Luft und Verkehr sind Schwachstellen vor Olympia
Peking/dpa. - Den Mundschutz gegen die schlechte Pekinger Luft brauchen Olympiagäste nicht, findet Du Shaozhong. «Es ist nicht nötig, eine Gesichtsmaske mitzubringen», beteuert der Vizedirektor des Umweltamtes der 17-Millionen-Metropole.
«Das ist ein überflüssiges Stück im Reisegepäck und macht den Koffer nur noch schwerer», versucht Du Shaozhong einen Scherz, der im großen Saal des Pekinger Medienzentrums nicht so richtig ankommen mag. Dabei hat der hohe Umweltfunktionär selbst schon wenig zu lachen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem er der chinesischen und internationalen Presse die Erfolge der seit Sonntag geltenden massiven Verkehrsbeschränkungen verkünden will, vernebeln Smog und Dunst die Olympiastadt.
Sein Kollege von der Verkehrskommission, Zhou Zhengyu, der neben ihm sitzt, wirkt fast amüsiert, während sein Umweltkollege mit einer kritischen Frage nach der anderen konfrontiert wird. Endlich ist er nicht mehr der Buhmann. Denn Zhou Zhengyu hatte selbst eine schwere Woche. Er ist für das U-Bahn-Netz verantwortlich, das unter dem Ansturm der zusätzlichen Fahrgäste nach den Fahrverboten nur so ächzte. Eigentlich hätte das Plus an Passagieren problemlos bewältigt werden können, doch seit einer Woche gibt es drei neue Linien, deren Fahrgäste an den Umsteigebahnhöfen auch noch die Züge wechseln. Da ferner die alten Strecken renoviert wurden, war das neue Steuerungssystem einfach überfordert. Züge steckten in Tunneln fest. U-Bahnhöfe mussten ganz gesperrt werden.
Nervös, mit rot umränderten Augen, hatte Zhou Zhengyu kurz zuvor «technische Probleme» eingestanden. «Wir waren nicht in der Lage, den Anforderungen zu entsprechen.» Die U-Bahn war erst mit einigen Wochen Verspätung eröffnet worden. Ohne die nötige Probephase könnten «kleinere Probleme» auch über die Sommerspiele andauern, wenn eine halbe Million ausländische Gäste und mehrere Millionen chinesische Olympiabesucher die U-Bahn nehmen sollen, um zu den Wettkampfstätten zu fahren. Die Sicherheit sei nicht bedroht, beteuert Zhou Zhengyu. Es könnte aber zu Verspätungen und Überfüllung kommen. «Während Olympia werden wir sicherstellen, dass das System in einem guten Zustand ist, und wir werden versuchen, die Zahl der Zwischenfälle zu verringern», sagt der Verkehrsdirektor.
Das klingt für viele wenig vertrauenerweckend. Dabei hatten die Pekinger Olympia-Organisatoren bisher viel Lob dafür geerntet, dass die Sportstätten schon fertig und viele Vorbereitungen früh abgeschlossen waren. Doch zwei Wochen vor den Spielen erscheinen die Luft, der Verkehr und das Nahverkehrsnetz als Schwachstellen. Zwar wurde jedes zweite Auto von der Straße verbannt, doch hat sich der Verkehr dadurch nicht halbiert - geschweige denn die Luftschadstoffe. Wang Li von der Verkehrspolizei erläutert, dass viele Autofahrer zwar jetzt nur jeden zweiten Tag fahren dürfen, dafür aber länger auf der Straße sind. «Da sie nur noch alle zwei Tage fahren dürfen, glauben einige Leute, dass sie mehr herumfahren müssten, obwohl es gar nicht sein muss.»
Der Verkehrsfluss gerade auf den Hauptachsen und den wichtigen Ringstraßen ist außerdem noch gebremst, weil eine Fahrbahn allein für Fahrzeuge der Athleten, der Sportfunktionäre, Olympia-Organisatoren und der Journalisten mit Sonderausweis reserviert ist. Während Olympia «freie Fahrt» hat, staut sich der Verkehr auf den restlichen Fahrbahnen. Im Stop-and-Go steigen noch mehr Abgase in den Pekinger Himmel auf. Dennoch beteuert Umweltvizedirektor Du Shaozhong immer wieder, dass die Luft über Peking bis Olympia schon noch besser werde. Keine Sorge, Peking werde seine Versprechen erfüllen.
Mit seltener Offenheit rückt er aber endlich mit der Wahrheit heraus, dass «ein Tag mit blauem Himmel» in Peking nicht unbedingt ein Tag mit blauem Himmel ist. Die offiziell beschworenen «Blue-Sky-Days» seien eben nur die Tage, an denen die Grenzwerte eingehalten werden - die Bewohner Pekings also nicht vor der Luftverschmutzung gewarnt werden müssen. Wer wissen will, ob die Luft sauber - sprich der Himmel «blau» - ist, sollte nicht hochschauen, «sondern besser den Umweltindex lesen», meint Du Shaozhong. Doch dem Umweltamt und seinen Messungen trauen viele Pekinger ohnehin nicht wirklich. So mancher verlässt sich lieber auf seine Nase - und seinen Mundschutz.