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"Kinderwunsch-Tage" "Kinderwunsch-Tage": Berliner Messe wirbt auch für illegale Kinderwunschbehandlungen wie Eizellenspenden und Leihmutterschaft

Von Melanie Reinsch 07.02.2017, 05:45

Berlin - Manchmal ist Katharina Braun ein bisschen schwanger. So jedenfalls fühlt es sich an, wenn sie wieder eine künstliche Befruchtung hinter sich hat. Dann heißt es: nicht schwer heben, keinen Alkohol, keine Zigaretten, viel Obst und Gemüse. Das, was man eben macht, wenn man Mutter eines gesunden Babys werden möchte;  wenn man das Gefühl hat, dort wächst ein Menschenleben in einem heran, für das man jetzt Verantwortung trägt.  Zwei Wochen Hochgefühl. Endorphine. Euphorie. Anspannung.  „So nah bin ich einem Kind ja noch nie gewesen“, sagt die 32-Jährige.

Doch bisher kam nach zwei Wochen stets die Ernüchterung: immer wieder hat es nicht geklappt. „Am Anfang war ich am Boden zerstört“, erzählt sie. Vier Mal hat sie diesen Prozess zwischen Hoffen, Bangen und Warten schon erlebt. Vier Mal ein bisschen schwanger. Doch sie will dieses  Baby. Sie will nicht aufgeben. Nicht jetzt schon. Der Wunsch so groß. Und inzwischen will sie noch mehr: Sie will ihr Wissen, ihre Erfahrungen weitergeben, will andere Frauen mit all den Methoden bekannt machen, die helfen könnten. Will, dass sich all die Frauen, bei denen es nicht recht klappen will mit dem Kinderkriegen, ermutigen, nicht aufgeben.

Der Entschluss

Katharina Braun selbst hat sich schon früh ein Kind gewünscht.  26 war sie, als sie beschloss, dass es Zeit sei.  Aber sie wurde einfach nicht schwanger. Sie beschloss, sich künstlich befruchten zu lassen. Doch ihr damaliger Freund wollte diesen belastenden Weg nicht mit ihr gehen. Die Beziehung zerbrach. „Ich bin in ein Loch gefallen“, erinnert sich die junge Frau. 

In dieser Zeit  wurden ihre Regelschmerzen auch  immer heftiger. „Von Monat zu Monat wurde es schlimmer, und ich habe mich elender gefühlt“, erzählt sie.  Die Frauenärzte sagten, das  sei eben  so.

Katharina Braun recherchierte. Und stellte fest: Ihre krampfartigen Schmerzen waren alles andere als normal. Endometriose – so lautete die Diagnose, eine chronische Gebärmutterschleimhautentzündung. Diese gutartigen Wucherungen des Gewebes der Gebärmutterschleimhaut sind oft die  Ursache für Kinderlosigkeit. Etwa fünf bis zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung sind von dieser Krankheit betroffen, rund die Hälfte lebt allerdings beschwerdefrei. Jede zweite bis dritte Frau mit unerfülltem Kinderwunsch leidet darunter.  Katharina Braun ließ sich mit 28 operieren.

Dann verliebte sie sich wieder. Nachts beim Ausgehen traf sie ihren heutigen Ehemann.  Das war vor vier Jahren. Und dieser Mann wollte den Weg  gemeinsam mit ihr gehen  – mit allem was dazu gehört. Auch wenn dem Kinderwunsch künstlich nachgeholfen werden muss. Und alles ging ganz schnell:  „Zehn Monate später haben wir geheiratet“, erzählt sie.  Aus Liebe, ja. Und auch, weil die gesetzlichen Krankenkassen  bei bis zu drei künstlichen Befruchtungen Zuschüsse  zahlen – allerdings nur, wenn man verheiratet ist und die Frau nicht älter als 40 ist.

Denn so eine Befruchtung ist teuer. Ein Versuch kostet zwischen 2 000 und 3 000 Euro. Die Wahrscheinlichkeit, dass es beim ersten Versuch klappt, liegt nur  bei etwa 19 Prozent.  Und auch nach drei Behandlungen  bleiben bei dieser Erfolgsrate durchschnittlich mehr als die Hälfte aller Paare ohne Kind. 

