Lebenslauf Lebenslauf: Vom Stasi-Knast auf die Schildkrötenfarm in Thailand

Pattaya/Potsdam/dpa. - Auch in DDR-Haft träumte Guido Kröhl von fernen Ländern, Kokosnusspalmen und feinsandigen Stränden.«Wirklich, ich habe immer fest daran geglaubt, in den Westen undspäter irgendwann ins warme Südostasien zu kommen. Und ich habe esgeschafft und sogar Schildkröten gezüchtet.» Zur Bestätigung knalltder Mann aus dem Land Brandenburg sein Bier auf den massivenHolztisch seiner Kneipe und Musikbar im thailändischen Pattaya.
Sein Geburtsort Königs Wusterhausen liegt vor den Toren Berlins.Und der Hauptstadt-Slang klingt durch, wenn der 48-Jährige seineStimme erhebt. Die Gäste am Stammtisch nicken zu Guidos Worten überTräume und Freiheit. Hier im «Beercorner» treffen sich Touristen,Aussteiger, Rentner und Geschäftsleute, für die das preiswerteKönigreich die zweite Heimat ist.
Am Stammtisch wird manchmal auch kräftig über deutsche Politikdiskutiert. Der Wirt sagt: «Bei uns gibt es aber keine Ost-West-Vorurteile. Es ist doch völlig wurscht, aus welchem Bundesland dukommst, Hauptsache, dein Herz sitzt am rechten Fleck.» Der 3. Oktobersteht vor der Tür. Was sind die Gedanken des Ostdeutschen? «15 Jahre,das ist eine lange Zeit. Natürlich freue ich mich über dieWiedervereinigung. Aber Deutschland liegt über zehn Flugstundenentfernt. Das ist weit weg», sagt der 48-Jährige.
Fast täglich informiert sich Guido im Internet und in Zeitungenauch über Deutschland. Die hohe Arbeitslosigkeit schmerzt ihn, auchwenn er nicht betroffen ist. Aber er weiß, dass es im Osten vielenMenschen heute wirtschaftlich schlechter geht als früher. Als dannein Gast von Großstadtbahnhöfen im Westen Deutschlands erzählt, andenen immer mehr Menschen die Hand aufhalten, wundert sich GuidosFreundin Jenny. Die Thailänderin sagt: «Ich kenne viele arme Menschenin meinem Land. Und in Deutschland gibt es auch Bettler?»
Guido ärgern «die Mauer in vielen deutschen Köpfen und so mancheVorurteile». Er betont: «Ich mag nicht, wenn jemand wegen seinerHerkunft in eine Schublade gesteckt wird.» Generelle Einschätzungenund Vorwürfe wie "faule Ossis" oder "arrogante Wessis" «sind dummesZeug», erregt sich der Deutsche. «Es gibt doch auch "schlaffe Wessis"und "überhebliche Ossis".»
Manchmal spricht Guido auch über seine DDR-Zeit und die gut zweiJahre Haft in Thüringen. «Ich wollte schon immer in die Ferne. InBulgarien war aber damals für uns die Welt zu Ende.» Angst hatte ernie. Seine Meinung habe er auch deutlich dem Staatssicherheitsdienstbei Verhören gesagt. Zum Beispiel: «Ich habe prinzipiell nichts gegenden Sozialismus. Ihr müsst ihn aber nicht an mir ausprobieren.»
Der Brandenburger lacht: «Ich war nicht mal für die FDJ geeignetund laut Stasi-Deutsch wohl "unumerziehbar".» Das Hafturteil seioffiziell wegen Körperverletzung nach einer Discoschlägerei erfolgt,berichtet Guido. «Das war aber vorgeschoben. Für die war ich ein"Staatsfeind".» Nach der Haft erfolgte rasch die Abschiebung in denWesten. Das war ein paar Jahre vor dem Fall der Mauer.
Der gelernte Heizungsbauer, handwerklich in vielen Bereichenversiert, bekam schnell eine Stelle in Berlin-Wedding alsHausmeister. «Das ging ruck-zuck», erinnert er sich. Seine privatenAsienstudien per Literatur und TV baute er aus. Die erste Reisebegeisterte ihn so, dass er sich dann bald in Thailand niederließ.Seine Kneipe hat er seit gut zehn Jahren.
Der Ostdeutsche arbeitete nebenbei auch schon als Schildköten-,Fisch- und Pilzzüchter. «Aber die Konkurrenz schläft nicht. Diewerfen alles zu Billigstpreisen auf den Markt. Da wurde es für michuninteressant», sagt Guido. Als Hobby und Mini-Job gestaltet derBrandenburger heute informative Webseiten. Er sagt: «Checkt mal aus - www.pattaya-club.com - Da ist alles drin, auch einBranchenverzeichnis vom Arzt bis zur Wäscherei.»
Natürlich hat der Wirt noch Kontakte zur alten Heimat. «EtlicheFreunde kommen mich besuchen. Meine Mutter war auch hier. Die hatThailand noch erlebt und war begeistert. Leider ist sie inzwischengestorben.»