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Günter Krause Günter Krause: «Können keine neue Mauer bauen»

01.10.2010, 14:23

BRANDENBURG/KIRCHMÖSER/MZ. - Er galt als ostdeutscher Architekt der deutschen Einheit, stieg rasant auf in der Politik, wurde Bundesverkehrsminister in der Regierung Kohl, war in Affären verwickelt, stürzte ab. Heute arbeitet der gebürtige Hallenser und "schwarze" Professor Günter Krause an grünen Technologien. Mit ihm sprach unser Redakteur Andreas Montag

Herr Krause, schön mit Ihnen sprechen zu können.

Krause: Schön, dass man sich in meiner Heimatstadt an mich erinnert.

Es war still um Sie geworden. Und es hieß auch, Sie wollten nicht reden.

Krause: Das war ein Gerücht.

Umso besser. Wenn Sie sich an die Jahre 1989 und 1990 erinnern: Empfinden Sie Stolz oder wird es Ihnen schwindlig?

Krause: Ich muss im August 1989 beginnen. Ich war damals junger Hochschullehrer und machte mit meiner Familie Campingurlaub in Ungarn. Da wurde die Grenze zu Österreich geöffnet. Wir diskutierten, ob wir die Chance nutzen - oder in die DDR zurückkehren sollten. Ich ging davon aus, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es zu einer Demokratisierung auch in der DDR käme. Natürlich habe ich nicht geahnt, dass wir ein Jahr später vor der deutschen Einheit stehen würden.

Heute trifft man immer mehr Leute, die das immer schon gewusst haben wollen. Andere bekennen sich dazu, in der DDR ganz gut gelebt zu haben. Wie ging es Ihnen?

Krause: Ich habe in der DDR als Christ gelebt und kann mich gut an ein Erlebnis in der achten Klasse der Oberschule in Halle erinnern: Wir waren 202 Schüler in diesem Jahrgang, von denen sind acht zur Konfirmation gegangen - sieben parallel auch zur Jugendweihe. Ich war der einzige, der das nicht tat. Das Spießrutenlaufen, das ich damals ertragen musste, habe ich nicht vergessen. Andere, die das organisiert hatten, haben es vergessen. Aber ich habe dann doch das Abitur ablegen dürfen, habe in der DDR studiert, wurde 1988 zum Dozenten berufen. Und ich war nie Reserveoffizier, das lehnte ich ab.

Sie hatten also Glück?

Krause: Ich will damit sagen: Wenn es Menschen gibt, die beklagen, in der DDR politisch verfolgt und beruflich benachteiligt gewesen zu sein, mag das stimmen. Mancher war aber vielleicht auch fachlich nicht der Lage dazu, Karriere zu machen. Richtig ist aber auch: Wenn die Wahl zwischen einem sehr guten Nicht-SED-Genossen und einem guten Genossen stand, hat man sich immer für den Genossen entschieden.

Aber egal, ob man für oder gegen die DDR war - sie war am Ende. Wirtschaftlich, sozial, kulturell. Als ich 1990 Staatssekretär in der letzten DDR-Regierung war, standen die Dinge so schlimm, dass wir Tag für Tag im Westen um Geld betteln mussten. Die Modrow-Regierung hatte uns völlig leere Kassen hinterlassen. Und entscheidend für die Einheit war der Wählerauftrag. 80 Prozent der DDR-Bürger waren dafür. Die Entscheidung, die DDR abzuschaffen und der Bundesrepublik Deutschland beizutreten, war richtig und entsprach den Interessen der Mehrheit.

Sie wurden vom Hochschullehrer quasi über Nacht zum Mit-Architekten der deutschen Einheit. Eine atemberaubende Karriere!

Krause: Es war schon das Ergebnis einer Entwicklung. Ich war Mitglied der Ost-CDU seit 1975, dazu bekenne ich mich. Damit ging ich dem Ansinnen, SED-Mitglied zu werden, aus dem Wege und habe mich für die Nische entschieden. Natürlich war die Ost-CDU eine Blockpartei und im heutigen Sinn nicht demokratisch.

Sie haben aber dort Platz genommen.

Krause: Man muss auch das Wertesystem einbeziehen, in dem wir damals gelebt haben. Ich habe zum Beispiel 1986 in der Partei den Arbeitskreis Informatik übernommen und dort die These vertreten, Englisch müsse die erste Fremdsprache werden, weil wir sonst hinter der Entwicklung zurückbleiben. 1987 wurde ich Kreisvorsitzender der CDU in Bad Doberan.