Auch der körperliche Preis ist hoch

Der Preis für diesen Traum ist hoch, auch körperlich: die Hormone, die Medikamenten-Cocktails, die  Stimmungsschwankungen.  „Ich habe total  zugenommen und bin durch die Medikamente oft fahrig und vergesslich. Zum Glück habe ich verständnisvolle Freunde und  Kollegen“, sagt sie. Und am Karrieremachen war sie nie interessiert.

Mit ihrer Sehnsucht nach einem Kind ist Katharina Braun nicht allein. Kinderkriegen liegt in Deutschland wieder im Trend. Zum vierten Mal in Folge ist 2015 die Geburtenrate gestiegen. Sie liegt bei 1,5 Kindern pro Frau. So hoch war sie das letzte Mal vor 30 Jahren. 85 Prozent aller 20- bis 39-Jährigen finden es wichtig oder sehr wichtig, eigene Kinder zu haben. Klappt das nicht auf natürlichem Wege, gehen immer mehr Paare auch den Umweg über eine künstliche Befruchtung.  Allein 2015 wurden in Deutschland mehr als 96 000 Behandlungszyklen durchgeführt, die entweder durch Eizellenentnahme oder dem Einfrieren von Eizellen zu einer künstlichen Befruchtung führen sollen. Vor zehn Jahren waren es knapp 30 000 weniger.   Gleichzeitig sinkt  die Zahl der Adoptionen: Waren es 1991 noch mehr als 7 000, wurden  2015 rund 3 800 Kinder adoptiert.

Auch Samenspenden sind erlaubt

Der Reproduktionsmedizin sind in Deutschland allerdings rechtlich Grenzen gesetzt. Zulässig sind Verfahren, bei denen  Eizellen außerhalb oder innerhalb des weiblichen Körpers befruchtet werden. Allen Methoden ist  eins gemein: Die Frau, die sich der Operation aussetzt, trägt das Kind aus – und es ist ihre Eizelle, die befruchtet wird. Auch Samenspenden sind erlaubt.

Leihmutterschaft – also das Austragen eines Kindes für ein anderes Paar – und Eizellenspenden sind nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland illegal. Auch die Leihmutterschaftsvermittlung ist nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz unter Strafe gestellt.

Das ist zum Beispiel für homosexuelle Männer mit Kinderwunsch ein Problem, zumindest in Deutschland. Denn in anderen Ländern sind solche Methoden durchaus erlaubt. So ist die Leihmutterschaft unter anderem in Belgien, Griechenland, Großbritannien, der Ukraine, den Niederlanden und in den USA zulässig. Eizellenspenden sind  beispielsweise in Belgien, Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Polen, Tschechien und den USA legal. Manche Betroffene suchen sich deswegen Hilfe im Ausland.

Genau hier setzen auch die Kinderwunsch-Tage in Berlin an; die Messe findet zum ersten Mal überhaupt in Deutschland statt.  Katharina Braun kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit für diese Messe. Dieser  Job ist auch gleichzeitig eine Herzensangelegenheit, weil er so eng mit ihrer persönlichen Geschichte verbunden ist.

Auch Infos zu illegalen Reproduktionsmethoden

Am  18. und 19. Februar  können sich auf dieser Messe Frauen und Männer  mit Kinderwunsch mit Gesundheitsexperten, Therapeuten und Medizinern austauschen. Über 60 Vorträge soll es geben, in denen über Methoden der Kinderwunschbehandlung informiert wird. Die Messe richtet sich auch explizit an homosexuelle Paare und Alleinstehende. Das Heikle: Es wird  durchaus Informationen über Reproduktionsmethoden aus dem Ausland geben, die in Deutschland illegal sind und unter Strafe stehen.

Schon auf der Webseite zu den Kinderwunsch-Tagen  werden zum Beispiel Kliniken in den USA vorgestellt, die sowohl mit Eizellenspenden als auch mit Leihmutterschaft werben. So sind auch Vertreter des Fruchtbarkeitszentrums Oregon Reproductive Medicine (ORM) aus Portland im US-Bundesstaat Oregon vertreten. Sie wollen zeigen, was im Ausland medizinisch alles möglich ist. Und das ist ein lukratives Geschäftsfeld: Laut Schätzungen suchen sich rund 2 000 Paare im Jahr Hilfe im Ausland. 40 000 Euro muss man etwa in den USA für eine Eizellenspende auf den Tisch legen.

