Grüner Grüner: Cohn-Bendit wird 60 Jahre alt

Frankfurt/Main/dpa. - Daniel Cohn-Bendit hat sich selbst einmalals «ideellen Gesamtlibero» der Grünen bezeichnet. Während mitJoschka Fischer der torgefährlichste Stürmer der Partei wegen derVisa-Affäre schwächelt, kümmert sich sein früherer WG-Kumpan Dany inEuropa um grünen Spielaufbau und Zusammenhalt. Seine Idealpositionhat Cohn-Bendit als Ko-Vorsitzender der Europa-Fraktion seiner Parteigefunden. An diesem Montag (4. April) wird er 60 Jahre alt.
Von Straßburg und seinem Wohnsitz Frankfurt aus schlägt derFußballfan Cohn-Bendit oftmals überraschende Pässe und formuliertalternative Multikulti-Träume. Ein «sozial-ökologisch verfasstesEuropa» ist für ihn nichts weniger als «die politische Einheit, dieder neoliberalen Position der USA standhalten kann». Und auch zurFrage der Integration der Türkei spannt er den ganz großen Bogen. Imösterreichischen Nachrichtenmagazin «Profil» schwärmte der studierteSoziologe unlängst über das von ihm erwartete «Wunder vom Bosporus»:«Wenn Istanbul und Ankara zum Mekka des demokratischen Islam werden -und das ist möglich -, dann sind die saudischen Herrscher und alleanderen Despoten der Region bald weg.»
An politischen Visionen hat es dem 1945 im französischen Montaubangeborenen Sohn eines jüdischen Anwalts selten gemangelt. Nach demAbitur in der südhessischen Odenwaldschule zum Studium wieder nachFrankreich übergesiedelt, zettelte «Dany le Rouge» im Jahr 1968heftige Studentenunruhen im Nachbarland maßgeblich mit an. DieAngriffe galten wie überall in der westlichen Welt zunächst derbürgerlichen Honoratioren-Universität und in der Konsequenz dergesamten Gesellschaft, der je nach politischer Ausrichtungfreiheitliche, anarchistische oder auch dogmatisch marxistischeAlternativen entgegengehalten wurden.
Die französische Regierung zeigte sich wenig amüsiert über dieRolle des talentierten Tribuns und auffälligen Feuerkopfs Cohn-Bendit, der sich nicht zufällig nach seinem berühmten Vorbild aus derfranzösischen Revolution «Danton» genannt hatte. Als deutschenStaatsbürger konnte man ihn aber leicht loswerden und für zehn Jahredes Landes verweisen.
In Frankfurt wurde Cohn-Bendit schnell zum Chef-Ideologen der sogenannten Spontis, die sich im Unterschied etwa zu den RAF-Terroristen durchaus ein «richtiges Leben» in der «falschen»Gesellschaftsform vorstellen konnten und die soziale Revolution inkleinen Schritten verwirklichen wollten. Gemeinsam mit JoschkaFischer gründete er die in der Frankfurter Szene einflussreicheGruppe «Revolutionärer Kampf», die sich auf Agitation in Betrieben,Straßenschlachten und Hausbesetzungen spezialisierte.
Cohn-Bendit arbeitete unter anderem als «Bezugsperson» in einem«Kinderladen» und schrieb für das Stadtmagazin «Pflasterstrand».Seine Kontakte nutzte er später zu Vermittlungen zwischenStaatsgewalt und reumütigen Links-Terroristen.
«Ich bin der ideale Verräter», meinte Cohn-Bendit später kokettüber die ihm eigene politische Wendigkeit, die ihn 1984 in den Schoßder Grünen brachte. Im engen Verbund mit Fischer setzte er in Hessendie realpolitische Linie durch und stellte die führendeFundamentalistin Jutta Ditfurth ins Abseits. In der FrankfurterStadtverwaltung wurde er 1989 zum ersten «Dezernenten fürmultikulturelle Angelegenheiten» der Republik gewählt, wenn auch nurim Ehrenamt.
Einen Ministerposten habe er schon aus egoistischen Motiven nieangestrebt, sagt der seit fast elf Jahren im Europa-Parlament aktivePolitiker. Als Parlamentarier könne er freier agieren und ausreichendZeit mit seiner Frau und seinem Sohn Bela verbringen, den er früherschon mal im Tragesack zu wichtigen Verhandlungen mitgebracht hatte.Das freie Denken und provokative Formulieren dürfte dem grünen Liberoin dieser Position auch weiterhin leicht fallen.