Geschichte Geschichte: Hitlers letzte Karte

Hamburg/dpa. - Am 15. Dezember 1944 kündigte der britischeFeldmarschall Montgomery dem amerikanischen OberbefehlshaberEisenhower an, er wolle das bevorstehende Weihnachtsfest zu Hauseverbringen. An den Fronten sei es ruhig, und Hitler sei nicht mehr inder Lage, größere Angriffe zu unternehmen. Eisenhower stimmte zu undging selbst am nächsten Morgen Golf spielen. Die von Hitler geplanteÜberraschung war perfekt. Über 200 000 deutsche Soldaten, die sich inden vorausgegangenen Wochen im Schutz der bewaldeten Eifel gesammelthatten, gingen an diesem 16. Dezember auf einer Front von 120Kilometern zur Offensive auf die Ardennen vor, die von nur etwas über80 000 Amerikanern gehalten wurden.
Hitler spielte seine letzte Karte, um, wie er sagte, aus der«ewigen Defensive» herauszukommen und um das Schlachtenglückschließlich doch noch zu wenden. Das Ziel: Bis zur Maas und dann nachNorden bis Antwerpen vorstoßen, um die westlich von diesem Bogen -dann eingeschlossenen - gegnerischen Kräfte zu vernichten. Der«Führer» war sich der erdrückenden feindlichen Luftüberlegenheit sehrwohl bewusst, deshalb setzte er auf das vorausgesagte schlechteWetter, die Überrumpelung des Gegners und den schnellen Vormarsch.
Hitler dozierte auch immer wieder über die Brüchigkeit deralliierten Koalition. «Wenn hier noch ein paar ganz schwere Schlägeerfolgen, so kann es jeden Augenblick passieren, dass diese künstlichaufrechterhaltene Front plötzlich mit einem riesigen Donnerschlagzusammenfällt», sagte er kurz vor dem Angriff zu Offizieren.
Aber schon nach zwei Tagen geriet der Angriff ins Stocken. DieAmerikaner leisteten unerwartet heftigen Widerstand. Die engen,verschneiten Landstraßen ließen sich leicht blockieren und die großeZahl der eingesetzten deutschen Panzer und Transportfahrzeuge führteüberall zu langen Staus. In der belgischen Stadt Bastogne wurdenviele Amerikaner eingeschlossen, aber eine Kapitulation lehnte derkommandierende General Anthony McAuliffe mit dem berühmt gewordenenWort «Nuts!» («Ihr seid wohl verrückt!») ab. Bastogne blieb ein Pfahlim Fleisch des deutschen Angriffskeils, der tief in dieamerikanischen Linien getrieben wurde. An Heiligabend kam dieOffensive nur wenige Kilometer vor der Maas, vor allem wegenTreibstoffmangels, endgültig zum Stillstand.
Inzwischen spielte auch das Wetter nicht mehr mit. Die Wolkendeckeriss auf, und die Alliierten setzten die Masse ihrer Bomber undJagdflugzeuge ein. Gleichzeitig bedrängten schnell herangeführtealliierte Kräfte die Deutschen von der Nord- und Südflanke unddrohten den Keil abzuschneiden. Der Oberbefehlshaber West,Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, der zusammen mit anderenGenerälen vergeblich versucht hatte, Hitler von dem ganzenUnternehmen abzuhalten, riet am 1. Weihnachtstag dringend zum Rückzugauf den Westwall.
Aber Hitler blieb wie in anderen entscheidenden Kriegsmomentenstur und befahl, jeden Meter Boden zu halten. Nun wurde aus derOffensive eine Abnutzungsschlacht. Anfang Januar war die gestellteAufgabe nur noch, so viele feindliche Kräfte wie möglich zu binden.Der deutsche Rückzug war erst Ende Januar abgeschlossen. Inzwischenhatte Stalin seine Winteroffensive an der Ostfront auf den 12. Januarvorverlegt.
Die Ardennenoffensive war der letzte verzweifelte Versuch derNationalsozialisten, die Niederlage noch abzuwenden. Mit demScheitern der Offensive waren alle operativen Reserven des Reichesverbraucht. Den größten Vorteil daraus zogen aber nicht diesiegreichen Westalliierten, sondern die Russen. Sie kamen schnellerüber die Oder und nach Berlin. Anfang Februar spielte Stalin seinestarke Stellung bei der Konferenz von Jalta voll aus. Roosevelt undChurchill waren zu Konzessionen gezwungen, die sich unheilvoll fürDeutschland und ganz Mittel- und Osteuropa auswirken sollten.