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Front National gewinnt Europawahl Front National gewinnt Europawahl: Politisches Erdbeben in Frankreich

25.05.2014, 20:30
Jubel bricht in der Parteizentrale der FN aus, als das Ergebnis der Europawahl bekannt wird.
Jubel bricht in der Parteizentrale der FN aus, als das Ergebnis der Europawahl bekannt wird. dpa Lizenz

Paris - Das politische Beben hat sich in Frankreich schon lange angekündigt, und doch ist der Schock gewaltig: Die rechtsextreme Front National (FN) ist bei der Europawahl am Sonntag zur stärksten Kraft des Landes geworden. Mit rund 25 Prozent hängte die europa- und ausländerfeindliche Partei die Konservativen um mehrere Prozentpunkte ab und lag ganze zehn Prozentpunkte vor den regierenden Sozialisten. Eine triumphierende FN-Chefin Marine Le Pen forderte noch am Wahlabend die Auflösung des französichen Parlaments.

Nach dem historischen Wahlsieg der FN will Präsident François Hollande „die Lehren“ aus diesem „bedeutenden Ereignis“ ziehen. Der Elysée-Palast kündigte am Sonntagabend in Paris an, dass Hollande am Montagmorgen um 8.30 Uhr mit seinem Premierminister Manuel Valls und weiteren Ministern beraten werde.

Alle Mahnungen nutzten nichts

Bis zuletzt hatten sich die anderen Parteien gegen einen Durchmarsch der Rechtsextremen von Marine Le Pen gestemmt. „Weltweites Erstaunen“ sagte Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis voraus, sollte im Land der „Heimat der Menschenrechte“ plötzlich eine Partei zur stärksten Kraft werden, „die andere ausschließen will“. „Demütigend“ für Frankreich wäre dies, warnte der Chef der konservativen UMP, Jean-François Copé.

Doch alle Mahnungen nutzten nichts: Die Franzosen sind von ihren etablierten Parteien und von der EU dermaßen enttäuscht, dass sie die Rechtsextremen inzwischen als echte Alternative wahrnehmen. Präsident François Hollande ist angesichts von Wirtschaftskrise und steigender Arbeitslosigkeit mittlerweile auf einen Negativ-Rekord von 18 Prozent Wählerzustimmung abgerutscht. Nur noch 38 Prozent der Franzosen glauben einer Ifop-Umfrage zufolge, dass ihr Land durch die EU-Mitgliedschaft etwas hinzugewinnt.

Auf dieser Welle schwimmt FN-Chefin Le Pen geschickt schon seit längerer Zeit - und von Wahl zu Wahl legt ihre Partei zu. Die 45-jährige Juristin hatte bereits bei der Präsidentschaftswahl 2012 mit 17,9 Prozent in der ersten Runde für Furore gesorgt. Bei den Kommunalwahlen vor rund zwei Monaten eroberten FN-Kandidaten rund ein dutzend Rathäuser und kamen in manchen Kommunen auf um die 50 Prozent.

Seit der Übernahme des Parteivorsitzes 2011 hat Marine Le Pen zielstrebig ihre Strategie umgesetzt, die lange als rassistisch und neonazistisch verschrieene FN salonfähig zu machen. Politologen sind sich einig, dass sie mit ihrer Kampagne der Partei der „kleinen Leute“, die die Franzosen gegen Bedrohungen von außen schützen will, erfolgreich ist. Im vergangenen Herbst verkündete Le Pen auch, sie werde sich juristisch gegen jede Einstufung der FN als „rechtsextrem“ zur Wehr setzen.

Im Europawahlkampf setzte die Partei vor allem auf Themen wie Einwanderungskontrolle und Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Die FN zieht gegen den Euro zu Felde und fordert die Aufhebung der Schengen-Verträge zum freien Personenverkehr in Europa. Dass der 85-jährige Parteigründer Jean-Marie Le Pen, Vater von Marine Le Pen, kurz vor der Wahl noch einmal eine rassistische Schmähung hinlegte, schadete der FN nicht. Er hatte vor einer „Überschwemmung“ Frankreichs mit Einwanderern gewarnt. Die „Bevölkerungsexplosion“ in vielen Ländern der Welt könne aber die Seuche „Ebola in drei Monaten regeln“, fügte er hinzu.

Im Europaparlament werden die FN-Abgeordneten nicht die Politik der EU umstürzen. Doch für Marine Le Pen ist der Erfolg bei den Europawahlen vor allem das Sprungbrett für ihr eigentliches Ziel: Sie will im Jahr 2017 erneut bei den Präsidentschaftswahlen antreten und macht keinen Hehl daraus, dass sie Staatschefin werden will.
Die Europawahl sei „sehr wahrscheinlich ein Wendepunkt“, hatte sie schon vor Wochen prognostiziert. Nun stellte die FN-Chefin nach dem triumphalen Sieg ihrer Partei klar, dass aus ihrer Sicht das Parlament nicht mehr den Willen der Franzosen spiegle - Präsident Hollande könne daher nur eines machen: das Volk erneut sprechen lassen. (afp, rtr, dpa)

FN-Parteichefin Marie Le Pen nach dem Bekanntwerden der Europawahl-Ergebnisse in Frankreich.
FN-Parteichefin Marie Le Pen nach dem Bekanntwerden der Europawahl-Ergebnisse in Frankreich.
AFP Lizenz