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Helmut Kohl Helmut Kohl: Einheit, Euro und Eigensinn

Von Monika Zimmermann 01.04.2005, 18:45
Helmut Kohl (Foto: dpa)
Helmut Kohl (Foto: dpa) dpa

Berlin/MZ. - Mit wachsendem Abstand steht der Würdigungseiner Leistung nicht mehr jenes Hindernisim Wege, das den Blick am stärksten verstellte:der Koloss Kohl selbst. Helmut Kohl überragtschon körperlich alle, die ihm nahe kommen.Was also bleibt von Helmut Kohl? Vor allemdie berühmten Strickjacke im Geschichtsmuseum.Dieses Kleidungsstück, das der Kanzler imSommer 1990 bei dem Treffen mit Michael Gorbatschowim Kaukasus trug, steht für das, was HelmutKohl immer bleiben wird: der Kanzler der deutschenEinheit.

Es bleibt sein Verdienst, ein schmales Zeitfensterfür die Wiedervereinigung genutzt und diesin Übereinstimmung mit alliierten Siegermächtendes Zweiten Weltkriegs geschafft zu haben.Das ist eine Meisterleistung - allen Fehlern,die bei der Wiedervereinigung gemacht wurden,zum Trotz. Und die gab es reichlich, auchweil Kohl, wie bei der Frage des Umtauschkursesvon Ost- in Westmark, oft beratungsresistentwar. Als Kohl 1982 Kanzler wurde, war derSozialstaat auf den Weg gebracht: das Gesundheits-,das Renten- und das Finanzsystem, all dasgab es bereits. Dass Kohl daran nichts Wesentlichesänderte, sondern mit der umlagefinanziertenPflegeversicherung einen Baustein hinzufügte,geschah weitgehend im Konsens.

Und Helmut Kohl bleibt der Euro. Ohne ihngäbe es diese Einheitswährung wohl nicht unddie EU wäre nicht so, wie sie ist. Das GroßprojektEuro trieb er voran gegen viel Widerstandsowohl in der Bevölkerung als auch in Finanzkreisen.In solchen heiklen Situationen reifte eineQualität, die den pfälzischen Provinzpolitikeraus Oggersheim, zu dem werden ließ, was erwurde: eine staatsmännische Figur, die außenpolitischesimmer darum bemüht war, Europa zu stärkenund Amerika nah zu bleiben. Bill Clinton,François Mitterand, Felipe Gonzales, MichaelGorbatschow, Boris Jelzin - zuletzt schartensich alle um ihn wie um einen Buddha.

Der Machtpolitiker Kohl: Er bewies sich imKampf mit Franz Josef Strauß. Das System Kohl,ein Netzwerk der Abhängigkeiten, war wichtigfür die innerparteiliche Machtsicherung. DieCDU, die er von 1973 bis 1999 führte, alsProgrammpartei modernisiert zu haben, auchdies darf sich Kohl ans Revers heften. Dochdas alles ist nichts gegen Kohls Eigenschaft,Kritik, Spott, Häme zu ertragen und in stoischerSelbstgewissheit darüber hinweg zu gehen.Er habe, so Kohl, eine "unbezwingliche Ochsennatur".Immer wieder gelang es dem, der kein Englischkonnte, der pfälzisch nuschelte, der als "Birne"verspottet wurde, jene Lächerlichkeit, derer preisgegeben war, in Achtung umzumünzen.So hat Kohl mit einem Gesetz des Medienzeitaltersgebrochen, dass sich nur der an der Machtbehaupten könne, der mediengerecht sei. Kohlwar es nie.

Von Helmut Kohl bleiben aber auch schwereFehler: Sein Verhalten in der CDU-Partei-Spendenaffärewar ein solcher Fehler. Und wirtschaftspolitischgesprochen ging dem studierten HistorikerKohl das Sensorium dafür ab, dass der Automatismuseines ständig wachsenden Sozialstaates dessenwirtschaftliche Basis erdrückt. Ein Fehlerwar es auch, den Zeitpunkt des eigenen Rückzugesnicht mitbestimmt zu haben. So war das politischeEnde für ihn bitter. Dies verschafft ihm diezweifelhafte Ehre, der einzige Kanzler derBundesrepublik Deutschland zu sein, der ordnungsgemäßabgewählt wurde.