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GroKo GroKo: CSU setzt sich in weiten Teilen bei der Flüchtlingspolitik durch

Von Kordula Doerfler 15.01.2018, 16:42
Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) nehmen gemeinsam an einer Pressekonferenz teil.
Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) nehmen gemeinsam an einer Pressekonferenz teil. dpa

Berlin - Kaum ein Thema war in den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD so umstritten wie die künftige Asyl- und Zuwanderungspolitik, und an kaum einem Thema wurde hinterher so schnell derart scharfe Kritik laut.

Grüne und Linke, die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl zerpflückten die Einigung als inhuman und als Verschärfung des bisherigen Kurses. Auch in der SPD sind viele mit dem, was die Chefunterhändler unter der Überschrift „Migration und Integration“ festgeschrieben haben, nicht glücklich und fordern Nachverhandlungen.

Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jusos und einer der Wortführer gegen eine neue große Koalition, monierte, dass doch so etwas wie eine Obergrenze fixiert wurde. Vizechef Ralf Stegner wiederum reichen die Regelungen zum Familiennachzug nicht, er drängt darauf, dass die SPD noch eine umfassendere Härtefallregelung durchsetzt.

CSU hat sich in vielen Fällen durchgesetzt

Tatsächlich lässt sich in dem 28-seitigen Sondierungspapier schnell feststellen, dass sich vor allem die CSU oft durchgesetzt hat und möglichst vieles genau festschreiben wollte, ehe man in Koalitionsverhandlungen geht. Fast wortgleich finden sich Formulieren, die schon in dem Kompromiss zur Flüchtlingspolitik standen, den die Unionsparteien Anfang Oktober vergangenen Jahres ausgehandelt hatten.

Damals wie heute taucht der Begriff „Obergrenze“ nicht auf, weil ihn die CSU auch gegen Angela Merkel nicht durchsetzen konnte, und auch das Grundrecht auf Asyl wird nicht angetastet. Die Migrationsbewegungen nach Deutschland sollen aber „angemessen“ gesteuert und reduziert werden. Es wird festgestellt, „dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement …) die Spanne von 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden.“

Auszunehmen sind davon Rückführungen, also Abschiebungen und freiwillige Ausreisen sowie Fachkräfte, deren Zuwanderung mit einem neuen Gesetz geregelt werden soll. Im Papier der Union vom Oktober stand die Zahl von 200.000, der schöne Begriff vom „atmenden Deckel“ machte seinerzeit die Runde. Auch jetzt bleibt offen, was beim 220.001. Flüchtling geschieht.

Neue Regelung zum Familiennachzug von Nöten

Auch beim Familiennachzug zeigte sich die CSU hartnäckig. Noch bis Mitte März dürfen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz keine Familienangehörigen nachholen, dann läuft die Aussetzung aus, die Union und SPD vor zwei Jahren beschlossen hatten. Die Zeit drängt also.

Bereits in dieser Woche Monat wollen die möglichen Großkoalitionäre einen Gesetzesantrag in den Bundestag einbringen, der die geltende Regelung so lange verlängert, bis Ende Juli eine neue verabschiedet ist. Sie sieht vor, dass pro Monat 1.000 Familienangehörige aus humanitären Gründen nachkommen dürfen, allerdings nur unter strengen Auflagen. Sie werden nicht nur in die Gesamtzahl eingerechnet, sondern auch gegengerechnet gegen Flüchtlinge, die Deutschland im Rahmen der EU  freiwillig aus Griechenland und Italien monatlich aufnimmt. Allerdings ist das entsprechende Programm bereits im September vergangenen Jahres ausgelaufen.

SPD-Chef Martin Schulz preist das dennoch als Verhandlungserfolg, und tatsächlich hätte die CSU am liebsten jeglichen Familiennachzug für subsidiäre geschützte Flüchtlinge weiterhin unterbunden. Wie problematisch dieser Status ist, zeigt die stark wachsende Zahl von Klagen. Fast jeder zweite Flüchtling, der wegen eines abgelehnten Asylantrags vor Gericht geht, ist zumindest in der ersten Instanz erfolgreich, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten UIla Jelpke hervorgeht, die dieser Zeitung vorliegt. Besonders häufig klagen Syrer, die nur subsidiären Schutz erhalten haben.

Forciert hat die CSU auch, dass künftig alle Asylbewerber in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungszentren leben. Mit den Grünen und der FDP wäre das nicht durchsetzbar gewesen. Ein Satz allerdings, der sich in der ersten bereits gedruckten Version des Sondierungspapiers am vergangenen Freitagmorgen fand, wurde eilends noch gestrichen. Eine Residenzpflicht und eine Verordnung, dass Asylbewerber nur Sachleistungen erhalten, wollte die SPD in letzter Minute doch nicht mittragen.