So war ich dort im Herbst 1989 ein Ansprechpartner auch für den Runden Tisch - übrigens hatte Bad Doberan den ersten überhaupt in der DDR. Dort saß ich dann unter anderem mit dem Ersten Kreissekretär der SED, ein enttäuschter Mann von 64 Jahren, der sich den Sozialismus anders vorgestellt hatte. Es hat ja auch viele ehrliche Leute unter den Genossen gegeben, das pauschale Urteil über SED-Mitglieder ist deshalb schäbig.

Sie waren also gut vorbereitet auf die Wende?

Krause: Ich hatte mich in der Ost-CDU intensiv mit Marktwirtschaft und mit den Ursachen für den Systemverfall im Osten beschäftigt. Später organisierte ich gemeinsam mit Probst Schmidt, Pfarrer in Bad Doberan, Friedensgebete, wurde Mitglied des Parteivorstandes in der Ost-CDU.

Als Informatiker war ich imstande, nüchtern und ohne große Emotionen zu analysieren. Das hat mir später sehr bei den Verträgen geholfen, die auszuhandeln waren, um von einem System ins andere zu kommen.

Ein Mann der Bürgerbewegung waren Sie nicht.

Krause: Ich habe es sehr bedauert, dass die Bürgerrechtler bei der Wahl 1990 so schlecht abschnitten. Ihr Fehler war: Sie wussten, was sie nicht wollten. Aber sie wussten oft nicht, was sie wollten. Wir anderen dagegen hatten eine klare Meinung: Wir wollten den Übergang mit eindeutigen Regeln, die den Prozess risikoärmer gestalten sollten - nicht risikolos. Das gibt es nicht.

Zu welchem Zeitpunkt war Ihnen klar, dass es nur auf den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik hinauslaufen kann?

Krause: Wir waren uns sehr schnell darüber im Klaren, dass der Beitritt der beste Weg sein würde. Eine Konföderation, über die damals auch gesprochen wurde, hätte bedeutet, dass es immer einen stärkeren und einen schwächeren Partner geben würde.

Das war also auch eine pragmatische Überlegung. Wobei ich persönlich den Sozialismus damals für erledigt angesehen habe. Im Sozialismus wird die höchste Form der Gerechtigkeit verkauft, indem man die Gleichheit aller herstellt. Das bedeutet, dass das Lebensniveau systematisch absinkt, weil die Leistungsträger immer am schlechtesten behandelt werden.

So richtig funktioniert hat das Gleichheitsprinzip aber nicht in der DDR.

Krause: Natürlich nicht. Es gab immer "Gleichere", wodurch das Lebensniveau aber nur noch schlechter wurde. Aus der katholischen Soziallehre, eine der Grundfesten der CDU im Westen, habe ich gelernt, dass man umgekehrt durch die Förderung der Ungleichheit als höchste Form der Gerechtigkeit die Vorsorge für die sozial Bedürftigen besser treffen kann.

Die Debatte ist bis heute nicht zu Ende. Gerade angesichts drohender Einschnitte im Sozialbereich wird Ihre These auf Widerspruch stoßen.

Krause: Ich habe den Eindruck, man macht in Deutschland wieder verstärkt den Fehler zu sagen, es müssten alle gleich werden. Es kann doch aber nicht sein, dass der, der mehr kann und mehr weiß, auf das Niveau dessen gebracht werden soll, der weniger kann und weiß. Wir brauchen eine pluralistische Gesellschaft, die Spitzen hat, sonst können wir nie wieder Nobelpreisträger hervorbringen.

Und was ist mit jenen, die eine Chance verdient hätten, aber keine bekommen?

Krause: Denen muss man natürlich helfen. Jenen auch, die von Hartz IV leben müssen, weil sie nicht mehr leisten können. Aber es gibt eben auch die, die zusätzlich "schwarz" arbeiten und zusammen mit den Sozialleistungen mehr Geld bekommen als ein anderer, der ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis hat.

Reden wir also über Grundsicherung und Mindestlöhne?

