Interview mit Mehmet Ata Interview mit Mehmet Ata: "Viele wurden unter falschen Versprechungen hierhergelockt"
Mehmet Ata ist ein Kenner der türkisch-islamischen Welt und ehemaliger Fachjournalist der „FAS“. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) leitet er die Pressestelle. Die Behörde hat ihren Sitz in Nürnberg.
Herr Ata, warum kommen immer mehr Menschen aus dem Westbalkan, denen ja bekannt sein müsste, dass sie kaum Chancen auf Anerkennung als Asylberechtigte haben?
Mehmet Ata: Das ist nicht immer so klar. Viele werden unter falschen Versprechungen hierhergelockt. Es gibt eine organisierte Szene, die die Menschen hierherbringt. Manche kommen sogar mit Arbeitsverträgen. Den Arbeitgeber aber gibt es dann gar nicht. Die Leute werden regelrecht getäuscht. Andere sagen ganz offen, dass sie auf der Suche nach einem besseren Leben sind, nach besseren Bildungschancen für ihre Kinder und nach besserer Gesundheitsvorsorge.
Und die wissen wirklich nicht, dass das aussichtslos ist?
Ata: Sie wissen das oft nicht. Und wenn sie es wissen, reichen ihnen in vielen Fällen die Transferleistungen (Taschengeld, die Red.), die es für die paar Monate bis zur Entscheidung des Asylverfahrens gibt. Das ist genug Geld, um davon ein Dreivierteljahr im Herkunftsland leben zu können.
Dürfen viele trotzdem bleiben?
Ata: Nein, so gut wie alle Asylanträge werden abgelehnt. Die Schutzquote liegt bei deutlich unter einem Prozent.
Wie viele entziehen sich der Ausreise nach Ablehnung ihres Gesuchs?
Ata: Das ist schwer zu sagen. Es gibt die zwangsweisen Rückführungen – 10 000 Abschiebungen waren es im vergangenen Jahr, davon fast die Hälfte von Menschen aus Westbalkanstaaten. Viele reisen auch freiwillig aus. Das kriegt man im Zweifel nicht mit, wenn sich die Personen nicht abmelden.
Was halten Sie von getrennten Erstaufnahmezentren?
Ata: Wir weisen darauf hin, dass das Vorhaben Bayerns in diesem Fall konformgeht mit den Beschlüssen der Ministerpräsidenten auf dem Flüchtlingsgipfel am 18. Juni, wonach alle Länder vorhaben, Menschen mit schlechter Bleibeperspektive in Erstaufnahmeeinrichtungen zu belassen. Nicht alle Länder beabsichtigen aber, die Flüchtlinge vom Balkan separat unterzubringen und hierzu neue Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen.
Was muss noch geschehen?
Ata: Wir müssen den Menschen klarmachen, dass Asyl der falsche Weg ist, wenn sie hier arbeiten wollen. Wir konzentrieren uns jetzt mit unserer Bearbeitung der Asylanträge auf die Flüchtlinge vom Westbalkan. Es muss schneller entschieden werden. Zudem brauchen wir eine Diskussion über das Taschengeld (143 Euro pro Erwachsener). Wir plädieren dafür, stärker auf Sachleistungen zu setzen, um den Anreiz zu nehmen. Zum anderen sehen wir der Novelle des Bleiberechts entgegen, die unterschriftsreif beim Bundespräsidenten liegt. Danach wird es möglich sein, bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen eine Schengen-weite Wiedereinreisesperre zu verhängen.
Ist das erfolgversprechend, schließlich besteht für fast alle Länder keine Visumpflicht?
Ata: Wer wieder einreist, ist dann aber illegal in Deutschland, und das hat rechtliche Konsequenzen.