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Interview mit Everhard Holtmann Interview mit Everhard Holtmann: «Auch eine Schlappe für Koalition in Berlin»

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 09.05.2010, 19:45

HALLE/MZ. - Das NRW-Wahlergebnis ist nach Meinung des halleschen Politologen Everhard Holtmann (Foto) "auch eine Schlappe für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin". Zwar müsse noch genau analysiert werden, welche Rolle bundespolitische Gründe gespielt hätten, sagte der Wissenschaftler der Uni Halle am Sonntagabend der MZ. Offensichtlich habe die CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers aber einen Denkzettel für die Berliner Regierungspolitik einstecken müssen. Wie auch die FDP, die aus Sicht von Holtmann vor allem mit ihrer Forderung nach Steuersenkung Schiffbruch erlitten habe. Ihr Abschneiden bei der Landtagswahl sei "ein Debakel für die Partei und für den Kurs Westerwelles".

Amtsbonus aufgebraucht

In der Landespolitik ist die bisherige Düsseldorfer Regierung Holtmann zufolge unter anderem am Thema Bildung gescheitert: "Der CDU ist es nicht gelungen, für ihre Schulpolitik entscheidende Mehrheiten zu sichern." Zudem sei der Amtsbonus von Rüttgers als Ministerpräsident schon vor der Wahl aufgebraucht gewesen.

Allerdings hat die SPD nach Einschätzung Holtmanns von der Schwäche des schwarz-gelben Lagers nicht profitieren können: "Die SPD ist noch nicht über den Berg." Zwar hätten die Sozialdemokraten ein signifikant besseres Ergebnis als bei der jüngsten Bundestagswahl erzielt, aber ein noch schlechteres als bei der vorherigen NRW-Wahl im Jahr 2005.

Holtmann sieht dafür zwei Gründe: Zum einen wirke in der Partei der Streit um den richtigen Kurs in Fragen wie Harz IV oder Rente mit 67 nach. Zum anderen verschiebe sich links der Mitte das politische Kräfteverhältnis offenbar auf absehbare Zeit generell zu Lasten der SPD. Das zeigten der wenn auch knappe Einzug der Linken ins Düsseldorfer Landesparlament wie auch das Erstarken der Grünen. "Die SPD ist zunehmend Konkurrenz ausgesetzt in Wählerschichten, die sie bisher mit großer Leichtigkeit für sich vereinnahmen konnte."

Faktor im Parteiensystem

Den Linken attestierte Holtmann "auch vor dem Hintergrund parteiinterner Querelen" ein "bemerkenswertes Ergebnis". Mit dem Einzug in den Landtag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sei die Partei auf absehbare Zeit zu einem Faktor im deutschen Parteiensystem geworden, zumindest auf Länderebene. Aus Sicht des Politologen bedeutet das auch: Man werde eine Partei, die in mehreren Länderparlamenten sitze und auch unter Beweis gestellt habe, dass sie pragmatisch mitregieren könne, "nicht für alle Zeit aus Koalitionsüberlegungen verbannen können". So hält Holtmann auch ein rot-rot-grünes Bündnis in Düsseldorf für eine Option. Andere Konstellationen, etwa Rot-Grün oder eine Große Koalition, versprächen freilich mehr Stabilität. FOTO: ARCHIV