US-Außenpolitiker Henry Kissinger ist tot - Würdigungen aus aller Welt
Henry Kissinger wurde in Franken geboren und floh als Kind mit seiner Familie vor den Nazis in die USA. Dort legte der Mann aus Fürth einen schillernden Aufstieg hin - und wurde Außenminister.
Washington - Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist tot. Der Deutschamerikaner starb am Mittwoch im Alter von 100 Jahren in seinem Zuhause im Bundesstaat Connecticut, wie eine Sprecherin der Kommunikationsagentur Edelman, die dessen Beratungsfirma Kissinger Associates vertritt, der Deutschen Presse-Agentur am späten Abend (Ortszeit) bestätigte.
Der Friedensnobelpreisträger war eine schillernde Figur der US-Politik, seine Spezialität war die Geheimdiplomatie. Er gilt als einer der größten Diplomaten des 20. Jahrhunderts. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Annäherung der USA an China Anfang der 1970er Jahre. Doch Kissingers Karriere hatte auch Schattenseiten. Kritiker warfen ihm Skrupellosigkeit und Machtbesessenheit vor.
Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, Kissinger habe die amerikanische Außenpolitik „wie nur wenige andere“ geprägt. Er hob auch Kissingers Bedeutung für die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA hervor. US-Außenminister Antony Blinken betonte: „Es gibt nur wenige Menschen, die die Geschichte besser studiert haben - und noch weniger Menschen, die die Geschichte mehr geprägt haben - als Henry Kissinger.“ Der frühere US-Präsident George W. Bush erinnerte an Kissingers „Weisheit, Charme und Humor“. Er teilte mit: „Amerika hat eine der verlässlichsten und profiliertesten Stimmen in der Außenpolitik verloren.“ Würdigungen gab es auch aus Brüssel, Peking oder Moskau.
Enge Bindung an die Heimatstadt
Heinz Alfred Kissinger wurde 1923 in Franken geboren. Er war 15 Jahre alt, als seine jüdischen Eltern mit ihm nach New York flüchteten. Seine deutschen Wurzeln verlor Kissinger niemals aus dem Blick, mehrfach besuchte er seine Heimatstadt Fürth. Sein Aufstieg erinnert an die Idee des amerikanischen Traums: Nach Schule und Militärzeit studierte Kissinger in Harvard; später lehrte er dort. 1969 berief ihn der damalige Präsident Richard Nixon zum Sicherheitsberater, später zum Außenminister. In Sachen Außenpolitik war er der einflussreichste Politiker in Washington.
Ein bedeutender Meilenstein in seiner Karriere war die Vorbereitung der Reise Nixons nach China. In geheimer Mission reiste Kissinger nach Peking, ebnete den Weg für einen Besuch Nixons und die Normalisierung der Beziehung. Kissinger wurde der gefeierte Architekt der amerikanisch-chinesischen Annäherung. Damit endeten seine diplomatischen Erfolge nicht. Kissinger handelte Abrüstungsverträge und Friedensabkommen aus und wurde zum Medienstar.
Kritiker hingegen sehen in dem Außenpolitiker einen reinen Machtpolitiker. Mehr als fragwürdig ist die Rolle, die er bei der geheimen Bombardierung Kambodschas spielte. Schwer wiegen auch die Vorwürfe wegen seiner Rolle beim Militärputsch 1973 in Chile. Kissinger musste sich auch immer wieder die Frage gefallen lassen, ob er wirklich auf die Beendigung des Vietnam-Kriegs gedrungen und ihn nicht eher, um Nixons Wahlchancen zu steigern, unnötig verlängert hat.
„Macht, Ruhm und Reichtum“
Die „Washington Post“ schrieb, Kissinger habe „Macht, Ruhm und Reichtum“ erlangt, von denen die meisten Menschen im öffentlichen Leben nur träumen könnten. „Dennoch verbrachte er seine letzten Jahrzehnte damit, sich selbst und seinen Platz in der Geschichte zu verteidigen und zu erklären, dass er tat, was er tun musste“, hieß es weiter.
Kissinger hat sich auch nach seiner Zeit in Washington weiter in die Weltpolitik eingemischt - beriet etwa den damaligen Präsidenten George W. Bush. Auch im hohen Alter äußerte er sich noch in Interviews und als Redner zu internationalen Themen. Seinen Kritikern kam er dabei keinen Schritt entgegen.