Krause: Das muss man sehr differenziert sehen. Wir haben zum Beispiel in Vorpommern Regionen, wo Friseurgeschäfte und andere Dienstleister schließen müssten, wenn sie höhere Löhne zahlten. Weil dann auch die Preise steigen müssten und die Kunden nach Polen abwanderten, wo es billiger ist. Wir können ja nicht eine neue Mauer bauen im Osten.

Diese Probleme waren doch vorhersehbar?

Krause: Als ich den ersten Staatsvertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion verhandelte, habe ich natürlich gewusst, dass es für die DDR-Bevölkerung viele Zumutungen geben wird, wenn wir die Systeme zusammenführen - weil die Produktivität in der DDR viel schlechter war.

Wie dürfen wir uns die Verhandlungen vorstellen? Auf Augenhöhe? oder kamen Sie sich wie der kleine Bruder vor?

Krause: Ich habe insgesamt fünf Verträge ausgehandelt, die bekanntesten sind der über die Währungsunion und der Einigungsvertrag. Beide Verhandlungen sind grunsätzlich anders verlaufen. Beim erstgenannten Vertrag standen zunächst, etwa die Renten betreffend, Dinge im Entwurf des Westens, die schlicht unannehmbar waren.

Wir mussten Zeit gewinnen, deshalb habe ich Lothar de Maizière einen Trick vorgeschlagen: Ich wollte bei der nächsten Zusammenkunft die andere Seite darum bitten, uns anhand des Warenkorbs vorzurechnen, wie man sich von den angegebenen Summen ernähren kann. Da fallen mir berühmte Beispiele ein. Was nützt es, wenn ein Fernseher nur noch 900 D-Mark kostet, aber man kauft sich nur aller 20 Jahre einen? Und das Brötchen kostet dafür plötzlich nicht mehr fünf, sondern 20 Pfennige. Das hat geholfen.

Und der zweite Vertrag, der über die Einheit?

Krause: Es ist kaum bekannt, dass es meine Delegation war, die den ersten Entwurf dazu vorgelegt hat. Das hat Wolfgang Schäuble in seinem Buch zu erwähnen vergessen. Und es ist wohl auch deshalb nicht öffentlich geworden, weil es eine Zeit gab, in der man an dem Krause kein gutes Haar gelassen hat. Vielleicht auch, weil man nicht anerkennen wollte, dass Ossis zu so etwas überhaupt in der Lage sind.

Wie lief das konkret ab?

Krause: Ich hatte ein Team von zehn Leuten, fünf davon waren mit Zustimmung von Helmut Kohl aus dem Westen "geborgt". Wir haben dann unsere Vorstellungen entwickelt, allerdings unter Verwendung einer Skizze zu einem solchen Vertrag, die mir Wolfgang Schäuble gegeben hatte.

Wir schlugen unter anderem vor: Das Land soll den neuen Namen Deutschland bekommen. Wir wollen die erste Strophe der DDR-Nationalhymne als zweite Strophe für die Hymne der neuen Republik. Und wir wählen Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz. Das war, im Grunde genommen, der Artikel 1. Völkerrechtlich hätte ja am 3. Oktober 1990 ein völlig neuer Staat gegründet werden können, das Potsdamer Abkommen der alliierten Siegermächte lief am 2. Oktober 1990 aus, was faktisch einem Friedensvertrag gleichkam. Deutschland als Name hätten allen Deutschen signalisiert: Hier hat etwas Neues begonnen. Und alle hätten sich mit ihren Biografien darin wiedergefunden.

Und was sprach gegen einen kompletten Neustart?

Krause: Ohne Zweifel wäre die Neugründung eines Staates mit einer neuen Verfassung der bessere Weg im Vergleich zum Beitritt gewesen. Aber das hätte Zeit gebraucht - und so lange hätte die Sowjetunion nicht durchgehalten.

Wegen ihrer politischen Instabilität?

Krause: Außenminister Hans-Dietrich Genscher hatte die große Sorge, dass das Zeitfenster nicht weit genug geöffnet bleibt. Wenn wir nach dem Zerfall der Sowjetunion mit 16 oder 18 Republiken hätten verhandeln müssen, wäre auf uns womöglich ein Forderungskatalog zugekommen, den selbst die reiche Bundesrepublik nicht hätte bedienen können.

Helmut Kohl hat Ihnen bei den Verhandlungen vertraut, Sie verstanden sich gut miteinander?

