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Gerangel um Rücktritt von Michael Glos

08.02.2009, 18:05

Berlin/dpa. - Mitten in der schweren Wirtschaftskrise hat Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die Bundesregierung mit einem Rücktrittsangebot in zusätzliche schwere Turbulenzen gestürzt.

Als Gründe für seinen überraschenden Schritt nannte der 64-Jährige in einem Brief an CSU-Chef Horst Seehofer sein Alter und seine persönliche Lebensplanung. Nach dpa-Informationen spielte aber auch das seit langem zerrüttete Verhältnis zu Seehofer eine Rolle. Nach zunächst unbestätigten Informationen von «sueddeutsche.de» stand Glos am Sonntagabend kurz vor seiner Ablösung.

Ministerpräsident Seehofer hatte Glos' Bitte um eine Enthebung von seinem Amt am Samstag abgelehnt. Am Sonntagabend berichtete «sueddeutsche.de» jedoch, Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seien sich offenbar einig, dass Glos nicht länger im Amt bleiben solle. Eine Quelle für die Informationen wurde nicht genannt. Unklar blieb zunächst, wer das Amt des Wirtschaftsministers übernehmen soll. Neben CSU-Schatzmeister Thomas Bauer wurde unter anderen auch der bayerische Umweltminister Markus Söder als Kandidat gehandelt. Im Gespräch waren auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU). Seehofer und Glos wollten sich am Abend zu einem Gespräch treffen.

Glos sagte am Sonntagabend bei einem Auftritt vor der CSU im bayerischen Marktleuthen, sein Rücktrittsgesuch sei ein Beitrag, politisches Vertrauen in die Partei zurückzuerobern. Er werde alles tun, damit die CSU durch seinen Schritt keinen Schaden nehme.

Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es bis zum Abend keinerlei offiziellen Kommentar. Aus Unionskreisen hieß es jedoch, die Unionsführung wolle eine «rasche Lösung». In der CSU-Spitze werde intensiv beraten, ob man dem Wunsch von Glos nach einer Ablösung entsprechen könne, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa. Merkel sei in die Gespräche eingebunden. Auch der Koalitionspartner SPD forderte eine schnelle Entscheidung. Die Opposition verlangte die sofortige Absetzung des Ministers.

Nach Informationen der «Bild am Sonntag» hatte Glos die Kanzlerin am Samstag über seinen Wunsch informiert, das Kabinett nach dreieinhalb Jahren vorzeitig zu verlassen. Merkel habe jedoch darauf bestanden, dass der Minister im Amt bleibt. Nach dpa-Informationen hat Seehofer hinter dem Rücken von Glos bereits mögliche Nachfolger angesprochen. Dies habe das Fass zum Überlaufen gebracht, hieß es aus Unionskreisen.

Das Rücktrittsangebot begründete Glos in einem Brief an Seehofer unter anderem damit, dass er bald 65 Jahre alt werde. Vor der Europawahl im Juni und der Bundestagswahl im September seien «Erneuerung, Gestaltungskraft und Glaubwürdigkeit» mehr gefragt denn je. In dem Schreiben heißt es weiter: «Ich bitte dich, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden.»

Formal ist nicht der CSU-Chef, sondern Bundeskanzlerin Merkel für die Zusammensetzung des Kabinetts verantwortlich. Die Praxis innerhalb der großen Koalition sieht aber so aus, dass jede Partei ihre Personalfragen selber klären kann. Die SPD verlangte eine schnelle Entscheidung. «Da muss wieder Ordnung geschaffen werden», sagte Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». «Wir brauchen in dieser Lage einen handlungsfähigen Wirtschaftsminister.»

Der frühere langjährige CSU-Landesgruppenchef Glos war nur Wirtschaftsminister geworden, weil der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber nach der Wahl 2005 einen Wechsel nach Berlin überraschend ablehnte. Glos gilt als Vertreter einer konservativ ausgerichteten Wirtschaftspolitik, der aber in der großen Koalition nur wenige Akzente setzen konnte.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: «Eine außer Kontrolle geratene bayerische Regionalpartei blockiert das ganze Land, und die Kanzlerin schaut macht- und tatenlos zu.» FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Merkel auf, die «Handlungsfähigkeit ihrer Regierung in den zentralen Bereichen der Wirtschaftspolitik» wieder herzustellen. Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst bezeichnete es als «unverantwortlich», Glos gegen seinen Willen im Amt zu halten.