Frauke Petry Frauke Petry: Das sollten Sie über die AfD-Politikerin wissen

Halle (Saale) - Die Alternative für Deutschland wurde bei der Bundestagswahl 2017 drittstärkste Kraft. Doch der große Wahlgewinner steht unmittelbar nach dem Triumph vor einer Zerreißprobe, der interne Streit der Rechtsaußen-Partei um eine eher bürgerliche oder national-völkische Ausrichtung ist eskaliert:
Zwei Tage nach der Wahl hat Parteichefin Frauke Petry ihren Austritt aus der AfD angekündigt. Zuvor hatte sie ihr Amt als Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag niedergelegt. Der Richtungsstreit in der AfD strebt damit einem neuen Höhepunkt zu.
12. Oktober 2017
Hat Frauke Petry die Partei „Die Blauen“ gegründet?
Die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry lässt den Gerüchten über die Gründung einer neuen Partei jetzt Taten folgen. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) kündigte Petry die Gründung von „Die Blaue Partei” an.
Begleitend dazu wollen Petry und ihre Mitstreiter ein Bürgerforum „Blaue Wende” ins Leben rufen, „in dem man sich mit und ohne Parteibuch unabhängig von der Farbe engagieren kann”.
Ist Frauke Petry Vorsitzende von „Die Blauen“?
Nein, den Vorsitz der neuen Partei hat Michael Muster und nicht Frauke Petry selbst übernommen. Muster ist einer der Berater Petrys und der Ehemann von Kirsten Muster, einer engen Vertrauten Petrys, die gemeinsam mit ihr die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag verlassen hat. Michael und Kirsten Muster sind beide Rechtsanwälte im sächsischen Moritzburg.
Als stellvertretende Vorsitzende firmieren Hubertus von Below, der dem Landesvorstand der AfD in Sachsen angehört hat, sein Amt aber ebenfalls niedergelegt hat. Der zweite Stellvertreter ist Thomas Strobel ebenfalls aus Sachsen.
Die MZ beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur früheren und künftigen Rolle Petrys.
Wer ist Frauke Petry?
Der spektakuläre Schritt ist nur ein weiterer Höhepunkt in der turbulenten politischen Karriere Petrys. Die 42-Jährige aus Sachsen ist schlagfertig, kämpferisch und weithin bekannt. Die inzwischen fünffache Mutter war lange das Gesicht der AfD. Doch im Bundestagswahlkampf blieb sie nur eine Randfigur, die große Bühne gehörte den Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland.
Petrys Kampagne beschränkte sich auf ihr Bundesland Sachsen - wo sie allerdings den bundesweiten Wahlerfolg von 12,6 Prozent noch deutlich übertraf. 27 Prozent und Platz eins im Parteiengefüge stehen in Sachsen für die Landeschefin zu Buche. Im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eroberte Petry das Direktmandat von der CDU - und zwar mit deutlichem Vorsprung und 37,4 Prozent.
Welche Bedeutung hat Frauke Petry für die noch junge Geschichte der AfD?
Als Mitbegründerin gehört Petry seit Anfang 2013 zur AfD. Die promovierte Chemikerin kam ohne politische Erfahrungen zur Alternative für Deutschland und wurde neben Bernd Lucke und Konrad Adam eine von drei Sprechern des Bundesvorstandes.
Ihr erster großer Erfolg kam bei der Landtagswahl in Sachsen im August 2014: Petry führte die AfD erstmals in ein deutsches Parlament und erzielte auf Anhieb 9,7 Prozent. Seitdem ist die diplomierte Chemikerin Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag.
Ihre große Zeit hatte Petry dann im Sommer 2015. Mit einem Überraschungscoup vertrieb sie auf dem Essener Parteitag AfD-Mitbegründer Bernd Lucke. Petry übernahm den Parteivorsitz und holte Jörg Meuthen an ihre Seite, der schnell zu einem ihrer härtesten Gegner wurde.