Krause: Bis zum Schluss. Ich bin auch nicht als Bundesminister zurückgetreten, weil Helmut Kohl das wollte, sondern aus persönlichen Gründen. Meine damalige Frau und ich hatten uns buchstäblich auseinandergelebt und suchten einen Neuanfang. Dass es nicht gelungen ist, steht auf einem anderen Blatt. Hinzu kam, dass ich mich zumal bei CDU-Politikern im Westen nicht gerade beliebt gemacht hatte und im Ruf stand, das ganze Geld in den Osten umzuschaufeln.

Damals war ich als Politiker sicher manchmal unsensibel. Immerhin ist aber auch einiges entstanden, der Ausbau der A 14 wurde begonnen, die A 20 geplant und inzwischen fertig gebaut.

Trotzdem bin ich immer noch froh über meine Entscheidung, die Politik zu verlassen, weil ich in diesem Job eben doch nicht so richtig zu Hause war.

Noch einmal zum Einigungsvertrag. Kritiker wie Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck sagen, er sei der Ursprung allen Übels.

Krause: Herrn Platzeck muss man fragen, ob er den Vertrag überhaupt gelesen hat. Denn darin ist im Artikel 44 geregelt, dass jedes Bundesland die Rechte, die die ehemalige DDR von der Bundesrepublik zugestanden bekommen hat, selber geltend machen kann. Aber dann kommen Leute und sagen, der Krause hat einen schlechten Vertrag gemacht, weil der kleinere Partner untergegangen ist. Stimmt aber nicht! Artikel 44 nachlesen, rate ich. Und Rechte einfordern. Das ist mein Vertrag. Und darauf bin ich stolz.

Rückgabe vor Entschädigung - war das nicht ein Fehler?

Krause: Man kann im Nachhinein immer theoretisieren, was besser gewesen wäre. Und sicher kann man diese Entscheidung für einen Fehler halten. Aber ich würde den Vertrag heute nicht anders machen. Wenn ich heute meine alte Heimatstadt Halle ansehe, muss ich sagen: Sie sieht besser aus als vor 20 Jahren. Dass es immer noch unsanierte Häuser gibt, liegt daran, dass zu DDR-Zeiten die Bevölkerung künstlich aufgebläht worden ist - nun hat es die Abwanderung gegeben. In Rostock zum Beispiel haben wir dieses Problem nicht. Wenn es jedoch ein Überangebot an Wohnungen gibt, gibt es auch Leerstand und Sanierungsbedarf. Aber hätte nicht Rückgabe vor Entschädigung sondern das Gegenteil gegolten - Halle sähe nicht besser aus.

Sie haben also ein gutes Gefühl?

Krause: Man kann es bei einem Systemwechsel nicht jedem recht machen. Helmut Kohl hat aus meiner Sicht nur einen Fehler gemacht: Nicht, dass er von "blühenden Landschaften" sprach, die haben wir ja bekommen. Aber der Satz, keinem werde es schlechter, jedem werde es besser gehen, war falsch.

Was ist besonders gut gelungen am Einheitsvertrag?

Krause: Ich möchte an die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch erinnern. Daran hätte der Vertrag noch kurz vor der Unterzeichnung scheitern können. Aber dann blieb es doch dabei, die liberale Praxis aus der DDR wurde übernommen und durch eine Beratungspflicht ergänzt. Aber dahinter standen ja ganz unterschiedliche Frauenbilder. In der DDR waren die Frauen gleichberechtigt, im Westen traf man noch das alte Rollenverständnis: Die Frau ist für die Familie da, der Mann verdient das Geld.

Sie waren der hochgeschätzte junge Mann in der Regierung Kohl, dann der Buhmann. Und es gab Affären, zum Beispiel den Putzfrauenskandal.

Krause: Ich muss mich dafür gar nicht rechtfertigen. Der Fehler meiner damaligen Frau war, dass sie für die Beschäftigung einer Langzeitarbeitslosen Zuschüsse beantragt hat. Es ging also nicht darum, die Frau "schwarz" zu beschäftigen. Und ich habe von alledem gar nichts gewusst.

Einen Skandal gab es dennoch.

Krause: Ein Skandal ist es geworden, um mich abzuschießen. Dabei war mir schon klar: Als Ostdeutscher durfte ich mir keinen Fehler erlauben. Hinzu kam, dass ich nicht immer nett war, auch zu den Medien nicht: ich war kantig, rotzig und frech. Und ich war unerfahren.

