Gipfel in Heiligendamm Gipfel in Heiligendamm: G8-Gegnern wird das Demonstrieren verboten

Heiligendamm/dpa. - Wegen einer «andauerndenBedrohungssituation» sollen in einer Zone von 200 Metern vor demSicherheitszaun um das Ostseebad keine öffentlichen Versammlungenerlaubt werden. Vom 30. Mai bis 8. Juni sind zudem in einem fünf biszehn Kilometer breiten Gürtel alle unangemeldeten Proteste verboten.In der Protestszene rief die Entscheidung heftige Reaktionen hervor.Die Vorwürfe an die Polizei reichen vom Angriff auf die Grundrechtebis zur Täuschung der Öffentlichkeit. Ein geteiltes Echo gab es inder Politik. Das Bundesinnenministerium stellte sich hinter diePolizei, SPD und Linkspartei meldeten dagegen Bedenken an.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag,Ulla Jelpke, nannte die Verfügung eine «undemokratischeWillkürhandlung nach dem Vorbild der "Operation Schutzwall" beim G8-Gipfel 2006 im russischen Sankt Petersburg.» Damals waren dieSicherheitsorgane wegen ihres rigiden Vorgehens kritisiert worden.Jelpkes SPD-Amtskollege, Dieter Wiefelspütz, sagte, grundsätzlichdürfe nicht in Zweifel gezogen werden, dass man in Deutschlandfriedlich und ohne Waffen gegen den G8-Gipfel demonstrieren darf. Ineinem Gespräch mit der Financial Times Online äußerte er: «Es müssenschon sehr gute Gründe vorliegen, um ein Demonstrationsverbot zubegründen.» Das letzte Wort würden die Gerichte haben.
Darauf wird es wohl hinauslaufen. Die Gipfel-Gegner kündigtenumgehend an, Widerspruch bei den Verwaltungsgerichten einzulegen. DieOrganisation Gipfelsoli Infogruppe warf der Polizei vor, dieVerbotsankündigung so spät erlassen zu haben, um den Gegnern nichtgenug Zeit zu lassen, sich vor Gericht zu wehren. «Die Polizei spieltauf Zeit. Damit wird der juristische Klageweg beschnitten», sagte einSprecher. Zudem seien die Demonstranten getäuscht worden. Monatelanghabe es geheißen, beim Gipfel werde es keine «Bannmeilen» geben.
Die Gruppe Kampagne Block G8 machte deutlich, sie werde einemögliche Niederlage vor Gericht nicht hinnehmen. DieAllgemeinverfügung sei ein schwerer Eingriff in das Grundrecht aufVersammlungsfreiheit. «Tausende von Menschen werden sich nichtvorschreiben lassen, wo sie gegen G8 zu protestieren haben und dieVerfügung in einem Akt des Zivilen Ungehorsams bewusst missachten»,hieß es. Die Gruppe will nach eigenen Angaben die Zufahrtswege zumGipfelort Heiligendamm und zum Flughafen Rostock-Laage blockieren.
Innenstaatssekretär August Hanning sagte im ARD-«Morgenmagazin»:«Wir haben als Gastgeber die Pflicht, dass wir alles tun, um unsereGäste zu schützen.» Laut Hanning haben die Sicherheitsbehördenbislang keine Erkenntnisse, dass gewaltsame Aktionen gegen Menschengeplant sind. «Aber wir wissen von Aktionen, die zumindestgefährdenden Charakter haben.» Er sei überzeugt, dass der ganzüberwiegende Teil der Demonstrationen friedlich verlaufen werde. Aberes gebe auch einige Störer.
Um die Gefahr eines Terroranschlags auf den Gipfel abzuwehren,wird auch die Bundeswehr eingesetzt. Auf der Grundlage von Artikel 35soll sie den Luft- und Seeraum sichern. Danach können etwaMarineboote nach Fremdkörpern im Wasser suchen, dürften aber ein füreinen Anschlag entführtes Passagierschiff nicht unschädlich machen.Auch angesichts dieses Dilemmas unternahmen Spitzen der großenKoalition am Mittwoch einen neuen Anlauf zur Grundgesetzänderung fürBundeswehreinsätze im Inland. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble(CDU) strebt eine Verfassungsnorm an, die zwischen Verteidigungsfallund polizeilicher Gefahrenabwehr liegt. Die SPD will sich nur aufeine Erweiterung des Artikel 35 Grundgesetz einlassen, der dieAmtshilfe der Streitkräfte für die Polizei regelt.
