Marienstraße 54 Marienstraße 54: Eine Hausnummer als Touristenattraktion

Hamburg/dapd. - Zwei amerikanische Touristen posieren vor derHaustür der Marienstraße 54 in Hamburg-Harburg. Ein Freund derbeiden kniet wenige Meter vor ihnen auf der Straße und schießtFotos. «Die drei standen erst heute Vormittag vor unserem Haus»,sagt Aisham Babbili. Der Student lebt mit seiner Freundin in derWohnung, in der von November 1998 bis Herbst 1999 der spätereTodespilot vom 11. September 2001, Mohammed Atta, zusammen mitseinen mutmaßlichen Komplizen Ramzi Binalshibh und Said Bahajiwohnte. «Wenn ich anderen erzähle, dass hier die Attentäter gelebthaben, schaue ich natürlich in erstaunte Gesichter», sagt der25-Jährige.
Kaum eine Wohnung in Deutschland stand jemals so im Zentrum derWeltöffentlichkeit wie die Dreizimmerwohnung im ersten Stock desvierstöckigen Gebäudes nach den Anschlägen in New York. Bereitseinen Tag nach den Attentaten durchsuchten Ermittler die Zimmer, dieKüche und das Bad. Zahlreiche Polizisten sicherten das Haus. DieStraße war über mehrere Tage abgesperrt. Deutsche Medien schriebenvom «Pearl-Harburg» der Amerikaner.
«Hier stehen immer wieder Touristen vor der Tür»
Babbili öffnet die Tür zu seiner Wohnung. Der junge Mann mit denkurzen schwarzen Haaren geht über den mit Laminat ausgelegtenFußboden durch einen kleinen Flur - vorbei an einer Garderobe undSpiegeln, die an einer violett gestrichenen Wand hängen. «Hintenlinks ist die Küche», sagt der Student und deutet auf den Raum mitgrün gestrichenen Wänden. Auf der gegenüberliegenden Seite befindetsich die Tür zum Wohnzimmer.
Der 25-Jährige nimmt an einem braunen Holztisch Platz und zündetsich eine Zigarette an. Die amerikanischen Besucher vom Vormittagseien kein Einzelfall. «Es stehen immer wieder Touristen vor der Türund wollen wissen, ob hier die Terroristen gewohnt haben», berichtetBabbili.
Vor gut einem Jahr zog der Halbsyrer in die Wohnung zu seinerFreundin, die schon drei Jahre vor ihm eingezogen war. «Ich wusstenatürlich, dass die Attentäter in diesem Haus gelebt hatten», sagtBabbili. Dass es genau seine Wohnung war, erfuhr er erst nach demEinzug. Es sei aber kein Grund gewesen, wieder auszuziehen. «Istdoch ein hübsches und ruhiges Haus», sagt der Student und lacht.
Zehn Jahre nach den Ereignissen macht sich Babbili keine Gedankenmehr darüber, welche Geschichte die Wohnung hat. «Für mich spielt eskeine Rolle mehr, wer hier was vor mehr als zehn Jahren gemachthat.» Es sei «eine Wohnung wie jede andere».
«Als die Anschläge passierten, war ich zehn Jahre alt»
Nina Heitz lehnt im Türrahmen ihrer Wohnung. Die 20-JährigeStudentin lebt in einer Wohngemeinschaft über Babbili. Ihre Stimmehallt durch das geflieste Treppenhaus. «Als die Anschläge in NewYork passierten, war ich zehn Jahre alt», sagt Heitz. Damals habesie das alles noch nicht wirklich begriffen.
Heitz studiert an der Technischen Universität Hamburg-HarburgVerfahrenstechnik. Dass auch Atta dort studierte, sei natürlich einRiesenzufall, sagt Heitz. Mit der Adresse und der Uni habe es sieeben doppelt erwischt. Die Touristen, die immer wieder vor ihrer Türstehen, stören sie hingegen nicht. «Es ist nun mal ein bekanntesHaus», sagt die junge Frau.
Bald werden keine Touristen mehr vor Babbilis Haustür stehen. DerStudent ist auf der Suche nach einer neuen Wohnung. Das habe abernichts mit der Geschichte des Gebäudes zu tun, sagt er. «Ich weißnicht, ob es an meinem Namen und der Adresse liegt, aber gerade beider Suche nach einer neuen Bleibe habe ich es schwer», sagt Babbili.«Da haben wohl doch noch einige Leute Vorurteile im Kopf.»
