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Geschichte Geschichte: Der «Big Bang» veränderte Helgoland für immer

17.04.2007, 06:51
Helgoland von Nordwesten aus der Luft aufgenommen (Foto vom 30.03.2007). (Foto: dpa)
Helgoland von Nordwesten aus der Luft aufgenommen (Foto vom 30.03.2007). (Foto: dpa) dpa

Helgoland/dpa. - Der Rauch- und Staubpilz über der Insel wargigantisch, die Explosion noch auf dem Festland zu hören. Als vor 60Jahren 6700 Tonnen Munition und Sprengstoff in den Bunkern undFlakstellungen auf Helgoland detonierten, veränderte sich das Gesichtder Insel aus Buntsandstein für immer - die Südspitze des Oberlandesverschwand. Am 18. April erinnern die Helgoländer mit Gottesdiensten,Kranzniederlegungen und Glockenläuten an den «Big Bang». Jahrelangnutzte die britische Luftwaffe nach Ende des Zweiten Weltkriegs dasFelsen-Eiland als Übungsplatz für ihre Bomber. Erst 1952 konnten dierund 2500 über ganz Norddeutschland verstreuten Helgoländer nachsechs Jahren des Exils auf ihre Insel zurück. Internationale Protesteund eine spektakuläre Besetzung durch Studenten bewegten dieEngländer zum Abzug.

Während 1947 die rund 2000 heimatlosen Helgoländer die Sprengung,auch «Big Bang» und «British Bang» genannt, aus weiter Fernemiterleben mussten, erinnern sich noch einige Inselbewohner an dengrößten Bombenangriff auf die Insel auf den Tag genau zwei Jahrevorher. Ernie Rickmers (79), die Schwester des Kinderbuchautors JamesKrüss (1926-1997), berichtet: «Der Tag des Angriffs begann schonbeunruhigend.» Einige Helgoländer waren verhaftet worden, weil sieversucht hatten, die Insel kampflos an die Engländer zu übergeben.Das sprach sich schnell herum.

Diese Unruhe wuchs, als gemeldet wurde, dass Bombenflugzeuge imAnflug waren. Für die Helgoländer war es eigentlich zur Routinegeworden, die Bunkerplätze aufzusuchen, da die Insel in derEinflugschneise der britischen Flugzeuge lag, die Hamburg und andereStädte als Ziel im Visier hatten. Doch diesmal flogen die 971 Bombernicht vorbei, sondern luden ihre todbringende Fracht über der Inselab.

«Nach den pausenlosen Detonationen breitete sich in dem Teil desBunkers, in dem ich mich befand, eine unheilvolle, fast dramatischeStille aus», erinnert sich Ernie Rickmers. Zwei Tage mussten sie unddie vielen Hundert Helgoländer im Bunker bleiben, denn draußen warfast alles kaputt, überall lagen Blindgänger.

Mit großem Respekt beobachtete sie die Helferinnen des DeutschenRoten Kreuzes, die weinende Kinder beruhigten, alten Frauen halfen,deren Kräfte zu schwinden drohten, und verletzte Soldaten versorgten.«Wir waren froh und dankbar, überlebt zu haben», sagt sie. WenigeTage nach dem Angriff musste die damals 17-Jährige wie alle anderenHelgoländer ihre Insel verlassen - sieben Jahre später gehörte siegemeinsam mit ihrem Mann Henry Peter Rickmers, langjährigerInselbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg, zu den erstenHelgoländern, die zurückkehren durften.

Viele Jahre dauerte es, bis sie wieder in den Bunker ging. Und sieweiß, wenn sie im April 1945 auf dem Festland geblieben wäre, wie essich ihr damaliger Lehrherr bei der Pinneberger Kreissparkassewünschte, «wäre mein Leben wohl sehr viel unproblematischerverlaufen». Doch im Herzen gab es für sie nie einen Zweifel, trotzder Verwüstungen ihrer Heimat nach Helgoland zurückkehren zu wollen.Ernie Rickmers: «Hier ist meine Heimat. Viele Familien stammen seitJahrhunderten von der Insel. Es gibt großen Zusammenhalt und eingroßartiges Gemeinschaftsleben» - auch am 18. April, wenn dieGedanken wieder an den Platz fürs Überleben im Bunker zurückkehren.