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Krieg im Irak Krieg im Irak: Journalisten sterben bei Beschuss eines Hotels

08.04.2003, 10:34
Blut auf dem Boden des Reuters-Büros im 15. Stock des Palestine Hotels (Foto: dpa)
Blut auf dem Boden des Reuters-Büros im 15. Stock des Palestine Hotels (Foto: dpa) AFP

Bagdad/Kairo/dpa. - Beim Beschuss eines Journalisten-Hotels und des arabischen Senders El Dschasira in Bagdad sind am Dienstag drei Medienvertreter getötet und weitere vier verletzt worden. Ein ukrainischer und ein spanischer Kameramann starben, als ein US-Panzer eine Granate auf das Hotel «Palestine» abfeuerte. Wenige Stunden vorher war der Korrespondent des arabischen Fernsehsenders El Dschasira ums Leben gekommen, als bei US-Luftangriffen zwei Raketen in dem Sendegebäude einschlugen. In der arabischen Welt und bei Journalistenverbänden lösten die Vorfälle Sorge und Bestürzung aus. Das US-Verteidigungsministerium bedauerte den Tod der Journalisten.

Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke sagte am Abend in Washington, die US-Soldaten seien von Irakern vom Hotel aus angegriffen worden und hätten reagieren müssen. «Sie haben richtig und verantwortungsvoll gehandelt.» US-Soldaten täten aber alles, um unschuldige Opfer zu vermeiden, versicherte sie. Stanley McChrystal vom US-Generalstab in Washington sagte, die Soldaten hätten nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht zur Selbstverteidigung.

In dem Hotel sind derzeit fast alle noch aus Bagdad berichtenden ausländischen Journalisten einschließlich der Korrespondenten deutscher Fernsehsender und der Deutschen Presse-Agentur untergebracht.

Bundesaußenminister Joschka Fischer forderte die Kriegsparteien auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, damit Journalisten nicht Opfer von Angriffen werden. Die Regierung in Madrid empfahl den Journalisten des Landes, die irakische Hauptstadt zu verlassen.

Bei den Toten handelt es sich um den für die britische Nachrichtenagentur Reuters tätigen ukrainischen Kameramann Taras Protsyuk (35) und seinen spanischen Kollegen José Couso (37), teilten Reuters und der spanische Sender Tele 5 mit. Drei weitere Reuters- Mitarbeiter wurden verletzt, als die Panzergranate im 15. Stockwerk des «Palestine» einschlug. Tele 5 kündigte am Abend den Abzug seines Korrespondenten Jon Sistiaga aus Bagdad an.

Am frühen Dienstagmorgen war der jordanische El-Dschasira- Korrespondent Tarik Ajoub (34) beim Beschuss des Redaktionsgebäudes am Tigris-Ufer getötet worden, ein weiterer Mitarbeiter des Senders wurde verletzt. El-Dschasira-Reporter warfen der US-Armee vor, den Sender wegen seiner unabhängigen Berichterstattung absichtlich beschossen zu haben.

Nach Angaben der Organisation «Reporter ohne Grenzen» stieg die Zahl der im Irak-Krieg getöteten Journalisten bis Dienstag auf zehn. Die Organisation sandte ein Protestschreiben an Pentagon-Chef Donald Rumsfeld. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verwahrte sich in einer Protestnote «schärfstens gegen die militärischen Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika, die gegen internationale Journalisten und Medien im Irak gerichtet sind». Der Verband, mit mehr als 40 000 Mitgliedern die größte Journalisten-Organisation Europas, forderte die USA auf, «sofort alle militärischen Maßnahmen einzustellen, die sich vorsätzlich oder billigend gegen Journalisten und deren Arbeitsräume und Unterkünfte richten».

Der libanesische Informationsminister Ghazi Aridi verurteilte den Beschuss des «Palestine» sowie des El-Dschasira-Büros als «Verbrechen». Die Angriffe zielten darauf ab, «die Medien aus dem Irak zu vertreiben, damit die Amerikaner ihre Massaker verüben können». Das iranische Kultusministerium warf den USA vor, unabhängige Journalisten im Irak absichtlich ins Visier zu nehmen.

Bei den Luftangriffen wurde auch das nahe gelegene Büro von Abu Dhabi TV getroffen. «Unsere Kollegen in Bagdad sind überzeugt, dass es eine absichtliche Attacke war», sagte dessen Chefredakteur Ali Al Nwedschj. In dem Gebäude sind nach Angaben arabischer Medien rund 25 Mitarbeiter beider Sender eingeschlossen. In einem Hilferuf an die Außenwelt und das Rote Kreuz baten die Eingeschlossenen telefonisch um ihre Rettung aus der umkämpften Zone am Tigris.

   Die internationale Journalistenvereinigung IFJ forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Der Weltjournalisten-Verband kritisierte in Brüssel, die alliierten Truppen schützten diejenigen Reporter nur unzureichend, die nicht gemeinsam mit den Soldaten unterwegs seien. Von den nach Angaben des Verbandes 2000 bis 3000 Journalisten im Irak seien 600 in die Truppen «eingebettet».

Am Montag war erstmals ein deutscher Journalist im Irak-Krieg getötet worden. Der 35 Jahre alte «Focus»-Redakteur Christian Liebig und sein spanischer Kollege Julio Anguita Parrado (32) von der Zeitung «El Mundo» starben bei einem irakischen Raketenangriff in der Nähe von Bagdad. Beide hatten die 3. US-Infanteriedivision begleitet und waren im Hauptquartier der Division geblieben, statt wie andere Kollegen ein US-Kommando ins Zentrum Bagdads zu begleiten.