Fernsehen Fernsehen: Regierungschefs interessieren sich für ARD-Schleichwerbung
Hamburg/München/dpa. - In der Schmiergeldaffäre um den früheren Sportchef des Hessischen Rundfunks (hr), Jürgen Emig, gehen in dieser Woche die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den ebenfalls inhaftierten und suspendierten Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Wilfried Mohren, weiter.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) äußerte in der«BamS» die Erwartung, «dass die Intendanten der ARD sehr raschzusammenkommen und eine klare Richtschnur für die Zukunftvereinbaren». Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, forderte im Magazin «Focus»: «Wenn sich dieIntendanten nicht auf ein Verbot von Produktionshilfen verständigen,müssen wir dies rundfunkgesetzlich untersagen.»
Nach einem vertraulichen Prüfbericht der Revision desSüdwestrundfunks (SWR) hat die ARD-Tochterfirma Bavaria laut «BamS»von 2002 bis 2005 allein bei den Serien «Marienhof» und «In allerFreundschaft» fast 1,5 Millionen Euro mit Schleichwerbungeingenommen. Im Mai 2003 sei ein Konflikt darüber zwischen der«Marienhof»-Redaktion des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Bavariaeskaliert. Es sei «unverständlich», warum die Aktivitäten nicht ab2003 unterbunden worden seien, zitiert die «BamS» aus demPrüfbericht.
Der CDU-Medienpolitiker Bernd Neumann forderte von ARD-Programmdirektor Günter Struve Aufklärung. «Dass alles ohne zumindeststillschweigendes Wissen von ARD-Verantwortlichen stattgefunden habensoll, widerspricht jeder menschlichen Erfahrung», sagte er der«Süddeutschen Zeitung» (Samstag). «Ich halte Herrn Struve alsHauptverantwortlichen für die ARD-Programmdirektion nicht mehr fürtragbar.» Im Zuge der Affäre sind bereits vier Verantwortliche derBavaria entlassen worden, zuletzt Geschäftsführer Thilo Kleine.
Aus der Programmdirektion selbst soll nach einem Bericht des«Spiegel» ein Themen-Placement im «Marienhof» angeregt worden sein.Demnach wurden die Deutschen Tourenwagen Masters (DTM), für die dieARD seit 2000 als Medienpartner auftrete, in mehrere Folgenintegriert. Ein Darsteller habe an dem Autorennen teilgenommen,dessen Sponsoren ständig präsent und deren Logos klar zu sehengewesen seien. Zusätzliches Geld ist dafür laut ARD nicht geflossen.
«Das war für mich ein klarer Fall von Cross-Promotion», zitiertder «Spiegel» die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit derProgrammdirektion, Ursula Power. Der «BamS» sagte sie, nach einerZuschaueranalyse sollte mehr Sport in die Serie eingebaut werden. Siehabe nur nach einer Sportart gesucht, die von der ARD übertragenwerde und bedauere, dass diese Episoden nun unter dem Verdacht derSchleichwerbung stünden. Programmdirektor Struve sei über den Vorganginformiert gewesen.
Der Medienforscher und frühere Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, Lutz Hachmeister, hält nicht fehlende Kontrolle, sondernfehlendes Unrechtsbewusstsein für das eigentliche Problem. «VieleProduzenten haben das Verbot von Schleichwerbung für passé gehalten.Sie haben sich als Teil einer Gesellschaft gesehen, die von Werbungdurchdrungen ist», sagte er dem «Tagesspiegel» (Sonntag). Die Affäreschlage vor allem deshalb so große Wellen, weil derzeit wiederstärker über Regeln, Moral und Werte diskutiert werde. Dabei könntenService- und Wissensmagazine nicht existieren oder würden sehr vielteurer werden, wenn es nicht zugelieferte Beiträge oder extrem engeKooperationen gäbe. «Dieser Bereich ist noch gar nichtausgeleuchtet», sagte Hachmeister.