Wird Frauke Petrys Parteiaustritt die AfD schwächen?
Wenig spricht dafür, dass der neue Eklat in der Parteispitze die AfD ernsthaft schwächen wird. Mit Parteigründer Bernd Lucke verließ 2015 bereits eine Reihe von Getreuen die AfD und gründete eine neue Partei, die rasch in der Bedeutungslosigkeit versank.
Welche Parallelen gibt es zwischen Frauke Petry und AfD-Gründer Bernd Lucke?
Vieles erinnert an das Jahr 2015, als der damalige AfD-Chef und Parteigründer Bernd Lucke immer mehr an den Rand gedrängt wurde und schließlich im Machtkampf mit Petry unterlag. Lucke galt im Vergleich zu Petry als gemäßigter. Dieselbe Rolle hat Petry nun im Vergleich zu Alexander Gauland und anderen Anhängern des rechten Flügels.
Wer sind Frauke Petrys Unterstützer?
In Schwerin erklärten am Tag nach der Bundestagswahl vier der 17 Abgeordneten ihren Austritt aus der Fraktion und begründeten das mit der Radikalisierung der Gruppe. Auch Petrys Ehemann, der nordrhein-westfälische Landes- und Fraktionsvorsitzende Marcus Pretzell, will die Partei verlassen.
Der stellvertretende Landesvorsitzende der sächsischen AfD, Thomas Hartung, trat zurück und legte auch sein Amt als Pressesprecher mit sofortiger Wirkung nieder. Im Zusammenhang mit der Kritik an Noch-Parteichefin Petry sprach er von einer „Hexenjagd auf selbstständig Denkende“.
Gemeinsam mit Petry hatten auch der Parlamentarische Geschäftsführer Uwe Wurlitzer und Fraktionsvize Kirsten Muster ihre Ämter im Sächsischen Landtag niedergelegt und waren aus der AfD-Fraktion ausgetreten.
Wer waren Frauke Petrys Gegner in der AfD?
Beim Kölner Parteitag im April war Frauke Petry mit einem Antrag gescheitert, in dem sie ihre Partei auf eine Distanzierung von dem vielfach als völkisch bezeichneten Kurs des Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke festlegen wollte. Damit scheiterte ihr Versuch, die AfD nach ihren Vorstellungen auszurichten und sie auf einen realpolitischen Kurs festzulegen. Die einstige Vorzeigefrau der Rechtspopulisten wurde de facto entmachtet.
Petry hatte in Köln gemahnt, mit dem völkischen Kurs würden bürgerliche Wähler verschreckt. Auf die aber sei die AfD angewiesen. Mittlerweile scheinen Gauland und Weidel jedoch auf einen radikalen Kurs eingeschwenkt zu sein. So forderte Gauland, „stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“ Weidel wiederum dementierte nicht eindeutig eine ihr zugeschriebene Email mit fremdenfeindlich Attacken.
Petry soll seit Monaten keinen Kontakt mehr zu den AfD-Spitzenkandidaten sowie zu ihrem Ko-Parteichef Jörg Meuthen gehabt haben und zunehmend isoliert gewesen sein. Auf die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl hatte sie verzichtet.
Welche Rolle spielt Björn Höcke für die Spaltung der AfD?
Ein Dauerkonflikt in der AfD-Führungsriege ist der Umgang mit Rechtsaußen wie dem Thüringer Landeschef Björn Höcke. Während sich Petry vehement für dessen Parteiausschluss einsetzte, gehört Höcke für Alexander Gauland nach wie vor zur „Seele der Partei“. Das mache sie „etwas traurig“, sagte Petry einmal.
Höcke ist ein Symbol für die Radikalisierung von Teilen der AfD-Funktionäre. Bundesweit löste er mit abwertenden Äußerungen über das Holocaust-Mahnmal in Berlin Empörung aus. Zudem werfen ihm Kritiker vor, sich nicht eindeutig von der rechtsradikalen NPD abgesetzt zu haben.
