Fünf spektakuläre Fälle Fünf spektakuläre Fälle: Wenn Satire zur Staatsaffäre wird

Berlin - Der Präsident, eine Kartoffel? Der SPD-Chef, eine Bestie? Der Papst, ein Soutane-Nässer? Satire konnte schon immer zupackend und auch verletzend sein – mit ganz unterschiedlichen Folgen. Wir haben auf den kommenden Seiten einige spektakuläre Fälle zusammengestellt.
Kaczynski und der Kartoffelstreit
„Die Beleidigung eines Staatsoberhauptes ist ein Verbrechen und muss Konsequenzen haben“, forderte der gerade neu ernannte polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski im Jahr 2006. Der Grund: Die deutsche Tageszeitung „Taz“ hatte den Zwillingsbruder des neuen Premiers, den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, als „Polens neue Kartoffel“ bezeichnet. In der teils derben Satire hatte die Zeitung nationalistische Töne der Kaczynski-Brüder aufgespießt.
Die Bundesregierung stand fest zur Pressefreiheit und ließ sich nicht von der polnischen Regierung vor den Karren spannen. Die „Taz“ legte sogar noch nach. Sie setzte eine Art Memory-Spiel auf ihre Titelseite. Zu sehen: zwei aufgedeckte Kartenpaare – zweimal Lech Kaczynski und zwei Mal eine Kartoffel.
Kurt Beck als Problembär
Das Satiremagazin Titanic kombinierte 2006 auf dem Titel die das Bild des damaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck mit der satirischen Aufforderung, den Problembären zu erlegen – was Beck so erzürnte, dass er vor Gericht eine einstweilige Verfügung erwirkte.
Nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg durfte die Ausgabe nicht mehr nachgedruckt werden, ausgelieferte Bestände konnten jedoch noch verkauft werden. Die Titanic nahm es mit Humor und verwies darauf, dass das Titelblatt nur eine Anspielung auf den Problembären Bruno gewesen sei.
„Wir wollten die bärenverachtende Grausamkeit bayerischer Bärenkiller geißeln“, erklärte die Redaktion. Dafür habe man „einen Bären gesucht, der Lebensfreude ausstrahlt“.
Unterwäsche für den Ayatollah
Es war eine – sagen wir mal – liebevolle Bildmontage, die Rudi Carrell in seiner Satiresendung „Rudis Tagesshow“ 1987 zum achten Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran präsentiert hat. Darin ließen die Macher der Show verschleierte Iranerinnen in Unterwäsche auf den Ayatollah werfen. „Ayatollah Khomeini wird von der Bevölkerung gefeiert und mit Geschenken überhäuft“, sagte Carrell.
Der iranische Botschafter erklärte, er sehe sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt und forderte eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung. Doch die verwies auf die Meinungs- und Rundfunkfreiheit.
Carrell sollte der 14-Sekunden-Beitrag dennoch noch länger beschäftigen: Er erhielt Glückwunsch-Telegramme aus dem Irak – aber auch Morddrohungen von empörten Iranern.
Der Papst und die undichte Stelle
Wohl selten hat ein Kirchenoberhaupt so viel für das Marketing eines Satire-Magazins geleistet, wie Papst Benedikt XVI. für die Titanic. Denn er ließ per einstweiliger Verfügung die Verbreitung einer Ausgabe stoppen, auf deren Titel er in weißer Soutane mit gelbem Fleck im Schritt zu sehen war.
Eine Anspielung auf die Enthüllungsaffäre Vatileaks: „Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden“. Die Titanic-Redaktion erklärte im Nachhinein, es sei bekannt, dass der Papst ein großer Fan des Erfrischungsgetränks Fanta sei.
Man hoffe auf ein persönliches Gespräch, um das Missverständnis auszuräumen. Vor allem aber erkannte die Redaktion das Marketing-Potenzial des Kampfes David gegen Goliath. Sie legte Widerspruch gegen die Verfügung ein – bis der Vatikan schließlich nachgab.
Schlingensiefs mörderische Parole
„Tötet Helmut Kohl“: So lautete die plakative Parole eines Projekts des Künstlers Christoph Schlingensief. Die Polizei führte den Theatermacher im Jahr 1997 bei seiner Performance „Mein Filz, mein Fett, mein Hase – 48 Stunden überleben für Deutschland“ deshalb in Handschellen ab.
Den Provokateur dürfte es kaum gestört haben, er war rasch wieder frei; ernstzunehmende rechtliche Folgen hatte die Aktion nicht. Später erklärte Schlingensief: „Wenn ich sage »Tötet Helmut Kohl«, bewahre ich ihn davor, weil ich das Bild ausspreche.“
Letztlich wurde die Sache ebenso wenig ernst genommen wie Schlingensiefs Aufruf an sechs Millionen Arbeitslose, an Kohls Ferienort am Wolfgangsee baden zu gehen. Und zwar, um den Wasserspiegel so zu erhöhen, dass Kohls Ferienhaus geflutet würde.