Menschenrechtler Günter Burkhardt Interview mit Menschenrechtler Günter Burkhardt zu Libyen

Köln - Herr Burkhardt, warum lehnen Sie den EU-Pakt mit Libyen ab?
Er verletzt Menschenrechte. Die EU will technisches Equipment und Geld zur Abschottung in den Süden Libyens liefern, damit dort die Grenze geschlossen wird. Damit versperrt man den Fluchtweg aus Eritrea und es wird eine Doppelmauer errichtet: Im Süden gibt es eine Grenzabschottung und auf dem Meer, wo man die libysche Küstenwache ausbildet, werden die Menschen zurück nach Libyen verfrachtet. Damit liefert die EU sie in eine Situation aus, die für die Betroffenen chancenlos ist. Dabei haben die Menschen, etwa aus Eritrea, in Deutschland eine enorm hohe Anerkennungsquote. Das Land ist eine brutale Militärdiktatur, und in Somalia fliehen die Menschen vor den Warlords. Es ist wie beim Türkei-Deal: Das ist aus unserer Sicht Fluchtverhinderung.
Günter Burkhardt, Jahrgang 1957, ist Geschäftsführer und einer der Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Anlass für die Gründung 1986 war, der sich damals ausbreitenden rassistischen Hetze gegenüber Asylsuchenden entgegenzutreten. (jwa.)
Merkel fordert aber auch eine politische Lösung für ein stabiles Libyen. Zudem soll Menschenhandel gestoppt und die Situation der Flüchtlinge in Libyen verbessert werden. Organisationen wie UNHCR sind in den Prozess eingebunden. Ist das nicht der richtige Ansatz?
Das sind Ablenkungsmanöver. Die Öffentlichkeit soll damit beruhigt werden. Die Zustände in den Lagern in Libyen wurden vom Auswärtigen Amt in einer selten gekannten diplomatischen Klarheit kritisiert – Menschen werden inhaftiert, erpresst, es soll sogar Erschießungen geben, um Platz zu schaffen. Es ist unfassbar: Die EU muss konsequent sein und die Kooperation mit Libyen einstellen.
Die EU sagt, sie wolle mit dem Libyen-Pakt den Tod von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer verhindern. Wie könnte das sonst gehen?
Man kann die kriminellen und menschenverachtenden Schleppernetzwerke nur so bekämpfen, indem man ihnen die Geschäftsgrundlage entzieht. Das heißt, wir müssen legale Wege schaffen. Die EU hat jedoch zielstrebig ein Visumregime eingeführt, so dass es keine legalen Wege aus Kriegs- und Krisengebieten nach Europa mehr gibt. Und in Bezug auf Eritrea oder Somalia gibt es überhaupt kein Nachdenken, wie Flüchtende auf einem sicheren Weg Europa erreichen können. Nun Leben retten zu wollen ist also nur ein Vorwand. Die Folge des Pakts wird sein, dass Menschen zugrunde gehen und in Kerkern in Eritrea oder Libyen sitzen werden. Und dann kann man bequem die Augen schließen.
Wie muss die EU ihre geplante Kooperation mit Libyen verbessern?
Einen Deal mit Libyen darf man überhaupt nicht schließen. Da gibt es nichts zu verbessern. Dieser Deal ist menschenverachtend. Die Kanzlerin hat den Flüchtlingsschutz gegenüber Donald Trump verteidigt. Nun verrät die Europäische Union selbst die Menschenrechte.