"Man wirft eine Torte rein und bekommt Morddrohungen zurück"

Berlin - Am Sonntag machte ein Video im Netz die Runde, das zeigt, wie ein Clown der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch eine Sahnetorte ins Gesicht drückt. In dem Kostüm steckte Jean Peters, Gründer der Berliner Aktivistengruppe Peng Collective.
Anlass für die Aktion „Tortaler Krieg“ gegen die Alternative für Deutschland war die Schießbefehl-Debatte der Partei, bei der diese einen Schusswaffengebrauch an den Außengrenzen gefordert hatte. Wir haben mit Peters darüber gesprochen, wie es ihm seit dem Sahne-Angriff ergangen ist.
Wie sind Sie auf die Idee mit der Torte gekommen?
Wir haben uns gefragt, was man einer so gefährlichen Partei wie der AfD überhaupt entgegensetzen kann, und das ist Humor. Ich sehe die Aktion selbst auch kritisch, das war sicher nicht der ästhetischste Moment meiner künstlerischen Karriere (lacht). Aber der Tortenwurf war auch das einzig probate Mittel, um ein Symbol zu setzen – mit Spaß und einem Lächeln im Gesicht.
In anderen Ländern hat der Tortenwurf eine lange kulturelle Tradition.
Ja, als Mittel des gewaltfreien Protests. Der Belgier Noel Godin hat schon über 150 Leute getortet und wurde noch nie dafür angezeigt. Deutsche reagieren auf das „Torten“ eher humorlos, so auch die AfD. Es hat schon einen sahnig-ranzigen Beigeschmack, dass eine Partei, die öffentlich Gewalt gegen Flüchtlinge verherrlicht, auf eine Torte mit „Gewalt, Gewalt!“-Empörung reagiert.
Wie haben Sie es geschafft, die Parteisitzung in Hessen zu kapern? Getarnt als Geburtstagsüberraschung?
Nur so viel: Ich habe im selben Hotel in Kassel übernachtet, und dann war da die AfD und wir sind einfach reingegangen. Der Song „Happy Birthday“ hatte keine inhaltliche Aussage, er hat mir einfach Zeit verschafft, ans Kopfende des Tisches zu kommen.
Nach dem Tortenwurf bricht das Video ab. Was passierte dann, was der Zuschauer nicht sieht?
Die Männer in dem Konferenzraum haben mich festgehalten, geschlagen und getreten. Das habe ich mit einer zweiten Kamera, die ich am Körper hatte, dokumentiert und dieses Videomaterial auch der Polizei übergeben. Bevor die eintraf, musste ich eine halbe Stunde mit der aufgebrachten Menge in einem Raum überstehen. Ständig haben sie mich gefragt, wer mich bezahlt hat und in wessen Auftrag ich handle. Ich habe mich dann an eine Frau gehalten, die mir friedlich einen Vortrag über Meinungsfreiheit und Demokratie gehalten hat.
Wie ist es Ihnen bei der Polizei ergangen?
Die Beamten waren sehr professionell und freundlich. Sie haben mich zur Vernehmung mit aufs Revier genommen und Bilder gemacht. Es gibt jetzt eine Akte von mir mit Clownsfotos (lacht). Beatrix von Storch hat mich angezeigt, ich selbst habe auch Strafanzeige erstattet, wegen Körperverletzung.
Wie hat Frau von Storch auf Sie reagiert?
Sie hat mich sehr wütend angeschaut. Dann hat sie mit Hundeblick für die Handykamera ihres Kollegen posiert. Außerdem hat sie mich fotografiert und beide Bilder auf ihrer Facebookseite gepostet – unter Nennung meines Namens.
Dort sammeln sich nun Kommentare mit meiner Adresse, meiner Telefonnummer und Aufrufe, mich umzubringen oder zu verprügeln. Das an sich ist ja wenig überraschend – aber es wird dort einfach so stehen gelassen. Gestern hat mich ein Mann mit „Heil Hitler“ angerufen und gedroht, mir seine Kameraden vorbeizuschicken, die mich hinrichten. Ich habe jetzt Anzeige gegen Unbekannt erstattet.
Früher ist Jean Peters als Clown im Kinderzirkus aufgetreten – heute sorgt der 31-jährige Berliner als politischer Aktivist für Aufsehen, erforscht neue Protestformen und gibt Workshops zu Kommunikationsguerilla.
Unter dem Pseudonym „Paul von Ribbeck“ bewarb er als Nachwuchswissenschaftler für einen Science Slam bei Shell und behauptete, er hätte ein Auto erfunden, das die Luft reinigen kann – um dann auf der Bühne einer Ölfontäne explodieren zu lassen. Paul von Ribbeck trat auch als fiktiver Vertreter von Google bei der re:publica auf – und stellte unter anderem eine Drohne vor, die auf die Kinder aufpasst, während die Eltern beschäftigt sind.
2013 gründete der studierte Politikwissenschaftler mit anderen das Aktionsbündnis Peng Collective, ein Künstler-Kollektiv, das immer wieder durch kreative Kampagnen auffällt. Unter anderem schleusten sie einen falschen Clown in eine Livesendung von Astro-TV und stellten eine Anti-Werbung zum Bundeswehr-Aufruf „Mach was wirklich zählt“ online. Der Tortenwurf auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch vor laufender Kamera war die erste gezielte Aktion gegen eine politische Partei.
Damit bestätigt sich aber auch Ihre Kritik, dass es rechte Tendenzen in der AfD gibt?
Eine Torte demaskiert – und die Demaskierung ist gelungen. Es ist schon interessant zu sehen, wie humorlos und strategisch die Partei den Vorfall behandelt. Man wirft eine Torte rein und bekommt - nur wenige Minuten später - Morddrohungen von Nazis zurück. Das habe ich in dieser Qualität noch nie erlebt und auch nicht erwartet.
Es gibt auch viel positives Feedback.
Zum Glück! Viele haben mir auch gratuliert und sich bedankt. Als Held möchte ich aber nicht bezeichnet werden. Auch in den sozialen Medien gab es ein großes Echo, mit vielen lustigen Tweets, die Aktion ist dort zum Selbstläufer geworden. Das hat mich sehr gefreut.