Werbung für Leihmutterschaft und Eizellenspende

Verboten ist die Messe nicht. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat 2015 entschieden, dass ausländische Ärzte in Deutschland für die in ihrem Heimatland erlaubte Eizellenspende werben dürfen. Das Verbot der Eizellenspende in Deutschland solle dem Kindeswohl dienen, nicht aber Werbe- und Marktverhaltensregeln aufstellen, erklärte das Gericht. Dasselbe gelte  für Werbung für die hier verbotene Leihmutterschaft, erklärt der  Rechtsanwalt Christian Solmecke. Ärzte machten sich jedoch strafbar, wenn sie sich daran beteiligten. „Es gibt  keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch dagegen, dass ein ausländischer Mediziner zu diesem Thema in Deutschland wirbt“, sagt der Jurist. Nach dem deutschen Adoptionsvermittlungsgesetz ist es jedoch verboten,  eine Leihmutter im Ausland zu vermitteln.

Moral, Gesetz, medizinische Möglichkeiten und persönliches Lebenskonzept –  es sind viele Faktoren, die die Entscheidung für diese zweifelhaften Methoden beeinflussen können. Da zum Beispiel viele Eizellenspenderinnen anonym bleiben wollen, kann ein Kind vielleicht niemals erfahren, wo seine Wurzeln liegen. Diese Bürde der Anonymität sei „höchst problematisch“, erklärt der Deutsche Ethikrat.  

Auch der Berliner Landesverband  der Frauenärzte  sieht die Kinderwunschtage kritisch. Er glaubt nicht, dass die Veranstaltung nur informativen Charakter habe, sondern vermutet, dass die Anbieter  Kunden gewinnen wollten.  Es sei  nicht sichergestellt, dass hier immer   Qualitätsstandards an oberster Stelle stünden, sondern vielmehr das finanzielle Interesse.

Am Ziel per Leihmutterschaft

Besorgniserregend findet das auch der familienpolitische  Sprecher der CDU/CSU, Marcus Weinberg: „Wenn in Deutschland etwas verboten ist, dann kann es nicht sein, dass man dafür Werbung macht“, sagte er deutlich.  „Bei allem Verständnis und aller Unterstützung bei medizinisch begründeter Kinderlosigkeit, es gibt kein Recht auf Elternschaft, bei dem Dritte instrumentalisiert werden.“ 

Craig Reisser kann die Aufregung darüber  nicht verstehen. Der 45-Jährige  ist Sprecher von  Oregon Reproductive Medicine. Er hat sich selbst  vor rund fünf Jahren an die Klinik gewandt, für die er heute tätig ist. Heute ist er Vater eines Sohnes und „überglücklich“.  Genau wie sein Lebensgefährte, der ebenfalls Vater geworden ist.  Auf seinem Handy zeigt Reisser stolz die Fotos der beiden Söhne. Per Leihmutterschaft und gespendeter Eizellenspende konnte sich das Paar seinen Elterntraum erfüllen. 

Beide sind jeweils die biologischen Väter der Jungs und auch rechtlich deren Eltern. „Die Leihmutter und die Spenderin haben keine Rechte an unseren Kindern. Aber wir haben Kontakt, wir schreiben uns, schicken Fotos und sehen uns auch“, erzählt Reisser.  Die Leihmutter sei so etwas wie eine Babysitterin gewesen, erzählt  Reisser. Sie wolle gar nicht die Mutter sein.

Bei Katharina Braun ist das alles weniger kompliziert. Ob sich ihr großer Wunsch noch erfüllen wird,  das weiß sie nicht. Im März wird sie die nächste künstliche Befruchtung vornehmen – und zum fünften Mal zumindest ein bisschen schwanger sein. „Bis ich ein Kind habe, habe ich bestimmt 20 000 Euro bezahlt“, schätzt sie.  „Doch irgendwann kann ich meinem Kind  sagen: Du bist so sehr gewollt.“

Infos zur Messe

Auf der Messe „Kinderwunsch-Tage“  am 18.  und 19. Februar sollen in Berlin ungewollt kinderlose und homosexuelle Paare sich informieren können – auch über Verfahren wie Eizellenspenden und Leihmutterschaft.  Die Messe findet im  Mercure Hotel MOA Berlin in der Stephanstraße statt.