten Staat fehlte es damals auch an Mitteln, um lebenswichtige Güter wie Lebensmittel, Medikamente sowie Gas zum Kochen zu importieren. Trotz Zeichen einer langsamen Erholung galt die Wahl auch als Abstimmung über das Reformprogramm der Regierung. Wickremesinghe, der bereits mehrfach Premierminister seines Landes gewesen war, hatte nach der Entmachtung und anschließenden Flucht seines Vorgängers Gotabaya Rajapaksas vor zwei Jahren übergangsweise das Präsidentenamt übernommen.
Neuverhandlungen mit dem IWF?
Dissanayake möchte auch über das Abkommen mit dem internationalen Währungsfonds (IWF) neu verhandeln, der dem Land ein Hilfsprogramm in Höhe von rund drei Milliarden US-Dollar (etwa 2,7 Milliarden Euro) gewährte. Die Auszahlung des Kredits in mehreren Tranchen ist an strenge Bedingungen wie die Umsetzung bestimmter Reformen und unpopulärer Sparmaßnahmen geknüpft. Als umstritten gelten etwa die Steuererhöhungen unter Wickremesinghe.
Was die Versorgung mit Treibstoff angehe, habe sich die Lage jedoch entspannt, sagte von Schönburg. Die Regierung habe es auch geschafft, die Währungsreserven wieder aufzubauen. Es könne registriert werden, dass immer mehr Länder in Asien, konkret auch China, Verbindungen etabliert hätten, um von Sri Lanka aus etwa die Märkte in Europa und den USA zu bedienen. „Das wäre auch für deutsche Unternehmen aus denselben Gründen ein interessantes Pflaster.“
Zur Wahl am Samstag waren etwa 17 Millionen Menschen aufgerufen. Die Beteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei 75 Prozent. Der Chef der Wahlkommission sprach laut der Sri Lanker Zeitung „Daily Mirror“ von den friedlichsten Wahlen in der Geschichte des Landes. Trotzdem verhängten die Behörden nur einige Stunden nach der Wahl eine landesweite Ausgangssperre, um die „öffentlichen Sicherheit“ aufrechtzuerhalten. Das Verbot wurde einen Tag später wieder aufgehoben.