Kriegsende vor 60 Jahren Kriegsende vor 60 Jahren: «Gruppe Ulbricht» legte Grundstein für Stalinismus in DDR

Berlin/dpa. - Zehn Revolutionäre, die auf Geheiß Stalins den Grundsteinfür die Machtübernahme der KPD in der späteren DDR legen sollten.Ulbricht stieg später bis zum SED- und Staatsratsvorsitzenden auf.
Geredet über Art und Dauer des Auftrags wurde weder im Flugzeugnoch auf der späteren Autofahrt Richtung Seelower Höhen, wie sich 60Jahre später Wolfgang Leonhard erinnert. Mit 24 Jahren war er damalsdas jüngste Mitglied der legendären Gruppe, der auch die späterenMinister Karl Maron (Innen) und Otto Winzer (Außen) angehörten.
Am Vorabend des Aufbruchs war Leonhard ins Moskauer «Hotel Lux» zuUlbricht und dem Führer der Exil-KPD, Wilhelm Pieck, einbestelltworden, wo ihm nur knapp mitgeteilt wurde: «Wir brechen nachDeutschland auf, und Du bist dabei.» Wer warum für die «GruppeUlbricht» ausgesucht worden war, sei ihm bis heute schleierhaft, sagtLeonhard. «Unter Stalin stellte man keine Fragen.»
Im engsten Führungszirkel der Exil-KPD waren jedoch längst die«Hauptlinien der Propaganda» für den Einsatz festgelegt. «Legendezerschlagen, dass Rote Armee das deutsche Volk vernichten oderzerschlagen will», schrieb Pieck am 25. April auf. «Hitlerstaatvernichten, aber nicht deutsches Volk». Und: «Praktische Aufgabe, demVolk in seiner Not helfen - Basis für unsere Partei in Zukunft».
Die Gruppe wurde schließlich am Abend des 1. Mai in Bruchmühle beiStrausberg nordöstlich von Berlin einquartiert. «Hier saß diepolitische Hauptverwaltung der 1. Belorussischen Front, die kurzzuvor das Gebiet bis nach Berlin erobert hat», erzählt Leonhard. Nocheinmal folgt der inzwischen 84-Jährige - initiiert von der «Stiftungzur Aufarbeitung der SED-Diktatur» - den ersten Stationen der Gruppe.
Leonhard ist nicht nur der letzte Überlebende der Kadergruppe. Erist auch der Einzige von ihnen, der mit dem Kommunismusstalinistischer Prägung brach und 1949 «unter Lebensgefahr» überJugoslawien in den Westen floh. Seine Abrechnung mit dem System «DieRevolution entlässt ihre Kinder» ist seit 50 Jahren ein Bestseller.Der Publizist und spätere Yale-Professor wurde 1949 wegen«trotzkistischer Tätigkeit» aus der SED ausgeschlossen.
Das gelbverputzte Säulenhaus in der Buchholzer Straße 8 inBruchmühle existiert noch heute. Auch der ovale Holztisch, an demUlbricht abends seine Direktiven an die Gruppe ausgab. Erste Aufgabe:In den zwölf westlichen Stadtbezirken Berlins sollten die Kader einefunktionierende Bezirksverwaltung aufbauen. «Als Bürgermeistersollten wir möglichst einen Bürgerlichen am besten mit Doktortitelsuchen», schildert Leonhard. Dazu viele Sozialdemokraten («Dieverstehen was von Kommunalpolitik.») und Liberale sowie Techniker,Ärzte und auch einen Geistlichen.
Nur die Schlüsselpositionen des stellvertretenden Bürgermeisters(«Der macht die eigentliche Arbeit.») und der Stadträte für Personal(Kaderfragen) und Bildung sollten mit Kommunisten besetzt werden.Dazu fällt Ulbrichts berühmter Satz: «Es muss demokratisch aussehen,aber wir müssen alles in der Hand haben.»
Am 8. Mai zieht die «Gruppe Ulbricht» nach Berlin-Lichtenberg indie Prinzenallee 80 (heute Einbecker Straße 41) um. Jetzt geht es umdie Gründung von Zeitungen, Rundfunksendern, der Einheitsgewerkschaftund der Einheitsfront von SPD und KPD. «Von Sozialismus oderKommunismus war in den Besprechungen nie die Rede. Es ging immer -zur Tarnung gegenüber den West-Alliierten - um die Stärkung derantifaschistischen demokratischen Kräfte», blickt Leonhard zurück.
In der Prinzenstraße erhielt die Kadergruppe Verstärkung vonKommunisten, die aus dem Zuchthaus Brandenburg entlassenen wurden.«Hier tauchte am Abend des 10. Mai auch das erste Mal Erich Honeckerauf.» Während alle anderen Genossen sofort eingesetzt worden seien,habe Ulbricht Honecker wieder weggeschickt. Den Grund weiß Leonhardnicht.
