G8 G8: Stress und Ängste vor Gipfeltreffen
Bad Doberan/MZ. - Die Polizei ist schon heute da. Im Gemeindezentrum Steffenshagen wartet Hauptkommissar Ingolf Dinse an diesem Tag auf die Einwohner von Vorder Bollhagen. Eine Viertelstunde vor Beginn des "Informationsabends" ist das frühere Klassenzimmer bis auf den letzten Platz gefüllt.
"Vorder Bollhagen rückt für ein paar Tage in den Mittelpunkt der Welt", sagt Dinse. Was er damit meint, zeigt der Hauptkommissar auf einer Karte: Vorder Bollhagen liegt landseitig genau gegenüber von Heiligendamm, keine vier Kilometer entfernt. Es ist das einzige Dorf, in dem der Sicherheitszaun - der die Gipfelteilnehmer großräumig abschirmen soll - "direkt vor ihrer Haustür verlaufen wird", so der Kommissar. Als er berichtet, dass die Straßen nach Heiligendamm und Kühlungsborn nicht mehr passierbar sein werden, erhebt sich leises Murren im Saal.
Angst vor Vandalismus
Auch auf der Ostsee gibt es während des G-8-Gipfels erhebliche Einschränkungen. 20 Kilometer breit und rund elf Kilometer tief reiche das Sperrgebiet in die See, erläutert Dinse. "Da sind wir ja fast in Kopenhagen", ruft ein Einwohner. Den heikelsten Punkt spart der Polizist für den Schluss auf: Vandalismus durch militante Demonstranten könne wohl nicht ausgeschlossen werden.
"Es soll doch einen Sternmarsch nach Heiligendamm mit zehntausenden Teilnehmern geben", wirft ein Mann besorgt ein. "Kommen die alle durch unser Dorf", fragt eine Frau und will wissen, wer für die Schäden aufkommt. "Notfalls können wir jedem Einwohner drei bis fünf Beamte an die Hand geben", sagt Dinse. Doch nicht alle sind damit zufrieden. "Warum können die Regierungschefs sich keinen Dampfer chartern und auf See beraten", meint eine Anliegerin.
Während die Polizei versucht, die Anwohner auf das G-8-Treffen einzustimmen, gleicht das Seebad noch einer Großbaustelle. Zwar schlägt der 13 Kilometer lange Metallzaun einen weiten Bogen um den Ort. Doch das Seebad erhält gerade eine neue Durchfahrtsstraße; Bahnhof und Bürgersteige sind bereits verschönert worden.
Vor gut hundert Jahren galt Heiligendamm als Refugium der Reichen und Vornehmen. Das Ensemble aus klassizistischen Bade- und Logierhäusern galt als "weiße Stadt am Meer". Die Fundusgruppe wollte mit dem Grand Hotel Kempinski an diese Zeiten anknüpfen. Die früheren Prachtbauten ließ der Investor für viele Millionen herausputzen. Das Nobelbad ist vom Ort durch einen Zaun abgetrennt, den bloß Hotelgäste passieren dürfen; ein direkter Weg zum Strand ist für Heiligendammer und ihre Feriengäste nicht mehr möglich. Das sorgt für böses Blut. Das Konzept geht nicht auf. Die Auslastung blieb hinter den Erwartungen.
Verärgert sind auch Denkmalschützer und Stammgäste des Seebades. Denn die Villa "Perle", die Nummer 1 der immer noch malerischen Strandhäuser-Kette und dem Hotel am nächsten gelegen, wurde auf Wunsch der Bundesregierung abgerissen - soll dann jedoch wieder aufgebaut werden. Die Villa macht vorübergehend einer Pressetribüne Platz, von der sich im Juni der Blick auf die Staatsmänner vor den schmucken klassizistischen Hotel-Fassaden richten wird. Gleichzeitig soll die Tribüne als Sichtschutz dienen. Denn die Sanierung von sieben weiteren Gebäude stockt. Fundus will erst investieren, wenn auch die Auslastung stimmt. So wächst an der Perlenkette Unkraut in Fugen und Dachrinnen, rosten Geländer und bröckelt der Putz. Diesen Anblick wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren hochkarätigen Gästen wohl nicht zumuten.
Bush-Besuch als Probe
Hartmut Polzin wirbt bereits mit dem Großereignis. Auf die Prospekte von Bad Doberan hat der Bürgermeister "Austragungsort G8-Gipfel 2007" drucken lassen. Polzin ist überzeugt, dass das Treffen den Tourismus ankurbeln wird.
"Wir haben das ja alles schon einmal mitgemacht", erzählt er. Als George W. Bush im letzten Jahr zwei Nächte im Kempinski verbrachte, hätten tausend Polizisten alles im Griff gehabt. Im Juni werden es über zehntausend sein. Die ersten sind längst da. Polizisten laufen den Strand ab und überwachen das Hotel. In drei Monaten wird mehr als die Hälfte aller Ordnungshüter des Küstenlandes rings um Heiligendamm eingesetzt sein. "Verkehrskontrollen", freut sich ein Gast, "wird es dann anderswo nicht geben".