Also trauern Sie der Politik doch nach? Sie hat ja einen Suchtfaktor.

Krause: Ich würde lügen, sagte ich, dass es mir keinen Spaß gemacht hat. Und die Entwöhnung war hart. An die Droge Macht kann man sich gewöhnen, es gibt ja auch Beifall und Anerkennung. Trotzdem empfand ich den Rücktritt als Minister wirklich als Befreiung. In einem solchen Amt führt man ein Leben, das man selbst nicht mehr steuert. Man wird gesteuert. Nicht nur durch einen Büroleiter, sondern von einem ganzen Stab. Roland Koch hat Recht, wenn er sagt: Es gibt auch noch etwas anderes als die Politik.

Zum Beispiel?

Krause: Ich befasse mich mit der Entwicklung alternativer Technologien. Auch wenn sich das komisch anhören mag, dass ich als "Schwarzer" etwas mit grüner Technologie zu tun habe. Seit zehn Jahren arbeite ich daran, aus kohlenstoffhaltigen, anorganischen Stoffen, also auch aus Hausmüll, Erdöl zu produzieren. Jetzt stehen wir vor dem Start der ersten Anlage in Magdeburg - eine Anlage, die wirtschaftlich arbeitet, also Geld verdient.

Den letzten Anstoß für Ihren Rückzug aus der Politik gab die Umzugsaffäre. Auch Betrugsvorwürfe wurden später erhoben.

Krause: Wegen der Umzugsaffäre bin ich letztlich zurückgetreten. Dabei habe ich, wie später nachgewiesen wurde, korrekt gehandelt. Wegen der Probleme in meiner früheren Firma hat mich das Landgericht Rostock hart rangenommen, ich bin einmal, einen Tag vor Weihnachten, zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.

Das ist in der Tat heftig.

Krause: Ich hatte die Zahnbürste schon dabei. Aber meine Anwälte machten mir Mut, die Vorwürfe würden vor dem Bundesgerichtshof nicht bestehen können. Und so kam es auch. Von 27 Straftatvorwürfen sind 25 erledigt - durch Freispruch oder Einstellung seitens der Staatsanwaltschaft. In zwei Verfahren, darunter wegen einer angeblichen Insolvenzverschleppung aus dem Jahr 1994, kämpfe ich noch. Aber auch da bin ich zuversichtlich.

Das kostet Kraft und Nerven...

Krause: Manchmal fragt man sich da schon, wie der Rechtsstaat eigentlich funktioniert. Ich glaube, ich habe diese Urteile nur bekommen, weil ich Günther Krause bin. Dabei darf man mich im Rechtsstaat doch nicht als Verurteilten bezeichnen, solange ein Urteil nicht rechtskräftig ist. Damit hat man mich durch den Dreck gezogen und versucht, meine Leistungen zu eliminieren. Schließlich habe ich zwar Recht erfahren, aber die Narben der Vorverurteilung sind geblieben. Der Rechtsstaat funktioniert, aber ich habe persönliches Unrecht erfahren.

Und was sagen Sie zum ewigen Streit um Rechts- und Unrechtsstaat?

Krause: Die DDR hat diese Frage selbst beantwortet: Sie nannte sich "Diktatur des Proletariats" und war insofern nur eine eingeschränkte Demokratie. Natürlich haben viele DDR-Bürger diesen Staat nicht als Unrechtsstaat empfunden. Die Opfer sehen das anders.

Herr Krause - wo stehen wir nach noch einmal 20 Jahren?

Krause: Die Konflikte werden sich in vielen Bereichen zuspitzen. Ich wage zu sagen: Hätten wir heute noch Helmut Kohl als Kanzler, hätten wir keine Militäreinsätze im Ausland. Setzt sich die Entwicklung aber so fort, fürchte ich, dass man bald wieder von gerechten und ungerechten Kriegen sprechen wird.

Und Deutschland?

Krause: Ich habe auch Sorge, dass Deutschland die nötige Kreativität nicht haben wird. Und wir uns stattdessen nur noch darüber unterhalten, wie man die Früchte verteilt.

Wie sieht es für Sie persönlich in 20 Jahren aus?

Krause: Ich bin dann 77 Jahre alt und hoffentlich gesund. Die Sorge, dass es mir an Enkelkindern fehlen wird, die meine Rente verdienen, habe ich nicht.