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Kenia Kenia: Oma Obama unterm Wellblechdach

Von Eva Krafczyk 27.02.2008, 10:20
Sarah Hussein Obama (r), die Großmutter von US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama, amüsiert sich während eines Interviews im Garten ihres Hauses in Kogela. (Foto: dpa)
Sarah Hussein Obama (r), die Großmutter von US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama, amüsiert sich während eines Interviews im Garten ihres Hauses in Kogela. (Foto: dpa) EPA

Kogelo/dpa. - Der hochgewachsene, schlanke Said wagtkaum an den Trubel zu denken, der den Verwandten des möglicherweiseersten schwarzen US-Präsidenten am eigentlichen Wahlabend bevorsteht,falls es so weit kommt.

«Mama Sarah muss auch mal zur Ruhe kommen, sie ist schließlicheine alte Frau», sagt er und schaut zu seiner 86 Jahre alten Mutter.Sie aber hat trotz des Wirbels der vergangenen Monate Gelassenheitbewahrt und lächelt liebevoll. In ihren dunkelbraunen Augen blitztStolz auf, als sie auf das Foto eines jungen Mannes blickt, der einenKartoffelsack auf den Schultern trägt. Das Bild hat einen Ehrenplatzvor einer blau gestrichenen Tür. Darauf ein Aufkleber: «Obama 08».

«Ich hätte nie gedacht, dass jemand aus unserer Familie einmal soviel erreichen kann», sagt Sarah Obama und rückt ihren Kanga, dastraditionelle Wickeltuch kenianischer Frauen, über ihrem geblümtenKleid zurecht. «Damals war Barack das erste Mal bei uns.» Sie deutetauf das Bild. Damals, das war vor grob 20 Jahren. Heute ist BarackObama 46. «Es war schön und traurig, denn er kam ja, um das Grabseines Vaters zu sehen.»

«Hier hat Barack bei seinen Besuchen immer geschlafen», sagt SaidObama und öffnet die blaue Tür. Der Blick fällt auf eine kleinehalbdunkle Kammer. Ein schmales Bett mit Moskitonetz, ein Holzhocker- das ist alles. Kärglich, im Vergleich zur Einrichtung eines US-Senators. «Ganz anders, als er es gewohnt ist, aber er macht keineUmstände, er ist ein bescheidener Mann, der auch ohne Luxus lebenkann», beschreibt Said seinen in den USA so erfolgreichen Neffen.

Der Vater des Präsidentschaftskandidaten, Barack Obama Senior, kam1982 bei einem Unfall ums Leben und ist nur wenige Meter von Sarahsbescheidenem Häuschen beerdigt, so wie auch ihr Mann Hussein Obama.«Es ist so Sitte bei uns, auf dem Land der Familie die letzte Ruhe zufinden», erklärt Said. «Die Toten gehören nach Hause.»

Der Lebensweg von Barack Senior war lang, raus aus dem kleinenDorf in der westkenianischen Nyanza-Provinz, aus seiner Heimat, diedamals noch britische Kolonie war, an eine Universität in die USA, woer seine spätere Frau kennenlernte. Doch die Ehe scheiterte früh undder Vater verließ die Familie, als der jetzige Senator von Illinoiszwei Jahre alt war. Senior Obama flog nach Afrika zurück.

Gern erinnert sich Sarah an die Jugendtage von Obama Senior. «Ichhabe ihn aufgezogen, er war für mich immer mein eigenes Kind.» Siebrachte den ihn zu der neun Kilometer entfernten Grundschule - zu Fußnatürlich. Schulbusse fahren in der Gegend nicht. Später kam er inein Internat in der 40 Kilometer entfernten weiterführenden Schule.Das Schulgeld wurde durch den Verkauf von Gemüse, Eiern und Milch aufdem Markt verdient.

Seit zwei Jahren gibt es nun eine höhere Schule, die näher gelegenist. Sie trägt den Namen «Senator Obama». Die Familie ist stolz. Dennfür Sarah Obama ist Bildung der Schlüssel für ein gutes Leben. «MeinMann hat allen seinen neun Kindern eine ordentliche Schulbildungermöglicht», sagt sie.

Said, der Jüngste, ist der einzige, der in der Region gebliebenist, er lebt in der 75 Kilometer entfernten Stadt Kisumu amVictoriasee. Nun, da seine Mutter alt ist, kommt er wieder regelmäßignach Kogelo, wo Sarah Obama noch immer selbst ihren Mais und ihrGemüse anpflanzt, Kühe melkt und die Hühner füttert. Ein Junge ausdem Dorf hilft ihr inzwischen bei den körperlich schweren Arbeiten.Er holt zum Beispiel Wasser vom Brunnen auf ihrem Grundstück.

In den vergangenen Wochen und Monaten musste Said Obama öfter alssonst nach Kogelo fahren - wegen der Journalisten. Denn das Interessean der Familie ist mit den Erfolgen Barack Obamas im fernen Amerikaimmens gestiegen. Doch Sarah Obama spricht nur ein bisschen Suaheliund Luo, ihre Stammessprache. Das reicht nicht, um dasMedieninteresse aus aller Welt an der afrikanischen Familie desschwarzen amerikanischen Präsidentschaftsbewerbers zu bedienen.

