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Geschichte Geschichte: Als Angela Merkel heimlich ihre West-Cousine traf

Von Wolfgang Jung 25.01.2007, 08:15
Die damalige Studentin und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (3vr) posiert vor dem Veitsdom auf der Prager Burg mit Prof. Kazuyuki Tatsumi (von links), Prof. Rudolf Zahradnik, Milena Zahradnikova, Olga Tureckova und Prof. Zdenek Havlas (Foto von 1982). (Foto: dpa)
Die damalige Studentin und heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (3vr) posiert vor dem Veitsdom auf der Prager Burg mit Prof. Kazuyuki Tatsumi (von links), Prof. Rudolf Zahradnik, Milena Zahradnikova, Olga Tureckova und Prof. Zdenek Havlas (Foto von 1982). (Foto: dpa) dpa

Prag/dpa. - Wenn Rudolf Zahradnik über Angela Merkel spricht,gerät der sonst sachliche Chemiker ins Schwärmen. «Sie gehörte zu denBesten und sehnte sich nach Tiefe im Wissen», erzählt der 78-jährigeTscheche begeistert. Eines Morgens in den 1980er Jahren stand diedamalige Doktorandin aus der DDR in seinem Labor in der Akademie derWissenschaften an der Prager Nationalstraße. «Ich denke voller Liebean unsere quantenchemischen Berechnungen zurück», erinnert sich derForscher an das Fachpraktikum an der Moldau. An diesem Freitag kehrtAngela Merkel nach Prag zurück - erstmals als Bundeskanzlerin.

Auch der tschechische Wissenschaftler Zdenek Havlas findetherzliche Worte für die CDU-Vorsitzende. «Bei uns zuhause inPodebrady hat sich Angela damals heimlich mit ihrer Cousine ausHamburg getroffen», erzählt der heutige Direktor des Instituts fürorganische Chemie und Biochemie. «Ich habe seinerzeit lieber nichtdarüber nachdenken wollen, ob das kommunistische Regime mir wegen desWestkontakts Probleme machen könnte.» Treffen wird er die Kanzlerinam Freitag leider nicht. «Aber ich hoffe, dass sie in einigen Jahrenin unser Institut kommt, wenn es nach einer Rekonstruktion neueröffnet wird.»

In den achtziger Jahren habe Merkel einmal Computerpapier mitDaten ins Institut bringen müssen, erzählt Havlas. Eine Böe habe ihraber den Stoß aus den Händen gefegt. «Wie eine Ziehharmonika flogendie Blätter auf die Straße, wo der Verkehr sie unbrauchbar machte»,lacht der 55-Jährige. «Aber sonst hat sie sicher gute Erinnerungen anPrag, besonders an die böhmischen Knödel», glaubt Havlas, der mit derDoktorandin damals nicht Russisch, sondern Englisch sprach. Zusammenveröffentlichten sie vier Arbeiten - Grundlage für Merkels Promotionüber Kohlenwasserstoffe. «Häufig wird geschrieben, sie seiPhysikerin. Sie ist aber eher Chemikerin», betont Havlas.

«Sie war ein Wühler, ein enormer Wühler», erinnert sich Zahradnik.«Sie könnte eigentlich alles machen, wofür logisches Denken und einegute Allgemeinbildung gebraucht wird, und sie ist unglaublichstrebsam - eben der Typ, den Sie manchmal aus dem Labor jagenmüssen.» Ihm erscheine die Kanzlerin als «Mensch mit Format»,unterstreicht der Professor: «Es wäre schön, wenn mindestens ein vDrittel der Politiker ihre Kinderstube, Seriosität und Anständigkeithätte.» Mit seiner Frau Milena hat er Angela Merkel auch nach derpolitischen Wende von 1989 gelegentlich wiedergesehen.

Hingegen hatte Havlas den Kontakt zunächst verloren. «Aber einesTages war ich zu Forschungszwecken in Frankfurt am Main, machte mirin einem Gästehaus etwas zu essen, als ich im Fernsehen etwas voneiner «Angela Merkel» hörte. Ich dachte an eine zufälligeNamensgleichheit und war ganz baff, als ich sah, wie meine ehemaligeDoktorandin soeben zur Ministerin ernannt wurde.» Zur Ernennung zurKanzlerin habe er ihr 2005 schriftlich gratuliert und auch Antworterhalten: «Einen kurzen Brief. Sie hat ja kaum Zeit.»

Dass Prag für die Kanzlerin offenbar eine besondere Rolle spielt,wurde bei ihrem bisher letzten Aufenthalt an der Moldau vor gut zweiJahren deutlich: Da bestellte die Noch-Kanzlerkandidatin in ihrerehemaligen Stammkneipe Schnitzel, aß Pommes frites schon mal mit denFingern und plauderte lustvoll mit früheren Kollegen. Und am Randeeines Treffens mit dem damaligen tschechischen Regierungschef JiriParoubek im Dezember 2005 in Berlin schwärmte Merkel vor Journalistenvon den verwinkelten Gassen, den Kunstschätzen und den Kneipen der«Goldenen Stadt». Und sichtbar bewegt gestand sie: «Wenn ich an Pragdenke, spüre ich schon ein wenig Sehnsucht.»