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Krieg in Bosnien-Herzegowina Krieg in Bosnien-Herzegowina: Jugoslawien hätte Völkermord verhindern müssen

26.02.2007, 07:03

Den Haag/Belgrad/Berlin/dpa. - Das entschied am Montag der Internationale Gerichtshof in Den Haag.Jugoslawien treffe zwar keine unmittelbare Schuld an der Ermordungvon mehr als 7000 bosnischen Muslimen in Srebrenica im Juli 1995, eshätte aber versuchen müssen, dieses Massaker zu verhindern. NachVerkündung der Entscheidung rief das Präsidium von Bosnien-Herzegowina Muslime, Serben und Kroaten auf, Ruhe zu bewahren. DieEU-Ratspräsidentschaft appellierte an Belgrad, das Urteil als eineweitere Gelegenheit zur Distanzierung von den Verbrechen derMilosevic-Herrschaft in den 90er Jahren zu nutzen.

Mit seiner Entscheidung gab das höchste Gericht der VereintenNationen einer schon 1993 eingereichten Klage Bosnien-Herzegowinasteilweise statt. Das damals gerade von Jugoslawien unabhängiggewordene Land wollte Belgrad auch für den Völkermord selbstverantwortlich machen.

Die vom damaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevicgeführte Regierung in Belgrad, die die bosnischen Serben massivunterstützte, hätte das Risiko eines derartigen Massakers erkennenmüssen, urteilte das Gericht. Nach der UN-Konvention gegen denGenozid hätte sie alles tun müssen, um einen Völkermord zuverhindern. Außerdem hätte sie für eine Bestrafung derVerantwortlichen sorgen müssen. Gegen diese Verpflichtung verstoßedas heutige Serbien noch immer, weil es den wegen Völkermordsangeklagten bosnisch-serbischen General Ratko Mladic nicht an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausliefert. Serbien ist derRechtsnachfolger für das auseinander gefallene Jugoslawien.

Allerdings konnte Bosnien-Herzegowina mit seiner bereits 1993eingereichten Klage nicht erreichen, dass Belgrad wegen direkterBeteiligung am Völkermord oder Beihilfe dazu verurteilt wird. DasMassaker von Srebrenica sei nicht auf Anordnung oder unter derKontrolle der jugoslawischen Regierung verübt worden, stellte dasGericht fest. Die Entscheidung dazu habe vielmehr die militärischeFührung der bosnischen Serben getroffen. Jugoslawien habe sich auchnicht der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht. Zwar habe es diebosnischen Serben politisch, finanziell und militärisch massivunterstützt. Doch sei nicht nachgewiesen, dass die Führung in BelgradKenntnis davon gehabt habe, dass ihre Verbündeten mit dieser Hilfeeinen Völkermord begehen wollten.

Der serbische Präsident Boris Tadic kündigte nach demRichterspruch an, er werde das Parlament in Belgrad auffordern, dasVerbrechen von Srebrenica zu verurteilen. Tadic betonte, dass dasRegime von Milosevic die Kriegspolitik der 90er Jahre zu verantwortenhabe.

Das Urteil von Den Haag kann nach Angaben der EU-Ratspräsidentschaft dazu beitragen, ein schmerzliches Kapitel in derGeschichte der Region zu schließen. «Die Präsidentschaft hofft, dassdie demokratischen Kräfte in Serbien, die bei den Parlamentswahleneine beeindruckende Mehrheit gewonnen haben, möglichst bald einereformorientierte Regierung bilden werden, die die Vergangenheitüberwindet.»

Das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof lief unabhängigvon den Prozessen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal, das sich seit1993 ebenfalls in Den Haag mit einzelnen Angeklagten beschäftigt.Unter anderem war dort Milosevic wegen Völkermords angeklagt, dochstarb er im März 2006 vor einem Urteilsspruch. Mladic und dermitangeklagte damalige politische Führer der bosnischen Serben,Radovan Karadzic, sind seit Jahren untergetaucht.

Karte des früheren Landes Jugoslawien einst und jetzt (Grafik: dpa)
Karte des früheren Landes Jugoslawien einst und jetzt (Grafik: dpa)
dpa