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Julian Assange Julian Assange: Kein Ende des Exils in Sicht

Von Barbara Klimke 19.06.2014, 10:39

London - Vor dem Botschaftseingang in Knightsbridge steht weiterhin ein Polizeiwagen. Drinnen arbeitet Julian Assange am Computer, noch immer bis zu 17 Stunden täglich, wie zu hören ist. Vergangene Woche hat er in Berlin gesprochen beim Gründungstag des Unterstützungsnetzwerks „Courage" für juristisch verfolgte Whistleblower – allerdings nur virtuell: Er war per Videoleitung zugeschaltet. Verglichen mit dem früheren Medientumult ist es still um Julian Assange geworden.

Zwei Jahre ist es her, dass der platinblonde Wikileaks-Gründer den Fuß über die Schwelle der Ecuadorianischen Botschaft in London setzte. Damit trat er am 19. Juni 2012 unwiderruflich hinaus aus seinem Leben und hinein in ein selbstgewähltes Asyl: ohne Auslauf, ohne Sonnenlicht, ohne die Möglichkeit, schnell mal über die Straße ins Luxuskaufhaus Harrod's zu springen. Mittlerweile sind die Sympathisanten des Internet-Enthüllers längst verschwunden, die ihm vor der winzigen Erdgeschosswohnung des roten Ziegelbaus einst ihre Solidarität bekundeten. Die Weltöffentlichkeit mit ihrer kurzen Aufmerksamkeitsspanne hat sich neuen, aufregenden Internetspionage-Aufklärern zugewandt: dem Publizisten Glen Greenwald und dem Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden.

Ein Komplott?

Assange flüchtete 2012 in die Vertretung Ecuadors, um seiner Ausweisung nach Schweden zu entgehen, wo er sich wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung verantworten soll. Seinen juristischen Einspruch gegen die Abschiebung hatte er vor britischen Gerichten in letzter Instanz verloren. Angeklagt ist er in Stockholm bis heute nicht, und ob es in Skandinavien überhaupt zum Prozess kommt, ist ungewiss. Der 42-jährige Assange freilich wittert ein Komplott: Er glaubt, dass ihn Schweden in ein Flugzeug setzt und an die USA überstellt, wo ihm wegen Spionage der Prozess gemacht wird: Denn Wikileaks hatte mit der Veröffentlichung Zehntausender Geheimdokumente, auch zu so genannten Kollateralschäden im Irak-Krieg, die Vereinigten Staaten bloßgestellt.

Auf der nächsten Seite: Was hat Wikileaks mit Snowden zu tun? Und wie geht es weiter mit der Anklage gegen Assange?

Die Regierung Ecuadors teilt diese Ansicht, hat der neue Botschafter in London, Juan Falconi Puig, erst vor wenigen Tagen in einem Interview mit der „Times" bestätigt. Deshalb gewährt Staatspräsident Rafael Correa dem früheren Hacker und heutigen Aufklärungsaktivisten aus humanitären Gründen Unterschlupf. Assange „leidet" unter der Situation, sagt Falconi, aber es sei nicht auszuschließen, dass er auf unabsehbare Zeit weiter in dem kleinen Hinterzimmer der Botschaft hockt. Dass Assange, einst als Messias der Internet-Gemeinde verherrlicht, mittlerweile mit vielen ebenso egozentrischen Freunden, Wegbereitern und Journalistenkollegen zerstritten ist, macht seine Situation nicht einfacher.

Antrag, den Fall fallen zu lassen

Kritiker hatten dem Wikileaks-Gründer in der Vergangenheit eine gewisse Paranoia unterstellt. Doch inzwischen scheinen die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, und nicht zuletzt Edward Snowdens Enthüllungen über das Ausmaß der NSA-Spionage, darauf hinzudeuten, dass Assanges Befürchtungen nicht ganz unbegründet sind: Die Wikileaks-Informantin Chelsea (früher Bradley) Manning sitzt eine 35 Jahre währende Haftstrafe in den Staaten ab, weil sie der Internet-Plattform Massen an militärischen und diplomatischen Dateien zuspielte. Und auch zu Snowden hat Assange Verbindungslinien: Auf Wikileaks' Anteil an der logistischen Vorbereitung der Flucht Snowdens aus den USA hat er wiederholt hingewiesen: Die Britin Sarah Harrison, die Snowden anfangs auf seiner Irrfahrt bis Russland begleitete, ist eine enge Mitarbeiterin Julian Assanges und hat ihn als öffentliches Gesicht von Wikileaks abgelöst - zumindest, solange er in London festsitzt.

Für die beteiligten Staaten, Großbritannien, Ecuador und Schweden, ist nach zwei Jahren eine peinliche Pattsituation entstanden. Unverständlich erscheint vielen Kennern der Details, warum die schwedische Staatsanwältin Ny den platinblonden Mann im Londoner Hinterzimmer zu den Vorwürfen der sexuellen Übergriffe nicht schon längst vernommen hat. Das wäre ohne weiteres beispielsweise per Videoschaltung möglich, wofür es bereits Präzedenzfälle gibt. Auf die Frage, warum das Problem Assange nicht gelöst ist, erklärte eine Sprecherin der schwedischen Anklagebehörde am Mittwoch in der BBC: „Keine Ahnung, ehrlich gesagt." Assanges Anwälte kündigten unterdessen an, am 24. Juni in Stockholm zu beantragen, den Fall fallen zu lassen.