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Freilassung Freilassung: Murat Kurnaz berichtet von Folterungen in Guantánamo

25.08.2006, 06:53
Hinter seiner Mutter Rabiye wird der Sohn Murat Kurnaz in der Nacht zum Freitag (25.08.2006), durch seine Brüder mit einer Decke geschützt, in das Wohnhaus der Familie im Bremer Stadtteil Hemelingen geführt. (Foto: dpa)
Hinter seiner Mutter Rabiye wird der Sohn Murat Kurnaz in der Nacht zum Freitag (25.08.2006), durch seine Brüder mit einer Decke geschützt, in das Wohnhaus der Familie im Bremer Stadtteil Hemelingen geführt. (Foto: dpa) dpa

Bremen/dpa. - Die USAhätten 2002 laut einem Bericht der Bundesregierung eine Freilassungdes heute 24-jährigen Deutsch-Türken angeboten, sagte Anwalt BernhardDocke am Freitag in Bremen. Dies sei von deutscher Seite abgelehntworden. Die Bundesregierung wies Vorwürfe wegen staatlicherVersäumnisse zurück. Über eine Entschädigung für Kurnaz seitens derUSA wird nach Angaben seiner Anwälte noch geredet. Sie sprachen vonunmenschlichen Haftbedingungen und schwerer Folter.

Menschenorganisationen und die Grünen forderten von derBundesregierung, stärker auf die USA einzuwirken, das zum Symbol fürMenschenrechtsverletzungen gewordene Lager Guantánamo zu schließen.Kurnaz erwartet in Bremen ein juristisches Verfahren wegen desVerdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Kurnaz war am Donnerstagabend nach viereinhalb Jahren Haft nachDeutschland zurückgekehrt. Seit Freitag früh ist er wieder in seinemBremer Elternhaus. Sein Anwalt Baher Azmy sagte in Bremen, über eineHaftentschädigung werde noch zu sprechen sein. Der Fall Kurnaz seibesonders schwerwiegend, aber rechtlich nicht einfach durchzusetzen.

Von der damaligen rot-grünen Bundesregierung sei gesagt worden,die Amerikaner verhandelten nicht mit Deutschland, weil Kurnaz einentürkischen Pass habe, sagte Docke. «Hier liegt eineMitverantwortung.» Auch die Rolle des früheren Kanzleramtschefs undheutigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) werfe Fragenauf, die vom Untersuchungsausschuss des Bundestages geklärt werdenmüssten. Docke sagte, es wäre eine Ironie der Geschichte, wennSteinmeier damals an der Verhinderung der Freilassung beteiligtgewesen wäre.

Auch in Kurnaz' Heimatstadt Bremen habe es ein «politisches undmoralisches Versagen» gegeben, sagte Docke. Dort war Kurnaz nachseiner Inhaftierung die Aufenthaltsgenehmigung entzogen worden, weiler sie auf Grund seiner Haft nicht verlängern konnte. Erst dasVerwaltungsgericht machte die Entscheidung der Innenbehörderückgängig.

«Die Bundesregierung hat sich nichts vorzuwerfen», sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Freitag, der auch stellvertretenderSprecher der rot-grünen Regierung war. Sie sei vielmehr bei den USAtätig geworden und habe die Freilassung des aus Bremen stammendenDeutsch-Türken erreicht. Nach Stegs Worten gibt es auch keinenAnlass, Rot-Grün Versäumnisse vorzuhalten. Er wolle aber rückwirkendnicht Stellung beziehen, sagte Steg. Er sehe auch keinen Grund, sichbei Kurnaz wegen angeblicher Versäumnisse zu entschuldigen.

Docke wie auch Azmy berichteten über die schweren Folterungen, dieder 24-Jährige erleiden musste. Noch während seines Rückflugs sei ergefesselt und mit zugebundenen Augen von 15 Soldaten bewacht worden.Während der Gefangenschaft habe er jahrelang in grellem Neonlicht ineinem Käfig gelebt. Über die genauen Vereinbarungen zur Freilassungsei er als Anwalt nicht informiert, sagte Docke.

Petra Pau, Vizevorsitzende der Linksfraktion und Mitglied imUntersuchungsausschuss über BND-Aktivitäten im Ausland, forderte eineumfassende Aufklärung. Sie will wissen, ob deutsche Stellen an derVerschleppung von Kurnaz direkt oder indirekt beteiligt waren. Pauwarf auch die Frage auf, was die Bundesregierung im Herbst 2002veranlasst habe, «das Angebot der US-Regierung auf Freilassung vonKurnaz auszuschlagen». Die Grünen forderten, die Bundesregierungmüsse sich weiter mit Nachdruck gegenüber der US-Regierung für dieSchließung von Guantánamo einsetzen.

In Bremen werden nach Angaben von Staatsanwalt Uwe Picard dieErmittlungen wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellenVereinigung gegen Kurnaz wieder aufgenommen. Kurnaz solle aber«erstmal hier in Bremen angekommen sein». Dann werde er Kontakt mitden Verteidigern aufnehmen und die Sache besprechen. Bei denErmittlungen hatten sich damals Hinweise ergeben, dass Kurnaz und einBekannter möglicherweise gegen die Amerikaner kämpfen wollten.

Nach der Rückkehr des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz beantwortet sein Anwalt Bernhard Docke (l.) am Freitag (25.08.2006) auf einer Pressekonferenz in Bremen die Fragen der Journalisten. (Foto: dpa)
Nach der Rückkehr des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz beantwortet sein Anwalt Bernhard Docke (l.) am Freitag (25.08.2006) auf einer Pressekonferenz in Bremen die Fragen der Journalisten. (Foto: dpa)
dpa