Linkspartei Linkspartei: Sahra Wagenknecht auf Parteitag in Magdeburg mit Torte beworfen

Magdeburg - Nach einer halben Stunde kam Dietmar Bartsch auf die Bühne zurück. Er trug kein Jackett mehr, das hatte offenbar ein Stück Torte abbekommen, sondern kam im offenen Hemd. Der Vorsitzende der Linksfraktion trat ans Mikrofon. Er sagte, hörbar zornig: „Das ist nicht links. Das ist asozial.“ Auch Parteichef Bernd Riexinger zeigte sich empört. Die Linke akzeptiere „keine Gewalt“, erklärte er, „schon gar nicht gegen Frauen“.
Sahra Wagenknecht war zuvor Opfer eines Vorfalls geworden, den manche neutral als Aktion, andere als Angriff oder Anschlag bezeichneten. Fest steht: Die neben Bartsch zweite Vorsitzende der Bundestagsfraktion bekam absichtsvoll eine braune Torte ins Gesicht. Danach war der Linksparteitag zumindest für wenige Stunden ein anderer als vorher.
Der Parteitag hatte mit Verspätung begonnen. Es gab, wie immer, Geschäftsordnungsdebatten. Dann redeten Magdeburgs ehemaliger Oberbürgermeister Willi Polte (SPD). Und Riexinger. Er begann mit dem Satz: „Von diesem Parteitag wird ein kraftvolles Signal des Aufbruchs ausgehen.“ Das war auf den abwesenden ehemaligen Linksfraktionschef Gregor Gysi gemünzt, der beklagt hatte, die Linke sei „saft- und kraftlos“ geworden. Anschließend kam Riexinger auf den Rechtsruck in Europa und den USA zu sprechen, um in der Folge einen höheren Mindestlohn sowie die Rücknahme von Rentenkürzungen zu fordern.
Plötzlich sind Schreie zu hören
Der Stuttgarter hatte sich langsam warm geredet – bis plötzlich Schreie zu hören waren. Junge Aktivisten liefern umher und schmissen dutzendfach Flugblätter in die Gänge. In der ersten Reihe, wo sich immer mehr Menschen sammelten, breitete sich am meisten Unruhe aus. Erst nach Sekunden wurde klar, was geschehen war. Die dort in einem roten Kostüm sitzende Wagenknecht hatte eine braune Torte abbekommen – von einem unbekannten jungen Mann in Jeans und einem hellen Hemd, das er über der Hose trug. Sie war sichtlich geschockt. Bartsch und andere scharten sich um die 46-Jährige. Ziel war unter anderem, sie vor den Objektiven von Fotografen und Kameraleuten zu schützen. Zuletzt führte er Wagenknecht gemeinsam mit Parteifreunden nach links aus dem Saal.
Das Flugblatt war überschrieben mit „Torten für Menschenfeinde!“, darunter stand: „Antifaschismus kennt kein Parteibuch!“ Dazwischen zog die selbst ernannte „antifaschistische Initiative Torten für Menschenfeinde“ eine Parallele zu dem Torten-Attentat auf die AfD-Frau Beatrix von Storch, die zuletzt ebenfalls attackiert worden war. Wagenknecht sei ähnlich flüchtlingsfeindlich wie diese. Aussagen wie die über „Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung und ihre bundesweit bekannt gewordene Rede zum Gastrecht sind nur die Spitze des Eisbergs“, hieß es. Und weiter: „Die Forderung nach einem neuen Schießbefehl bleibt Beatrix von Stroch und der AfD vorbehalten. Die ideologische Munition wird ihnen dabei jedoch nicht zuletzt von Wagenknecht und Co. geliefert. Eine Torte für Wagenknecht ist deshalb mehr als gerechtfertigt.“
Der Täter, der sich als Journalist ausgab und so Zugang zur Halle bekommen hatte, wurde festgesetzt. Gegen ihn wird nun wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung ermittelt.
Riexinger wusste am Rednerpult zunächst nicht, was er tun sollte. Nach kurzer Zeit entschloss er sich, mit seiner Rede fortzufahren. Reinigungskräfte eilten herbei, um den Boden zu wischen. Vereinzelte Linke reinigten ihre Schuhe. Sie waren ebenfalls geschockt. Als der Parteichef fertig war, trat neben Bartsch seine Co-Vorsitzende Katja Kipping hinzu. Sie rief, was auf dem Flugblatt stehe, weise die Linke entschlossen zurück. Überdies sei der Angriff auf Wagenknecht „ein Angriff auf uns alle“.
Ob und wann Sahra Wagenknecht noch einmal wieder kommen würde, dass wusste einstweilen niemand. Sie müsse auf jeden Fall erstmal den Schock verarbeiten, sagte der Parteichef. Doch die Ungewissheit hatte rasch ein Ende. Gegen 15 Uhr zog Wagenknecht – in einem türkisfarbenen Kleid, frisch geschminkt und von drei Sicherheitsbeamten bewacht – von rechts in den Saal ein, frenetisch begrüßt von den Delegierten. So frenetisch wie wohl noch nie. Eine halbe Stunde darauf erschien sie draußen vor der Halle für ein kurzes Statement – ohne dabei allerdings Fragen zuzulassen.
Wagenknecht gab sich ungerührt und will sich von dieser „saudämlichen Aktion“ nicht davon abhalten lassen, weiter linke Politik zu machen. Das Schlimmste an dem Vorfall, sagte sie, sei ohnehin „die Beleidigung, mit Frau von Storch auf eine Stufe gestellt zu werden“.