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Gnade für todkranken Lockerbie-Attentäter

20.08.2009, 17:43

London/Washington/dpa. - Gnade für den Lockerbie-Attentäter: Der todkranke Libyer Abdel Bassit Ali Mohammed al-Megrahi hat am Donnerstag nach acht Jahren Haft das Gefängnis verlassen und kann in seiner Heimat sterben.

Trotz Protesten aus den USA begnadigte Schottlands Justizminister Kenny MacAskill den 57 Jahre alten verurteilten Massenmörder, weil er an Prostatakrebs im Endstadium leidet. Kurz danach wurde er in seine Heimat Libyen ausgeflogen. Der Libyer war 2001 wegen des Terroranschlags auf eine Maschine der US-Fluglinie PanAm über dem schottischen Lockerbie zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Bei dem Anschlag im Dezember 1988 kamen 270 Menschen ums Leben, vor allem Amerikaner.

Angehörige amerikanischer Opfer des Lockerbie-Anschlags äußerten sich verbittert über die Entscheidung. Auch von der US-Regierung, die sich wiederholt gegen eine Freilassung ausgesprochen hatte, kam Kritik. Al-Megrahi beteuerte in einer Stellungnahme erneut seine Unschuld, sprach den Hinterbliebenen der Opfer sein Mitgefühl aus und nannte seine Verurteilung wegen des Terroranschlags eine «Schande». Ärzte hatten ihm nur noch drei Monate zu leben gegeben.

Kurz nach der Begnadigung verließ ein Konvoi mit dem Libyer das Greenock-Gefängnis bei Glasgow. Vom Flughafen in Glasgow flog er anschließend in seine Heimat. Bei seiner Ankunft in Libyen, kurz vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, sollte Al-Megrahi nach Medienberichten von Revolutionsführer Muammar el Gaddafi empfangen werden.

Vor der Verkündung seiner Entscheidung hatte MacAskill an den schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte Großbritanniens erinnert: «Er zeigte kein Mitleid mit den Opfern», sagte er mit Blick auf Al-Megrahi. Und viele Wunden, die er den Familien der Opfer zugefügt habe, würden nie verheilen. «Daher werden viele mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sein.» Aber die Krankheit sei «unheilbar», Al-Megrahi stehe nun vor der «Strafe einer höheren Gewalt», sagte der Minister. «Er wird bald sterben».

«Die USA bedauern die Entscheidung (...) tief», hieß es aus dem Weißen Haus. Das Mitgefühl gelte nun den Familien der Opfer, «die jeden Tag mit dem Verlust ihrer Lieben leben müssen». Außenministerin Hillary Clinton teilte mit, die US-Regierung sei «tief enttäuscht».

«Er ist ein Massenmörder und Terrorist», klagte Susan Cohen, deren Tochter unter den 189 amerikanischen Todesopfern des Anschlags war, im Sender CNN. Sie warf London eine «Beschwichtigungspolitik» gegenüber der libyschen Führung vor. «Es geht alles nur um Öl.»

Al-Megrahi stellte sich in einer nach seinem Abflug verbreiteten Erklärung als Opfer eines Justizirrtums dar. «Die schreckliche Qual ist nicht mit meiner Rückkehr nach Libyen vorbei. Sie mag nicht enden, bis ich sterbe. Vielleicht ist die einzige Befreiung für mich der Tod. Und ich sage es so klar wie möglich und hoffe, dass es jeder in diesem Land hören wird: Ich musste das alles für etwas ertragen, das ich nicht getan habe.»

Zudem richtete er sich an die Hinterbliebenen der Opfer: «An die Angehörigen der Opfer, die es ertragen können, mich das sagen zu hören: Sie haben weiterhin mein tief empfundenes Mitgefühl für den unvorstellbaren Verlust, den sie ertragen mussten.»

Al-Megrahi war der Einzige, der für das Attentat kurz vor Weihnachten 1988 verurteilt worden war. Er hatte erst am Dienstag eine zweite Berufung zurückgezogen und damit einen Teil der Angehörigen enttäuscht, die sich von einer Neuauflage des Verfahrens neue Informationen zu den Hintergründen des Verbrechen erhofft hatten. Denn an der Schuld Al-Megrahis hatte es stets Zweifel gegeben. So tauchte etwa die Theorie auf, dass Lockerbie die Vergeltung des Irans für den Abschuss eines iranischen Airbus' mit 290 Menschen an Bord durch ein US-Kriegsschiff im Jahr 1988 war.

Libyen hatte 2003 formell die Schuld für den Tod der 270 Menschen übernommen und Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen zugestimmt. Später verlautete aus der libyschen Führung, man habe die Verantwortung nur übernommen, um ein Ende der UN-Sanktionen zu erreichen.