Großeinsatz Großeinsatz: Bremen unterm Sicherheitsnetz
Bremen - Nach Hinweisen auf den Handel mit Maschinenpistolen in der islamistischen Szene hat die Polizei einen Terror-Anschlag in Bremen befürchtet und Alarm ausgelöst. Der Großeinsatz mit Festnahmen und Razzien zog sich über das Wochenende hin, erst nach 30 Stunden gab es vorläufig Entwarnung. „Diese Hinweise waren so konkret, dass wir einen Anschlag in Bremen nicht mehr ausschließen konnten“, sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Sonntag. Waffen wurden nicht gefunden. Damit gab es bereits zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen eine Warnung vor Terrorgefahr in einer deutschen Großstadt.
Als die Radionachrichten am Samstagmorgen über eine erhöhte Terrorgefahr im Stadtgebiet berichten, fahren fast so viele Einkaufsbummler wie sonst in die Bremer City. Dort erwartet sie ein ungewohntes Bild: Polizeiposten mit Maschinenpistolen vor Rathaus und Dom, Mannschaftswagen an den Zugängen zum Marktplatz und an anderen strategisch wichtigen Punkten. Auch die Jüdische Gemeinde am Rande der City lässt sich nicht beirren. Sie wird zwar stärker bewacht als sonst, feiert aber trotzdem ihren Sabbat-Gottesdienst.
Durchsuchung im Kulturzentrum
Am Samstagabend veröffentlichen die Ermittler erste Details: Bei einem Verdächtigen und beim Islamischen Kulturzentrum (IKZ) habe es Durchsuchungen gegeben. „Zudem gab es Ingewahrsamnahmen und Überprüfungen von mehreren Personen“. Vorsichtshalber habe die Polizei währenddessen „ein Sicherheitsnetz über die Bremer Innenstadt gelegt“.
Erst am Sonntagnachmittag lüften die Ermittler etwas von ihren Geheimnissen. Laut einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft wird gegen einen 39-jährigen Libanesen wegen möglichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt. Der Verdacht: Er wolle sich Kriegswaffen, Maschinen- und Automatikpistolen, über unbekannte Lieferanten beschaffen und sie an Personen aus dem IKZ-Umfeld weiterleiten. Schon seit Herbst gab es eine solche Vermutung, erzählt Mäurer (SPD) am Sonntag. Die Behörden hätten damals Hinweise erhalten, „dass Personen aus der salafistischen Szene versuchen, sich zu bewaffnen“.
Die Bundesrepublik werde sich „auf längere Zeit auf erhebliche Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden“ einstellen müssen“, sagte Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Innenausschuss des Bundestages werde sich demnächst mit der Rekrutierung von Terroristen in den Gefängnissen befassen und über die Verbesserung der Möglichkeiten beraten, Moschee-Gemeinden zu schließen, die zur Anwerbung von Dschihadisten dienten, kündigte Bosbach an.
FDP-Parteichef Lindner erklärte, die Bedrohung durch den Islamismus sei unterschätzt worden: „Einerseits müssen Freiheit und Toleranz bewahrt werden, sie dürfen nicht Repression und Ressentiments zum Opfer fallen. Andererseits ist mit Entschlossenheit das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen“, sagte er dieser Zeitung, und fügte hinzu: „Wie wir mit dieser Herausforderung umgehen, wird über die innere Liberalität unseres Landes entscheiden.“
Konkrete Hinweise
Am Freitagabend wiederum, so Innensenator Mäurer, habe sich der Bremer Verdacht durch Erkenntnisse einer nicht näher benannten Bundesbehörde verdichtet. Diese Hinweise, befand Mäurer, seien so konkret gewesen, „dass wir einen Anschlag in Bremen nicht mehr ausschließen konnten“. Daher der Polizeischutz für die Innenstadt und am Samstag dann Durchsuchungen in den Wohnungen des Libanesen und eines weiteren Verdächtigen, an einem Arbeitsplatz und im IKZ. Doch die Fahnder fanden keine Waffen. Es bleibt offen, ob es keine Waffen gab oder ob sie nur nicht gefunden wurden. Dennoch schaltet die Polizei ihre Sicherheitsmaßnahmen zurück und lässt am Sonntag weniger Beamte patrouillieren als noch am Samstag.
Die Behörden glauben, alle Verdächtigen durch die Polizeiaktionen so verunsichert zu haben, dass sich die Gefahr für die Öffentlichkeit jetzt relativiert. Dabei sind die zwei Hauptbeschuldigten schon wieder auf freiem Fuß. Sie stehen zwar weiter unter Verdacht, aber laut Polizei fehlen Haftgründe. Auf jeden Fall wird gegen sie weiter ermittelt. Von den 40 000 Muslimen an der Weser gelten 360 als Salafisten und ein kleiner Teil von ihnen auch als gewaltbereit. Laut Innensenator sind zehn Männer und neun Frauen mit insgesamt elf Kindern zur Unterstützung des IS-Kampfes nach Syrien ausgereist. Drei der Männer sind im Kampf gefallen, vier inzwischen wieder zurückgekehrt. (mit dl, pp)