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Französisches Projekt Französisches Projekt: Sarkozy stiftet mit «Mittelmeerunion» Unruhe

Von Hans-Hermann Nikolei 06.12.2007, 12:45

Paris/dpa. - Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht in dem Projekt Sprengstoff für die EuropäischeUnion und warnt, die Union könne «in ihrem Kernbereich zerfallen». InParis kursiert dagegen das Bonmot, Sarkozy sehe sein Projekt schonvollendet, wenn er «rund um das Mittelmeer französischeAtomkraftwerke gebaut und sie untereinander mit TGV-Schnellzügenverbunden» habe.

Am Anfang des Projektes Mittelmeerunion standen das«Türkeiproblem» und die drohende Konfrontation des Westens mit derislamischen Welt. Sarkozy will die Aufnahme der Türkei in dieEuropäische Union verhindern. Gleichzeitig malt er die Gefahr einerKonfrontation des Westens mit der islamischen Welt an die Wand, diees zu entschärfen gelte. Sein engster Mitarbeiter, Henri Guaino, fandeine auf den ersten Blick bestechend erscheinende Lösung: EineMittelmeerunion könnte den Rahmen für die EU-Anbindung der Türkeigeben und die Interessen der Europäer mit denen der nordafrikanischen(Öl-) Staaten verflechten.

Vor den französischen Botschaftern erklärte Sarkozy im August, dieEU-Mittelmeerpolitik greife zu kurz. Und er nannte «vier Säulen» fürdie Mittelmeerunion: Umwelt, Kulturdialog, Wirtschaft und Sicherheit.Die EU-Kommission solle «als Akteur mit vollem Recht» einbezogenwerden, sagte er. Konkret war später eher von einem Beobachterstatusdie Rede. Und schon im August verband Sarkozy das Thema mit denfranzösischen Atomexporten. «Einer Konfrontation mit dem Islamvorbeugen heißt, den muslimischen Staaten helfen, in den Besitz derZukunftsenergie Atomkraft zu gelangen», befand er.

Im kommenden Juli übernimmt Sarkozy den Vorsitz im EU-Ministerrat.Wenige Tage zuvor - also außerhalb der EU - will er in Marseille aufeiner Gipfelkonferenz den Grundstein für die Mittelmeerunion legen.In Algier verglich Sarkozy die Mittelmeerunion mit der EuropäischenUnion und die französisch-algerische Aussöhnung mit der «vonFrankreich angebotenen» Aussöhnung mit Deutschland nach dem ZweitenWeltkrieg. Er sprach von einer Kultur des Mittelmeerraumes und vonder Aufgabe der Unternehmen, nach dem Vorbild der Montanunion an derMittelmeerunion mitzubauen. Und er nannte einen «Beweis fürFrankreichs Vertrauen in Algerien»: die Atomkraft-Kooperation.

Doch weder in Algerien noch anderswo stößt Sarkozy bisher mit derMittelmeerunion auf Begeisterung. Ankara behielt sich eine Antwortvor und Marokko verwies auf die Mittelmeerpolitik der EU. Das Projektlässt zu viele Fragen offen. Was soll mit den Palästinensergebietenpassieren, wenn Israel dabei ist? Wie sollen der Libanon und Syriensich über die Union einigen? Kann man mit Libyens Führer Muammar elGaddafi eine Union beschließen wie mit den Niederländern? Wie kannman die von der EU mit halbem Bann belegten Kroaten außen vor lassen,aber meeresferne Länder wie Mauretanien einbeziehen wollen? Und nichtzuletzt: Wer zahlt für die Projekte?

Während Sarkozy noch mit pathetischen Worten eine Mittelmeerunionals Friedensstifter preist, schraubt Paris seine Ambitionen langsamzurück. Vor der Parlamentarischen Versammlung der Mittelmeerstaaten,die 2005 auf EU-Initiative gegründet worden war, erklärte derfranzösische Botschafter Alain Le Roy jüngst, die Mittelmeerunionsolle keine Kommission wie die EU erhalten. Sarkozy denke eher aneinen Bund mit wechselndem Vorsitz und konkreten Projekten, so wiedie G8 der großen Industriestaaten. Allerdings sind die großen EU-Zahler wie Deutschland nicht bereit, für Sarkozys «konkrete Projekte»das nötige Geld zu geben. «Ohne die Perspektive erheblicherzusätzlicher Mittel muss das Projekt Mittelmeerunion aber aufgegebenwerden», analysiert das Mittelmeerinstitut in Marseille.