«Wir freuen uns natürlich über das Interesse und wollen alles tun,um Barack von hier aus zu unterstützen», betont Said Obama. «Abermanchmal wird es eben doch ein bisschen viel.» Zum «Super-Dienstag»vor ein paar Wochen gab es eine regelrechte Invasion vonFernsehteams, die das Gras vor Oma Obamas Haus niedertrampelten unddie Kühe aufschreckten. «Ich glaube, vor den Präsidentschaftswahlenmuss ich einen Zaun um das Grundstück ziehen», sinniert Said.

Er ist auch nicht sonderlich angetan von der plötzlichen Obama-Inflation in Kogelo und der Umgebung. «Viele erzählen den fremdenJournalisten, sie seien mit dem Senator verwandt. Aber wir, dieFamilie, wissen ganz genau, dass es nie so viele Obamas in Kogelogegeben hat», sagt Said und runzelt kritisch die Stirn.

Wie friedlich war es noch gewesen, als Obama für den Senatkandidierte. «Dass er gewonnen hat, habe ich am nächsten Tag im Radiogehört», berichtet Sarah Obama und nickt bedächtig.

Said denkt stattdessen voraus und plant schon für das Finale derUS-Präsidentenwahlen. «Wenn Barack tatsächlich die Vorwahlen gewinnt,will ich einen Fernseher kaufen», versichert er. «Wir können hier inKogelo schließlich CNN empfangen.» Ob die frühere First Lady HillaryClinton oder Obama das Rennen macht, wird der Nominierungsparteitagder Demokraten Ende August entscheiden. «Und wenn ein Obama Präsidentder USA werden könnte, wird das ganze Dorf hier versammelt sein.»

Technisch wäre der Einzug des Fernsehzeitalters in Kogelo keinProblem. Mama Sarah hat - eine Ausnahme in dem bescheidenen Dorf -Solar-Zellen auf dem Wellblechdach ihres Hauses. Als einer derwenigen Haushalte verfügt sie damit über Strom. Ihre Kinder undEnkel, unter ihnen auch Barack Obama, haben sie gedrängt, sie sollesich mit deren Unterstützung ein besseres Haus bauen lassen. Dochdavon will die 86-Jährige nichts wissen. «Ich bin an dieses Lebengewöhnt», sagt sie. «Ich will gar kein größeres Haus.»

Dabei hat sie die Welt fern von Kogelo auch kennengelernt. Zweimalwar sie in den USA, unter anderem bei der Vereidigung ihres Enkelsals US-Senator. «In Amerika möchte ich auf gar keinen Fall leben»,sagt sie bestimmt. «Da ist es viel zu kalt.» Missbilligend schnalztsie mit der Zunge und schüttelt den Kopf.

In Deutschland, wo Barack Obamas Halbschwester in HeidelbergGermanistik studiert hat, gefiel es Sarah dagegen trotz des gar nichttropischen Klimas gut. «So sauber und ordentlich ist es bei Euch inDeutschland.» Sie schwärmt vom Kölner Dom, den Burgen im Rheinlandund dem Blick auf das Brandenburger Tor, das sie 1989 noch mit derBerliner Mauer davor gesehen hat.

Doch zu Hause ist es am schönsten, findet Oma Obama, wenn sie sichfür ihren berühmten Enkel auch kein alternatives Leben in derafrikanischen Heimat seines Vaters vorstellen kann. «Natürlich könnteein Mann wie er in Kenia viel Gutes erreichen, aber Barack istAmerikaner. Sein Platz ist dort.»

«Barack hat einen ganz anderen Hintergrund als die anderenBewerber um das Präsidentenamt», meint seine afrikanische Großmutternachdenklich. «Ich glaube, für die Dritte Welt wäre es gut, wennjemand wie er US-Präsident wird.» Über George W. Bush, dem sie inWashington einmal vorgestellt wurde, verliert sie aber kein BösesWort.

«Die anderen Kandidaten kommen aus einem reichen Elternhaus, siehaben nie gesehen, wie die Menschen zum Beispiel hier in Kogeloleben», sagt Said Obama. «Es ist besser, für die USA und die ganzeWelt, wenn im Weißen Haus jemand sitzt, der aus bescheidenenVerhältnissen stammt und sich hochgearbeitet hat.»

Die Obamas in Kenia sind zurückhaltend mit ihren Wünschen undErwartungen, auch wenn die Aussicht auf einen Mann im Weißen Haus mitWurzeln in Kogelo regelrecht märchenhaft klingt. Andere, die mitBarack Senior aufwuchsen, mit ihm herumtobten, spielten und Ziegenhüteten, leben immer noch in dem entlegenen Dorf. Nicht jeder hatteEltern, die auf Bildung und Schulbesuch drängten.

Gerade deshalb glaubt Sarah, dass Barack junge Menschen in Keniaund ganz Afrika inspirieren kann. «Sein Beispiel zeigt, dass es sichlohnt, zu lernen und seinen Träumen zu folgen.» Wieder lächelt siestolz. «Er ist ein gutes Beispiel für unsere Jugend», stimmt Saidnickend zu.

Die Erfolgswelle ihres Enkels bei den Vorwahlen sieht Sarah Obamamit gemischten Gefühlen. «Wenn er tatsächlich Präsident wird, kann ernatürlich nicht mehr so ohne weiteres zu uns nach Kogelo kommen»,bedauert sie. «Ein Präsident hat schließlich seine Pflichten und vielzu tun.»

Dann bilden sich plötzlich tiefe Falten auf ihrer Stirn. «Es gibtja auch viele schlechte und gefährliche Dinge in so einer Position»,sagt sie, und klingt auf einmal nur noch wie eine besorgte, liebendeGroßmutter.