„Die Blauen“: Was plant Frauke Petry jetzt?
WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten, Petry plane eine Abspaltung. Chatprotokolle sollen demnach darauf hinweisen, dass Petry seit Monaten darauf hingearbeitet habe.
Die aus der AfD scheidende Politikerin hat nach eigenen Angaben eine Internetadresse „dieblauen.de“ angemeldet. Eine Partei stecke aber nicht dahinter, sagte sie am Mittwoch am Rande einer Sitzung des sächsischen Landtages in Dresden. Das „Blau“ verkörpere eine Idee, sei aber kein Parteiname. Sie werde sich zu gegebener Zeit dazu äußern. Es sei noch zu früh, um über Details zu sprechen. Petry bekräftigte, dass sie politisch aktiv bleiben wolle.
Kann Frauke Petry einfach mit einer neuen Partei in den Bundestag?
Frauke Petry will nicht Mitglied der Bundestagsfraktion der AfD werden. Sie kann aber unter der Fahne einer eigenen Partei im Parlament sitzen. Denn sie hat über die Mehrheit der Erststimmen in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat erhalten - rechtlich erst einmal unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur AfD.
Sie könnte daher eine neue Partei gründen, was auch in Deutschland recht einfach ist: Auf einer Versammlung müssen eine Satzung, ein Programm und ein mindestens dreiköpfiger Vorstand bestimmt werden. Dies wird dem zuständigen Wahlleiter mitgeteilt.
In eine neue Partei könnten Petry auch weitere AfD-Abgeordnete folgen. Sie würden dann alle unter der neuen Bezeichnung firmieren.
Kann Frauke Petry eine eigene Fraktion im Bundestag bilden?
Ob Frauke Petry eine neue Fraktion bilden könnte, hängt von der Anzahl der Mitstreiter ab: Petry bräuchte mindestens 35 weitere Parlamentarier. Sind sie weniger, könnten sie sich um eine Anerkennung als Gruppe bemühen, die allerdings weniger Rechte hätte.
Was hat Frauke Petry neben der Politik bislang gemacht?
Petry wurde 1975 in Dresden geboren, als Teenager kam sie in der Wendezeit mit ihrer Familie nach Westdeutschland. Nach dem Abitur studierte sie als Stipendiatin in Göttingen und Großbritannien Chemie, 2004 folgte die Promotion. Sie gründete ein Kunststoff-Unternehmen in Leipzig, bekam Unternehmenspreise und den Bundesverdienstorden. Und sie lernte die Risiken des Wirtschaftslebens kennen: Ende 2013 ging Petrys Firma pleite, es folgte die Privatinsolvenz. Da war sie bereits für die AfD in der Spur.
Hat Frauke Petry Familie und Kinder?
Im Oktober 2015 machte Frauke Petry die Trennung von dem Pfarrer Sven Petry öffentlich, mit dem sie 20 Jahre zusammen war und vier Kinder hat. Zeitgleich verkündete sie ihre neue Beziehung mit dem NRW-Landeschef und AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell. Die Heirat folgte im Dezember 2016, im Mai 2017 kam der gemeinsame Sohn Ferdinand zur Welt.
Die größten Schlagzeilen verschafften ihr das umstrittene Plakat, das sie mit ihrem gerade geborenen Baby zeigt. Das bei den AfD-Wahlkämpfern begehrte „Sondermotiv Petry“ soll ihren Widersacher Meuthen so aufgebracht haben, dass er den Nachdruck verhinderte.
Stimmt es, dass gegen Frauke Petry ermittelt wird?
Ja, Frauke Petry hat auch Ärger mit der Justiz: Der sächsische Landtag hob im Sommer ihre Immunität auf. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt seit gut einem Jahr gegen Petry. Hintergrund sind widersprüchliche Aussagen von ihr und AfD-Landesschatzmeister Carsten Hütter vor dem Wahlprüfungsausschuss des Landtages im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidatenliste zur Landtagswahl 2014.
(mz/dpa/afp)