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Hintergrund Hintergrund: Pro und Contra zum EU-Beitritt der Türkei

27.09.2005, 11:16

Hamburg/dpa. - In einem Beitritt der Türkei zur EuropäischenUnion (EU) sehen die Befürworter eine Herausforderung mit vielenVorteilen. Die Gegner fürchten, dass Belastungsgrenzen überschrittenwerden.

ARGUMENTE DER BEFÜRWORTER:

Die Gemeinschaft der EU basiert auf Werten und nicht aufreligiösen Überzeugungen. Als mehrheitlich islamisches Land hat dieTürkei das Prinzip der Trennung von Staat und Religion längstverwirklicht. Ausschlaggegend sind die Kriterien des Kopenhagener EU-Gipfels von 2002.

Die Türkei kann die «wichtigste Brücke» zwischen Kontinentaleuropaund dem östlichen Mittelmeerraum werden. Eine demokratische Türkeihat «Signalwirkung» für die Akzeptanz westlicher Werte in anderenislamischen Ländern.

Die Beitrittsverhandlungen sind nicht nur Mittel zur dauerhaftenDemokratisierung der Türkei, sie bieten auch den entscheidenden Hebelfür eine Lösung des Zypern-Problems.

Geostrategisch ist das an Konfliktgebiete grenzende NATO-Land alsStabilisator wichtig. Mit der Türkei als Mitglied erhält die EUgrößere sicherheitspolitische Bedeutung. Der Schutz vor islamischemTerrorismus wird größer.

ARGUMENTE DER GEGNER:

Die Türkei gehört weder geographisch noch kulturell zu Europa. DieGrenzen werden bis in die Unruhegebiete des Orients überdehnt. Dieeinerseits christlich-abendländisch und andererseits vom Islamgeprägten Identitäten und Lebensformen passen nicht zueinander.

Nach der letzten Erweiterung hat sich die EU noch nichtkonsolidiert, eine EU-Verfassung ist noch nicht in Sicht. Ein sogroßes und einflussreiches Land erschwert Entscheidungen undverschiebt die Balance in den Gremien drastisch.

Trotz Wirtschaftsbooms ist die Türkei rückständiger als alle EU-Länder. Über ein Drittel der Menschen arbeitet in der Landwirtschaft.Die jährlichen Hilfen für die Struktur- und Agrarpolitik gehen in denzweistelligen Milliardenbereich.

Eine Zuwanderungswelle von Arbeitsuchenden wird sich mitÜbergangsfristen verzögern, aber nicht verhindern lassen. Sie führtzu Turbulenzen auf dem Arbeitsmarkt und erschwert die Integration.

Trotz aller Reformen gibt es noch große Defizite bei Justiz undPolizei, den Menschen- und Minderheitenrechten, der Meinungsfreiheit,Gleichstellung der Frau und Religionsausübung.