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Gerhard Schröder Gerhard Schröder: «Gewerkschaften und SPD-Linke wollten mich stürzen»

22.10.2006, 14:41
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Frau Doris Schröder-Köpf während einer Flugreise (Archivfoto vom 16.09.2005). (Foto: dpa)
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Frau Doris Schröder-Köpf während einer Flugreise (Archivfoto vom 16.09.2005). (Foto: dpa) REUTERS pool

Berlin/dpa. - Mit der Entscheidung für eine vorgezogene Bundestagswahl seier einem erzwungenen Rücktritt aus den eigenen Reihen zuvorgekommen,schreibt Schröder in seinen in dieser Woche erscheinenden Memoiren,aus denen das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» Auszügeveröffentlichte. In mehreren Interviews warf er seiner Nachfolgerin,Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Führungsschwäche vor. Zugleichkritisierte Schröder die Arbeit der großen Koalition.

«Dem IG-Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske ging es nicht mehr nur um Änderungen anDetails der Agenda 2010, vielmehr wollten sie das Reformprogramm alssolches und damit verbunden mich als Bundeskanzler zu Fall bringen»,zeigte sich Schröder in seinem Buch und in mehreren Interviewsüberzeugt. Auch der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel habe die SPD-Linke indirekt zum Kanzlersturz ermuntert.

Die «Diffamierung» der Reform-Agenda sei von führenden SPD-Mitgliedern vor allem aus Hessen, Niedersachsen und dem Saarlandsowie einzelnen Fraktionsmitgliedern begierig betrieben worden. VieleSPD-Spitzenfunktionäre hätten sich davon verunsichern lassen. Damitsei ein entschlossenes und offensives Werben für die Reformen nichtmehr möglich gewesen. Schröder machte die Strategie von «relevantenTeilen» der eigenen Partei dafür mitverantwortlich, dass eine neueLinkspartei entstanden sei. Er bezeichnete DGB-Chef Michael Sommer im«Spiegel»-Interview als «ständigen Umfaller».

Schröder sagte dem «Spiegel» mit Blick auf Merkel und die Arbeitder großen Koalition: «Es fehlt einfach Führung.» In der «Bild amSonntag» bemängelte er: «Gelegentlich scheint mir ein Basta zufehlen.» Das Ausmaß an «handwerklicher Unfertigkeit» habe ihnüberrascht. Die CDU-Vorsitzende habe vor der Wahl ihren eigenenLeuten «perfektes Handwerk» in der Regierung versprochen. Nunerlebten die Unions-Anhänger genau das Gegenteil. Schröder zeigtesich überzeugt davon, dass ein vorzeitiges Scheitern der großenKoalition auch das Ende von Merkels Karriere bedeuten würde.

Der Altkanzler zeigte sich auch mit Gesundheitsreform unzufrieden.Sie sei «kein großer Wurf». Den geplanten Gesundheitsfonds nannte erein «bürokratisches Monstrum», das der Programmatik von Union und SPDwiderspreche und den Versicherten nicht helfe.

Merkel wies diese Kritik Schröders vor der Jungen Union inWiesbaden zurück. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) meinte:«Schröder ist mit seinem Basta-Führungsstil gescheitert.» Er habeseine Niederlage nicht überwunden, sagte Kauder dem Berliner«Tagesspiegel». Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach von«Großkotzigkeit» des Ex-Kanzlers, die CSU in München von «plumpemNachtreten».

Den Sozialdemokraten riet der Ex-Kanzler, auch bei den Hartz-Gesetzen weiter auf Reformkurs zu bleiben. Wenn die SPD im Bündnismit der Union die Nerven behalte, sei sie bei der Bundestagswahl 2009«in der besseren Situation». IG-Metall-Chef Peters sagte der «Welt amSonntag» zu den Vorwürfen: «Wer mehr als zehn Wahlen hintereinanderverliert, sollte die Verantwortung nicht bei anderen suchen, sondernzumindest im Nachhinein seine Politik überprüfen.»

Der Ex-Kanzler sagte dem «Spiegel» weiter, er habe nichts anseinem viel kritisierten Urteil über den russischen PräsidentenWladimir Putin als «lupenreinen Demokrat» zu korrigieren. Erbezweifelte auch, ob es die Chinesen beeindrucke, wenn Merkel stärkerals er in China die Menschenrechte anspreche. Von US-Präsident GeorgeW. Bush habe er ungeachtet der Irak-Differenzen auch ein positivesBild. Ihn störe allerdings, «wenn jemand eine politische Haltungdirekt aus dem Gebet, also der Zwiesprache mit Gott ableitet», sagteSchröder der «Bild am Sonntag».

Der 62-jährige Altkanzler verteidigte die Übernahme desAufsichtsratsvorsitzes bei dem deutsch-russischen Ostsee-Pipeline-Projekt: «In dem Moment, wo ein Bundeskanzler aus dem Amt scheidet,wird er auch wieder zur Privatperson, zumal wenn er in einem Alterist, wo man noch etwas arbeiten muss und Anwalt ist.»

Ein politisches Spitzenamt schloss Schröder für die Zukunft aus:«Diese Angst kann ich jedem nehmen. Für mich gibt es keine Rückkehrin die Politik.» Wenn ihm Programm und Person gefielen, sei er aberdurchaus bereit, im Wahlkampf zu helfen: «Aber auf den Straßen undPlätzen gehe ich in Zukunft vor allem nur noch spazieren.»