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Kommentar zu Milliardenspende Kommentar zu Milliardenspende: Europa sollte von Zuckerberg lernen

Von Harry Nutt 02.12.2015, 16:30
Mark Zuckerberg will fast sein gesamtes Facebook-Vermögen spenden, schreibt er in einem Brief an seine Tochter Max.
Mark Zuckerberg will fast sein gesamtes Facebook-Vermögen spenden, schreibt er in einem Brief an seine Tochter Max. AFP Lizenz

Die Botschaft kam in einem rührend altmodischen Medium daher. In einem offenen Brief an seine neugeborene Tochter Max hat Mark Zuckerberg, der schwerreiche Gründer des Internet-Netzwerks Facebook, angekündigt, den Gegenwert seiner Firmenanteile beinahe vollständig für wohltätige Zwecke spenden zu wollen.

Mehr Altruismus war nie. Aus der 99-Prozent-Schenkung würden dann nach und nach 45 Milliarden Dollar in Projekte für Bildung und Gesundheit fließen. Die aufwachsende Tochter, so der unausgesprochene Gedanke, soll so der segensreichen Wirkung ihrer Mitgift zusehen können. Die Rettung der Welt aus dem Geist der Familie.

Verhältnis von öffentlichen und privaten Leistungen

Wie zu erwarten, besteht die gesellschaftliche Gegenleistung bei derart unermesslichen Geschenken nicht allein aus Dankbarkeit und Demut. Mark Zuckerberg, gerade einmal 31 Jahre alt, hat es in seinen wenigen Unternehmerjahren lernen müssen, mit Skepsis und Verdacht zu leben. Den erklärten Willen zur Philanthropie und das bloße Versprechen guter Taten nimmt man einem wie ihm nun einmal nicht ab.

Der Gedanke, dass hier einer einen cleveren PR-Coup gelandet hat, war schnell formuliert, und tatsächlich basiert der enorme Erfolg von Facebook ja auf einer radikalen Umcodierung eines unverdächtigen Begriffs wie Freundschaft, in deren Namen die privaten Verhältnisse des Einzelnen in marktfähige Produkte umgewandelt werden.

Facebook hat aus der Entgrenzung des Gemeinsinns eine überwältigende Geschäftsidee gemacht und sich im Universum des globalen Ökonomie nicht gerade als treu Steuer entrichtendes Unternehmen erwiesen.
Aber sieht man einmal von Zuckerberg und seinen offen ausgesprochenen und verborgenen Motiven ab, so stellt sich angesichts dieser spektakulären Ankündigung einmal mehr die Frage nach dem Verhältnis von öffentlichen und privaten Leistungen, die für die epochalen gesellschaftlichen und sozialen Herausforderungen aufgewandt werden müssen.

Stiftungen können zum Mentalitätswandel beitragen

Im Kontext der US-amerikanischen Verhältnisse bringt diese Form von Spendenbereitschaft nicht zuletzt ein Misstrauen gegenüber dem Staat zum Ausdruck, der als kontrollierende und gängelnde Institution wahrgenommen wird, während aus dem Geist der freigiebigen Spende ein Reich der unbegrenzten Möglichkeiten hervorgehen soll. Innerhalb der amerikanischen Gesellschaft ist Stiften im hohen Maße reputationsbewährt, mehr als anderswo ist Anerkennung eben auch eine Ware, die man kaufen kann.

Und doch sollte die überschwängliche Geste des Menschenprofilsammlers Zuckerberg als etwas verstanden werden, aus dem man lernen kann. Es sollte ein lohnendes Projekt sein, Zuckerbergs Gigantismus zu europäisieren. Tatsächlich sind ja beinahe alle europäischen Gesellschaften mit einem Staatswesen konfrontiert, das vor seinen vielfältigen Aufgaben mehr und mehr in die Knie geht.

Wir haben es nicht mehr nur mit Kommunen zu tun, denen zwanghaftes und mitunter auch die Infrastruktur beschädigendes Sparen zu einer Art zweiter Natur geworden ist. Das Hamburger Referendum, mit dem die Bürger überraschend eindeutig zum Ausdruck gebracht haben, dass sie das Wagnis von Olympischen Spielen in ihrer Stadt lieber nicht eingehen wollen, kann so gesehen auch als Indiz für eine allgemeine Mutlosigkeit gedeutet werden.

Was wird aus unserem Gemeinwohl?

Dabei könnten private und öffentliche Stiftungen auch bei uns zu einem wichtigen Mentalitätswechsel beitragen. In Deutschland, so der Ökonom und Philosoph Birger Priddat, herrsche noch immer ein Anspruch auf staatliche Versorgung. Wir konsumieren das Gemeinwohl, statt es zu produzieren. Dabei haben wir verlernt, das Soziale als unsere Angelegenheit zu betrachten und so auch gestalterische Freiheiten aufgegeben. Stattdessen komme es nun aber darauf an, die Konzepte einer private-public-partnership zu tragfähigen Modellen auszubauen, aus denen Investitionen ins Gemeinwohl überhaupt erst hervorgehen können.

Es ist wenig gewonnen, Zuckerberg oder seine Spendenvorgänger Bill Gates und Warren Buffett als Superreiche zu entlarven, denen vor allem daran gelegen ist, ihren eigenen Reichtum zu legitimieren. Statt darüber zu grübeln, wie selbstlos oder eigennützig die anderen sind, sollten die Mega-Spenden vielmehr ein Anlass zu der Frage sein, wie unser Gemeinwohl fit gemacht werden kann für eine Gesellschaft, in der der Staat nicht nur durch äußere Feinde, sondern auch durch innere Absetzbewegungen unter Druck gerät.